Kolibri
Modell: Flettner Fl 282B V23 Kolibri
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/35
Verwendeter Bausatz: MiniArt (41004)
Den Beitrag zur Vorstellung der Fl 282 möchte ich mit einem persönlichen Gedanken beginnen: mein Zugang zum Flugzeugmodellbau speist sich, wie vermutlich bei den meisten von uns, aus mehreren Quellen. Eine davon ist die Faszination der Technikgeschichte, die mich mit bemerkenswerter Verlässlichkeit in Erstaunen versetzen kann. Ich kann mich gut erinnern, dass in früheren Jahren die eine oder andere Erkenntnis, auf welch wunderbar einfallsreichen und sinnreichen Wegen Dinge zum Fliegen gebracht werden konnten, den Wunsch aufkeimen ließ, dieses Stück Flugtechnikgeschichte im Modell bauen zu können. Nur: damals gab es derart Exotisches als Bausatz nicht. Nun, die Zeiten scheinen sich geändert zu haben!
In den glücklichen heutigen Tagen wird auch überraschend exotisches Flugmaterial als Modell angeboten. Ist es nicht erstaunlich, welch seltene Vögel in gut gemachten Bausätzen auf die Verwirklichung warten? So kann mancher Bausatz selbst Neues über die Technikgeschichte erzählen und faszinierende Einblicke in Aspekte bieten, die mir nicht bekannt waren – und damit bin ich wieder bei der Flettner Fl 282 Kolibri und dem Bausatz von MiniArt!
Zum Vorbild: Flettner Fl 282B „Kolibri“
Ein Thema muss bei jede Drehflügler beachtet werden: der angetrieben rotierende Rotor erzeugt ein Drehmoment, dem gegengesteuert werden muss. Bekanntlich gibt es auf diese Anforderung mehrere Antworten: drehmomentneutralisierende Propeller im rechten Winkel gegenüber der Rotor-Drehebene oder entsprechende Jetauslässe an Rumpfauslegern, zwei gegenläufige Rotoren in Tandemanordnung oder übereinander und eben, mir bis zu der Begegnung mit diesem Bausatz nicht präsent, „ineinander kämmende“ Rotoren nach dem Patent Anton Flettners!
Bei diesem Prinzip liegen die beiden Rotorköpfe dicht nebeneinander, wobei deren Achsen in einem kleinen Winkel zueinander verschoben sind. Mit gleicher Geschwindigkeit, sowie gegenläufig drehend ergibt sich ein Antrieb, der elegant die Herausforderung des Drehmomentausgleichs löst und, kein unwesentlicher Bonus, sicherlich einen spektakulären Anblick bietet.
Der Mann hinter diesem Konzept war Anton Flettner, ein Name, der in der Fliegerei, speziell im Bereich der Drehflügler, bis heute einen guten Klang besitzt. Das kommt auch nicht von ungefähr: Flettner muss ein unglaublich innovativer und umtriebiger Mensch gewesen sein, der in zahlreichen Bereichen erfolgreich Patente anmelden konnte. Bis heute bekannt und unverzichtbar ist etwa das Flettner-Ruder, ein Patent aus dem Jahr 1918. Flettners Interesse umfasste aber auch Fragen der Steuerung von Torpedos, der Lüftung geschlossener Räume ohne eigenen Antrieb („Flettner Lüfter“), der Fortbewegung von Schiffen mittels Windkraft durch rotierender Metallzylinder, sogenannter Rotorschiffe – oder eben sein großer Beitrag zur Entwicklung der Hubschrauber.
Durch innovative Ingenieure wie Flettner war Deutschland im Bereich der Hubschrauberentwicklung in den Dreißiger und Vierzigerjahren ungeschlagen in Führung. Das zeigt sich auch an der Einsatzgeschichte der Fl 282, dem ersten in Serie gefertigten und im Einsatz stehenden Hubschrauber der Welt. Schon 1939 begannen die Arbeiten an der Fl 282, dabei konnte Flettner auf eine jahrelange Erfahrung mit zwei konstruktiv ähnlichen Vorläufern zurückgreifen. Sowohl die 1936 entwickelte Fl 165, als auch die ab 1938 fliegende Fl 265 wiesen die ineinander kämmende Rotorkonstruktion auf, für das Anton Flettner übrigens am 13. Februar 1938 das Patent zuerkannt worden war.
