Bell YFM-1 Airacuda
Modell: Bell YFM-1 Airacuda
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/72
Verwendeter Bausatz: Valom (72015)
Zur YFM-1 Airacuda
Die Bell YFM-1 Airacuda dürfte zu jenen Entwürfen zählen, die trotz eines ästhetisch äußerst ansprechenden Äußeren sowie einer gewissen Anzahl gebauter Exemplare weitgehend unbekannt geblieben sind. Dabei sieht der Entwurf ja meiner Meinung nach spektakulär genug aus, um, direkt aus einem Marvel-Comic kommend, “Captain America“ als fliegender Untersatz dienen zu können!
Das kommt tatsächlich nicht von ungefähr, denn Bell wollte sich bei ihrem ersten Auftrag für das USAAC gleich als ein ambitionierter Spezialist für ungewöhnliche Lösungen positionieren. Man hat sich dabei wirklich nicht lumpen lassen! In die YFM-1 wurden mehr technische Neuigkeiten und Alternativen zu Erprobtem gesteckt, wie in wohl bis dahin in nur wenigen Neukonstruktionen.
So wurde entgegen den zeitgenössischen Jagdflugzeug-Konventionen der „Airacuda“ genannte Entwurf von zwei anstelle eines Triebwerks angetrieben, die noch dazu als „pusher“ zum Antrieb von Druckpropellern ausgelegt waren. Eine überschwere Bewaffnung von zwei gewaltigen 37mm Kanonen sollte die schnittige YFM-1 als idealen Bomberzerstörer und überlegenen schweren Jäger positionieren. Die Bezeichnung „FM“ stand dabei für „Fighter, Multiplace“, eine Klassifikation, die die USAAC nur von 1937 bis 1941 mit der Airacuda als einzigem Exemplar führte.
Die für ein Jagdflugzeug ungewöhnlich große Besatzung von fünf Mann würde nach diesem Konzept als gut eingespieltes Team die Airacuda zu einem wahren Bomberschreck werden lassen – oder, wie es in einem zeitgenössischen Bell-Werbefilm heißt, „to the most deadly thing in the sky!“. Betrachtet man die Entwicklungsgeschichte der Airacuda im Rückblick, sollte sich dieser vollmundige Werbespruch fast verwirklichen. Wie gleich zu zeigen sein wird, ist hier allerdings eher an die YFM-1 Besatzungen zu denken als an die gegnerische Seite!
Das ambitionierte und innovative Projekt scheint dabei sozusagen über sich selbst gestolpert zu sein. Zum einen, weil hier technisch dann doch zu viel auf einmal gewollt worden ist. So plagten etwa Probleme mit den beiden Triebwerken die Entwicklung von Anfang bis zum Ende. Vor allem die Überhitzung der beiden in den Gondel-Rückseiten eingebauten Allison-V-1710 Motoren schien – wie übrigens bei vielen „pusher“-Konstruktionen – schwer beherrschbar. Dies führte soweit, dass die Airacuda zum Rollen von einem Fahrzeug gezogen werden musste. Erst unmittelbar vor dem Start konnten die Motoren gestartet werden.
Noch dazu waren Treibwerksausfälle bei der Airacuda eine äußerst heikle Sache, wie schon Testpilot Ben Kelsey beim Erstflug feststellen musste. Die YFM-1 zeigte sich mit einem Triebwerk als praktisch nicht steuerbar. Viel ein Motor aus, ging das Flugzeug sofort und ohne Ankündigung in ein kaum mehr beherrschbares Trudeln über.
Weiters zeigten sich bei der Flugerprobung enttäuschende Flugleistungen; die Ariacuda, mit 8.190 kg maximaler Startmasse ohnehin schwerer als viele zeitgenössischen Bomber, erreichte gerade einmal magere 430 km/h Höchstgeschwindigkeit. Schon im Jahr des Erstflugs war klar, dass dies selbst für einen schweren Jäger, Begleitjäger – oder „bomber killer“ nicht ausreichen würde. Zudem zeigte sich die Konstruktion ganz entgegen dem Anschein ihrer schnittigen Formen als über alle Achsen instabil und ungenügend wendig.
Selbst der große Bonus der Airacuda in Form der beiden in den Gondeln montierten 37mm Madsen-M4 Kanonen enttäuschte. Der Copilot im hinteren Sitz war gleichzeitig Waffenoffizier, er feuerte die beiden Kanonen, die er mit einem neuartigen „Therminioc“ genannten Feuerleitgerät von Sperry ausrichten konnte, ab. Die beiden Schützen in ihren Gondeln dagegen konnten die Kanonen zwar auch selbst ausrichten, ihre Funktion war aber vor allem die von Ladeschützen.
Nachdem die Madsen M4 mit nur fünf Schüsse fassenden-Magazinen geladen wurde, wären die beiden Ladeschützen schwer gefordert gewesen. Zusätzlich zeigte sich im Praxistest, dass die M4 beim Feuern rasch dazu neigte, die enge Kabine mit giftigem Schmauch zu füllen. Die lahme Schussfolge sowie die aus einer relativ langsamen Mündungsgeschwindigkeit resultierende Ziel-Ungenauigkeit der M4 machten es zusätzlich unwahrscheinlich, dass diese Form der Bewaffnung im Luftkampf punkten würde.
Dafür schuf die Auslegung mit den beiden Gondeln noch ein weiteres Problem: für einen Notausstieg der beiden Schützen mussten die Heckpropeller zuerst in Federstellung sowie folgend zum Stillstand gebracht werden. Es wurden zwar auch Sprengbolzen an den Propellernarben installiert, ein erfolgreicher Absprung der Gondelbesatzungen wäre aber stets eine Sache mit äußerst ungewissem Ausgang geblieben.
Als wäre es der technischen Neuerungen und Alternativen noch nicht genug, zeigte die mit komplexen elektrischen Systemen ausgestattete Airacuda noch eine Eigenheit, die zwar von großem Technikvertrauen, gleichzeitig aber auch von gefährlicher Praxisuntauglichkeit zeugte: als bis jetzt einziges Flugzeug der Geschichte wurde bei der YFM-1 sämtlich Energie der Bordelektrik über eine eigenen Motor bereitgestellt. Fiel nun dieser APU-Motor aus – was offensichtlich laufend der Fall war – war das Flugzeug buchstäblich mit einem Schlag „tot“: von den Treibstoffpumpen und Motoren, über Klappen, Fahrwerk, Flugdaten, bis zur gesamten Hydraulik waren sämtliche diese Systeme gleichzeitig ausgefallen. Auch das stellte keine Empfehlung für ein zukünftiges Kampfflugzeug dar.
Im Licht des Beschriebenen wundert es fast, dass insgesamt dreizehn Vorserienmaschinen gebaut und von 1937 an auch intensiv geflogen worden sind. Wie engagiert die Erprobung angegangen worden ist, zeigt die relativ hohe Zahl an Modifikationen, die neben Änderungen an den Motoren und der Anordnung und Typ der Bewaffnung auch den Umbau der letzten drei Airacudas von Sporn- auf Bugradfahrwerk beinhalteten.
Bemerkenswerterweise wurde vom USAAC mit den gebauten Maschinen zwischen 1938 und 1940 eine eigene Airacuda-Staffel aufgestellt und betrieben. Die YFM-1 machte sich dort durch hohen Wartungs- und Reparaturbedarf schnell einen Namen als „hangar queen“. Zum Kampfeinsatz kam keine Airacuda, was wohl für alle Beteiligten als Glück zu bezeichnen ist. 1942 wurde die letzte Airacuda aus den Listen der USAAF gestrichen.
Das auffallende gute und schnittige Aussehen der Airacuda bestimmte ironischerweise auch ihre letzten Jahre: das US-Air Corps verteilte die wenigen Exemplare über Stützpunkte quer durch die Staaten. Dort sollten sie zum einen dem fliegenden Personal zu Flugstunden mit einem ungewöhnlichen Flugzeug verhelfen (dieses wurde mangels Interesse wenig genutzt) – und zum anderen schlicht als attraktive fliegende Fotohintergründe dienen (die große Zahl an zeitgenössischen Fotografien belegt die hohe Akzeptanz dieser Idee!). In dieser Rolle als Werbeträger trat auch die hier im Modell gezeigte YFM-1 auf: in den Kennungen der 27th Pursuit Squadron war sie auf der Weltausstellung von 1940 in New York zu sehen.
Zu Bausatz und Bauprozess
Diese Airacuda ist nicht mein erstes Modellprojekt aus der breiten und hochinteressanten Palette, die Valom anbietet, aber sicher das mit Abstand Schwierigste.
Eine erste Schwierigkeit wird gleich beim Einarbeiten klar: die Grafiken und auch das Layout der Bauanleitung lassen Manches unklar oder gehen auf Entscheidendes erst gar nicht ein. Als Beispiel möchte ich hier die Anordnung und Ausrichtung der Madsen M4 Kanonen nennen oder auch die Anbringung und das Aussehen des Instrumentenbretts und anderer Cockpit-„Innereien“.
Hier empfehle ich genaues Vorbildstudium bei gleichzeitiger entspannter Improvisierfreude. So gut wie alle gezeigten Details im Cockpit gehen auf Ätzteile und Detailformen aus meiner Restekiste zurück.
Gleich bei Durchsicht der Teile fallen die eher grobe Machart und die mangelhafte Durchbildung von Details auf. Dies bezieht sich vor allem auf Detailformen bei Cockpit oder Fahrwerk, aber nicht auf die stimmige Durchbildung der Außenhaut. Diese ist mit versenkten Strukturen und feinen Nietenreihen toll strukturiert.
Zur Beschreibung der Passgenauigkeit kann man, etwas überspitzt, nur eines sagen: sie ist nicht vorhanden. Wirklich brutal wurde das bei der Montage der Gondeln an den Tragflächen. Hier habe ich schlussendlich nur mehr „auf Luft gebaut“: alles ungefähr richtig Ausgerichtete wurde mit Cyanacrylat vergossen, um dann in einem eher bildhauerischen Akt aus dem Material heraus gearbeitet zu werden. Aufregend war, dass bei dieser Arbeit an den Gondeln und der vorderen Rumpfsektion auf die vielen Klarsichtteile geachtet werden muss. Leider muss auch beklagt werden, dass die angesprochenen großflächigen Klarsichtteile nicht auf die Plastikteile passen; viel zu groß geraten, müssen sie mühsam gekittet, verschliffen und angepasst werden.
Einige Teile wurden ersetzt oder hinzugefügt: beispielsweise wurden die Läufe der beiden M4 aus passenden Messingrohren gefertigt, die Pitotrohre, Teile des Fahrwerks sowie der Antennenmast entstanden ebenfalls aus Metallteilen.
Eine Hinzufügung waren auch die Passstifte, die ich aus Gründen der Stabilität in die Klebestellen zwischen Rumpf und Trag- sowie Leitwerksflächen eingepasst habe. Der Bauplan sieht hier ein bloßes stumpfes Verkleben der Teile vor, was ich angesichts der wirkenden Hebelkräfte nicht riskieren wollte.
Zu den Decals: nachdem mir die Rumpf-Banderole schon beim Aufbringen zerbrochen ist, wurden, wo es nur ging, die Bausatzdecals durch solche aus dem Fundus ersetzt.
Als Fazit darf ich sagen: der Bau der YFM-1 Airacuda hat für mich zwar, wie angedeutet, beträchtlichen Aufwand bedeutet, aber er hinterlässt auch die schöne Belohnung, ein nicht alltägliches Modell eines in meinen Augen sehr schönen Flugzeuges in die Vitrine stellen zu können. Zudem gilt ja auch: mit der Bewältigung eines schwierigen Modells stellt man auch immer einen Zuwachs an Erfahrung und an Fertigkeiten in die Vitrine; auch daran kann man sich lange erfreuen!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer