Focke-Wulf Fw 56 Stößer
Modell: Focke-Wulf Fw 56 Stößer
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Plastic Planet Club (48-004)
Zur Focke-Wulf Fw 56
Die Fw 56 Stößer ist vielleicht nicht das bekannteste Muster Kurt Tanks, mit etwa 514 produzierten Exemplaren und ihrer Bedeutung als Trainer für die neuentstehende Luftwaffe zählt sie aber auch nicht gerade zu den Exoten. Trotzdem ist die hier vorliegende Stößer ein recht erstaunliches Unikum, denn es zeigt ein spanisch-republikanisches Exemplar, während die Maschine ja aus den Beständen des die Gegenseite beliefernden Deutschlands stammt. Gab es das wirklich?
Die Geschichte dahinter ist, wie ich meine, noch erstaunlicher, als man vermuten könnte. Die Fw 56 in den charakteristischen Markierungen der Republikaner hatte recht verschlungene Wege vom Focke-Wulf Werk in Bremen bis zur Front des spanischen Bürgerkriegs genommen. Doch bevor ich dazu komme, ein paar Worte über die Fw 56 selbst.
Dieser elegante Hochdecker entstand ab 1933 aufgrund einer Ausschreibung für einen neuen Fortgeschrittenen-Trainer und „Heimatschutzjäger“ für die in vehementer Aufrüstung befindliche Luftwaffe. Der Erstflug fand am Ende des Jahres, im November 1933, statt. Nachdem sich der Typ im Vergleichsfliegen gegen Konkurrenten wie der Arado Ar 76 durchgesetzt hatte, ging die Stößer ab 1935 in Serie.
Der neue Hochdecker bewährte sich als Trainer in den Jagdfliegerschulen derart gut, dass sie bis Kriegsende in dieser Rolle verwendet wurde. Die restriktive Exportpolitik NS-Deutschlands beschränkte die Nutzer außerhalb Deutschlands allerdings auf Bulgarien mit sechs, Österreich mit neun sowie, nach 1938, Ungarn mit 28 Maschinen. Außerhalb Europas kam später noch Bolivien mit zwei Exemplaren hinzu. Eine Fw 56 für Spanien – und gar eine für die “falsche“ republikanische Seite – scheint auf den offiziellen Listen nirgends auf. Nachdem deren Existenz durch Fotos ganz gut belegt ist, stellt sich die Frage, wie es dazu gekommen war.
Tatsächlich konnte anhand noch greifbarer Quellen eine einerseits einzigartige, andererseits die Lage im damaligen Europa erhellende Geschichte eines Waffenhandels rekonstruiert werden. Eine Geschichte, die mit ihren zahlreichen Wendungen und abgründigen Charakteren bisweilen wirkt, als wäre sie aus der Feder eines allzu viel schreibenden Romanautors geflossen. Für alle, die es interessiert, folgt die kurze Zusammenfassung einer langen Geschichte:
Die oftmals „Zwischenkriegszeit“ genannten Jahre 1919 – 39 waren voller bewaffneter Konflikte. Ein besonders abstoßender Krieg war der Eroberungsversuch des damaligen Kaiserreichs Äthiopien durch das faschistische Italien ab Oktober 1935. Kaiser Haile Selassie versuchte auf den internationalen Waffenmärkten Kriegsmaterial für seine technisch den Italienern unterlegenen Truppen zu besorgen.
Hier betritt der britische Waffenhändler John Ball von der „Soley Armament Company“ die Bühne. Ihm gelang ein recht einzigartiger Coup: er konnte – ohne jede offizielle deutsche Erlaubnis – direkt bei Focke-Wulf in Bremen drei neue Fw 56 aus der Fertigungsstraße heraus erwerben. Wie auch immer dieser Handel, der ja an den Vertretern des RLM vorbei geführt werden musste, vonstattengegangen war und wie sinnvoll der Erwerb von high-tech Jagdmaschinen für die äthiopische Seite war – die drei in Kisten verpackten Fw 56 traten im April 1936, komplett mit Bewaffnung, Munition und Betriebsstoffen, ihre Reise nach Äthiopien an. Der Frachter war allerdings noch auf See, als im Mai 1936 Äthiopien die Waffen strecken musste.
John Balls Agenten versuchten nun, da aus dem äthiopischen Geschäft nichts werden würde, die heiße Ware doch noch gewinnbringend loszuwerden. Inoffizielle Kontaktnahmen nach Großbritannien führten nur dazu, dass dem immer noch auf See befindlichen Frachter der Zugang zu britischen Häfen verboten wurde. Erst im Juni 1936 machte der Frachter in Antwerpen fest. Seine Fracht durfte er aber nicht löschen.