Den schönen Namen „Kolibri“ bekam die Fl 282 aufgrund ihres ungewöhnlichen Erscheinungsbildes bei sich drehenden Rotoren. Anscheinend erinnerte es vom Bug oder Heck aus gesehen an den schwirrenden Flug des kleinen tropischen Vogels. Der Zweck, auf den hin die Fl 282 Kolibri entworfen worden war, war von Anfang an ein militärischer. Speziell die Marine hatte an dem neuen Fluggerät Interesse als Aufklärungsplattform und zur U-Bootabwehr. Die Erprobungsstelle Travemünde führte mit den verschiedenen Prototypen dementsprechende Versuche aus, die von Anfang an ermutigende Ergebnisse zeitigten.
Dementsprechend überrascht es nicht, dass es auch eine Marineeinheit war, die die Fl 282 tatsächlich in den Einsatz gebracht hat. Schon im April 1940 war ein Bedarf von 40 Fl 282 als Bordflugzeuge gemeldet worden, weitere 50 Hubschrauber sollten zur U-Boot Bekämpfung in Dienst gestellt werden. Diese Pläne umfassten interessanterweise auch eine Modifikation, welche den Hubschrauber unter der Bezeichnung Fl 282U für den Einsatz von großen U-Booten aus tauglich machen sollte. Im November 1942 startet man die Einsatzerprobung unter Frontbedingungen, dazu verlegte man einige Fl 282 auf das im Mittelmeer stationierte Minenschiff „Drache“.
Schon etwas früher, im Oktober 1942, war die Bordfliegerstaffel 3./196 aufgestellt worden, die ebenfalls der Erprobung von Drehflüglern unter Einsatzbedingungen diente. Erste Versuche mit der Seenotrettung loteten das zukünftige Potential der Hubschrauber-Fliegerei aus: aus einem Schlauchboot wurde ein Mann „gerettet“ und an Land abgesetzt. Der Kriegsverlauf schränkte den weiteren Ausbau der Marine-Hubschrauberflotte jedoch bald ein. Schlussendlich wurde im Februar 1944 die Fertigung der Fl 282 nach gut 20 Exemplaren eingestellt, da die Ressourcen nun für die Produktion von Jagdflugzeugen reserviert waren. Die Bordfliegerstaffel 3./196 musste im Sommer desselben Jahres aufgelöst werden.
Das Interesse an dem neuen Hubschrauber war allerdings nicht allein auf die Marine beschränkt. Schon zu Jahresbeginn 1943 bekundete das Heer großes Interesse an dem Muster. Ein Beschaffungsvorhaben von über 1.000 Stück der Fl 282 wurde formuliert, konkret war für April 1943 die Lieferung einer ersten Tranche von 150 Exemplaren vorgesehen. Ähnlich wie bei den Entwicklungsaufgaben für die Marine wurde aber auch hier die konkrete Umsetzung dieser Pläne durch die eifersüchtig bewachte Dominanz der Luftwaffe über sämtliches Fluggerät behindert. Angesichts verknappender Ressourcen und einer immer angestrengteren Kriegslage sollte auch die Auslieferung des neuen Hubschraubers an das Heer schlussendlich nicht umgesetzt werden.
Ein interessantes Nachleben hatte Flettners formidabler Hubschrauber nach Kriegsende: zwei intakte Fl 282 wurden noch in Deutschland von den Amerikanern erprobt, später in die Staaten gebracht und weiter intensiv geflogen. Flettner verschränktes Kammrotorsystem blieb nicht ohne Folgen, die 1945 gegründete „Kaman Aircraft Corporation“ nahm das Prinzip für eigene Hubschrauberentwicklung auf, was zu einer Reihe erfolgreicher Konstruktionen führen sollte. Wer etwa eine „Kaman K-Max“ im Flug erlebt kann sich heute noch einen guten Eindruck von Flettners eindrucksvollem Kammrotorsystem machen.
Anton Flettner selbst ging zwar 1947 in die USA, arbeitete aber nicht bei Kaman, sondern gründete mit der „Flettner Aircraft Corporation“ in Kew Gardens/New York eine eigene Firma. Flettner war mit diesem Unternehmen als technischer Berater in Folge ein gesuchter Mann, nicht nur bei Kaman, sondern auch bei US-Navy und Air Force.
Mein Modell zeigt mit der Fl 282B V23 eine der beiden Vorserienmaschinen, die von den Amerikanern übernommen und ab Sommer 1945 noch in Deutschland und dann in den USA ausgiebig erprobt worden waren. Die V23 ist eine jener wenigen Fl 282, die für die Mitnahme eines zweiten Besatzungsmitglieds modifiziert worden sind. Dieses saß unmittelbar hinter den Rotorköpfen in einem Ausschnitt der Rumpfverkleidung, der Kopf ragte dabei knapp unterhalb der drehenden Rotoren über die Kontur des Rumpfes hinaus. Sicherlich ein spektakulärer Arbeitsplatz!
Zum Bausatz
Die Fl 282 war der erste Bausatz von MiniArt, den ich erproben konnte. Wie ich von berufener Seite schon gehört hatte, neigen die Bausätze dieses Herstellers dazu, im Aufbau fragil und komplex auszufallen. Selbst ein Panzermodell, eigentlich eine solide Angelegenheit, könne bei MiniArt zu einer wackeligen und im Aufbau wenig stabilen Konstruktion geraten.
Nach den Erfahrungen mit der Fl 282 will ich das gerne glauben! Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass hier sehr viel Gitterwerk, freiliegende Steuerstangen und allerlei fragiles Hebelwerk verklebt werden müssen, allerdings wurden die Dinge durch eine eher mittelmäßige Passgenauigkeit nicht gerade leichter gemacht.
Positiv ist mir der hohe Anspruch an die Darstellung des Innenlebens aufgefallen. Hier scheint auf nichts verzichtet worden zu sein. In mehreren Bauschritten wird der Modellbauer angeleitet, zerbrechliches Detail an zerbrechliches Detail zu fügen, zum Schluss zeigt sich dann, dass dieser Aufwand durchaus gelohnt hat! Der Anblick der unverkleideten „inneren Werte“ der Fl 282 macht sich schon gut!
Nachdem die Proportionen der „Kolibris“ einen „tailsitter“ unvermeidlich zu machen schienen, hatte ich mich beinahe schon mit einem Endresultat abgefunden, dass sich auf dem Hinterteil abstützen würde. Es war also mehr Trotz als ein wirklicher Plan, dass ich die einzigen Bauteile dieser offenen, leichten Konstruktion, die mit Gewicht auszustatten wären, auch wirklich beschwert habe: dieses sind in Form der beiden am Vorderrumpf außen montierten Tanks zu finden. Ich habe also die beiden Halbschalen, aus denen diese Formen entstehen, mit der Bleipaste von „Greenstuff“ gefüllt – und siehe da: es hat gerade so gereicht, die „Kolibri“ auf dem Bugrad zu halten. Ich kann also dem Interessierten nur raten, die Hoffnung nicht zu bald aufzugeben – es kann sich ausgehen!
Ein Manko dieses Bausatzes ist, dass bei vielen Detailformen die Passgenauigkeit etwas zu kurz kommt. Nicht nur der Guss, sondern auch die Ausgestaltung mancher Teile scheinen mir etwas lieblos geraten zu sein, manche Form wirkt auch ein wenig „verwaschen“. Besonders eklatant macht sich das bei den gegen Ende anzubringenden Verkleidungen von Flugzeugführersitz und Motorraum bemerkbar. Hier musste schon vorher gemessen und angepasst werden, nach dem Verkleben dieser Teile war dann Spachteln, Schleifen und Gravieren angesagt.
Das alles soll aber niemanden abhalten, dieses interessante und durchaus auch baubare Modell anzugehen! Man sollte sich allerdings etwas Zeit und Nervenkraft für die Behandlung der genannten Eigenheiten reservieren haben.
Als Fazit: die Fl 282 „Kolibri“ war eines jener Projekte, die ich als unglaublich lehrreich empfunden habe. Dies betrifft nicht nur den Zugewinn an Modellbauerfahrung, sondern, um mit dem eingangs angesprochenen Gedanken zu enden, auch die hochinteressanten neuen Einblicke in die Flugtechnikgeschichte!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer
Ein sehr schönes Modell und wunderschöne Fotos! Dank auch für den ansprechenden Artikel, dieses Technik-Kleinod war mir noch nicht bekannt! LG Christian