Inzwischen war in Spanien ein neuer, rasch zu einem blutigen Bürgerkrieg ausufernder Konflikt aufgebrochen. John Balls Vertretern in London war es gelungen, mit Agenten der spanischen Nationalsten handelseins zu werden. Jedoch: es sollte auch aus diesem Geschäft nichts werden: Belgien hatte die gesamte Bewaffnung und die mitgeführte Munition beschlagnahmt, die National- Spanier traten daraufhin vom Kauf der Flugzeuge zurück. Da sich abzeichnete, dass die belgische Regierung zur Wahrung der Neutralität bald alle Lieferungen von Kriegsmaterial ins spanische Kriegsgebiet verbieten würde, beeilte sich Ball, die Flugzeuge in den niederländischen Hafen Rotterdam bringen zu lassen.
Von hier aus wurde ein letzter Versuch gestartet, die Fracht Richtung Spanien loszuwerden: kurzerhand wurden die Jagdflugzeuge der republikanischen Gegenseite angeboten. Diesmal sollte der Handel gelingen: nach einem halben Jahr in Kisten und auf See wurden die Stößer am 1. Oktober 1936 in Alicante an Land gebracht, von der Republik Spanien übernommen, zusammengebaut und an ihre Einsatzorte geflogen.
In spanisch-republikanischen Diensten wurden die drei Fw 56 in ihrer ursprünglichen Rolle als Jagd-Trainer eingesetzt. Meine hier gezeigte Stößer wurde ab 1937 in einer Jagdfliegerschule – spanisch „Escuela de Vuelo de Alta Velocidad“ in El Camoli, einer Basis nahe Cartagena, geflogen. Die eigentümliche Flecktarnung wurde dort provisorisch über einem in Bremen applizierten Farbton aufgetragen, der meist als RLM 65 oder RLM 62 beschrieben wird.
Zum Bauprozess
Die Markierungen zu dieser ungewöhnlichen Maschine entstammen dem Bausatz von „Plastic Planet Club“, die Bausatzformen gehen dabei aber auf eine Produktion von „Historic Plastic Models“ aus den Jahr 2003 zurück. Die Kunststoffteile entsprechen, so kann ich nach zwei Exemplaren guten Gewissens sagen, wildesten „short-run“ Erwartungen.
Die Aufteilung der Plastikteile macht durchaus Sinn und erscheint mir recht durchdacht. So wird etwa an ein wenig Innenleben hinter der großen Ansaugöffnung des Argus-As-10 Treibwerks gedacht. Mit einem Blick auf das Cockpit gefallen mir auch der Aufbau der Seitenwände und die Gestaltung des Sitzes bzw. seiner Aufhängung.
Allerdings ist von Beginn an viel Eigeninitiative gefordert. Schon die Bauanleitung weist oft darauf hin, dass Teile selbst zu fertigen sind, vor allem aber muss so manches Bauteil neu gemacht werden, weil das beigelegte Teil schlicht nicht zu gebrauchen ist. Als Beispiel dafür nenne ich die beiden MG-Mündungen, die ja doch an diesem abgestrebten Hochdecker sehr gut zu erkennen sind. Ersetzt habe ich aber auch – in einem etwas aufwendigen Prozess – das gesamte innere Strebewerk der Verbindung Tragfläche-Rumpf. Dies geschah aufgrund der Erfahrungen, die ich an diesem Modell machen musste und bezieht sich auf die zweite, in einem folgenden Bericht vorgestellte Fw-56.
Überrascht es, wenn ich sage, dass buchstäblich jedes Teil überarbeitet, versäubert, korrigiert – oder eben ersetzt – werden musste? Dies möchte ich allerdings nicht unbedingt als Klage verstanden wissen, denn mit etwas Beständigkeit und Freude an der Improvisation kommt man hier doch auch an ein Ziel, das lohnt. Die damit verbundene enge Auseinandersetzung mit Vorbild wie Modell macht auch durchwegs Freude!
Mein Urteil über die Decals des Bausatzes ist zwiespältig. Einerseits darf ich die raffinierte Feinheit des Trägerfilms und die absolut unproblematische Verarbeitbarkeit der Schiebebilder loben. Beinahe unsichtbar schmiegen sie sich an die Oberflächen und scheinen mit etwas Weichmacher gleichsam körperlos mit dem Untergrund zu verschmelzen.
Andererseits…. Ja, leider, ein Gutteil des Decal-Materials ist so aus dem Register gerutscht, dass es einfach nicht zu verwenden ist. Bei diesem Modell war nur die große Buchstaben-Markierung am Rumpf vonnöten, die sauber gedruckt war und deshalb auch verwendet wurde.
Wie das oben Stehende schon vermuten lässt: dieser Bausatz fordert einiges an Aufmerksamkeit, ebensolche verlangt das einmalige Vorbild, das zu eingehender Recherche förmlich verleitet. Das Resultat macht den Modellbauer allerdings zufrieden. Die facettenreiche Hintergrundgeschichte lässt das Modell in der Vitrine ebenso herausleuchten, wie die spanisch-republikanischen Markierungen. Last but not least: es gibt nicht viele Gelegenheiten, eine Fw 56 Stößer in die Vitrine zu bekommen.
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer