Alles Kaputt
Modell: Junkers Ju 290A-7
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/72
Verwendeter Bausatz: Revell (04285)
Zum Original: Junkers Ju 290 A-7 „Alles Kaputt“
Die Geschichte, welche die hier gezeigte Junkers Ju 290A-7 erzählen kann, hat zweifellos das Prädikat „höchst ungewöhnlich“ verdient. Schon ein erster Blick findet ein paar interessante Irritationen: so deuten die „Stars and Bars“ der US-Streitkräfte auf Rumpf und Flächen wohl auf eine von den Alliierten übernommene Beutemaschine hin. Die rätselhafte Aufschrift „Alles Kaputt“ wird dann allerdings schon etwas schwieriger zu erklären sein. Spannend ist auch die Auflistung der Namen der amerikanischen Flugzeugbesatzung, die eine nähere Betrachtung an der linken Rumpfflanke auf Höhe der Propeller offenbart. Tatsächlich sind das alles Hinweise auf eine Begebenheit, die dieser großen Junkersmaschine im Juli 1945 zu kurzzeitiger Bekanntheit sowie der anhaltenden Ehre, einen Weltrekord erflogen zu haben, verholfen hat.
Dabei ist der Flugzeugtyp an sich schon ein „seltener Vogel“: als einer der wenigen viermotorigen Großflugzeuge, welcher der deutschen Luftwaffe in den Kriegsjahren zur Verfügung gestanden hat, wurde die Ju 290 als Transporter, vor allem aber als See-Fernaufklärer eingesetzt. Eine wahrhaft beeindruckende Reichweite von an die 6.000 Kilometer prädestinierte die Ju 290 für diese Aufgabe. Unter diesem Vorzeichen sind auch die Pläne für regelmäßige Flüge in die Mandschurei, also in das Hoheitsgebiet des Achsenpartners Japan, zu sehen. Die Ju 290 war auch als „Amerikabomber“ im Gespräch, denn der leistungsstarke Flugzeugriese hatte das Potential, die US-Ostküste zu erreichen.
In der Realität blieben alle Überlegungen zum Direktflug nach Fernostasien Makulatur – und ob die US-Ostküste je wirklich durch die deutsche Luftwaffe angeflogen worden war, gilt als zumindest unwahrscheinlich und bleibt nach aktueller Quellenlage unklar. Vollkommen klar ist jedoch, dass eine Ju 290 tatsächlich erfolgreich den Atlantik überquert hat: am 28. Juli 1945 wurde die hier vorgestellte W.Nr. 0165 mit dem Stammkennzeichen PI+PS, vom französischen Orly zur Basis Wright Field in Ohio überführt.
Wie viele der gut fünfzig produzierten Exemplare war auch diese Ju 290A-7 ursprünglich bei der 5. FAGr für weitreichende Aufklärungsflüge über dem Atlantik eingesetzt worden. Ab Ende 1944 wurde die Maschine mit dem Verbandskennzeichen A3+HB vom geheimnisvollen KG 200 genutzt – auch das übrigens nicht untypisch für die Einsatzgeschichte der Ju 290. Stationierungsort der 1./KG 200 war bei Kriegsende das böhmische Königgrätz.
Als am 8. Mai die Ju 290 A3+HB durch Staffelkapitän Hauptmann Heinz Braun nach München geflogen und den Amerikanern übergeben wurde, war die Maschine mit Wehrmachtspersonal überfüllt, darunter dutzenden Luftwaffenhelferinnen. Den riskanten Flug hatte man unternommen, um sich nicht den Sowjets ergeben zu müssen, für Hauptmann Braun sollte sich die Begegnung mit den Amerikanern aber noch in einer unerwarteten Weise vertiefen!
Colonel Harold E. Watson, „Director of Maintenance“ der ATI (Air Technical Intelligence) wählte Brauns Ju 290 als eine jener deutschen Muster aus, die in die USA gebracht und am Hauptquartier der ATI in Wright Field/Ohio ausgewertet werden sollten. Es mag überraschend erscheinen, unter den gesuchten High-Tech Flugzeugen wie Me 262 oder He 162 eine zwar leistungsfähige aber doch recht konventionell ausgelegte Maschine wie die Ju 290 zu finden. Dennoch: die ATI betrieb einen erheblichen Aufwand, um die eindrucksvolle Maschine in die USA zu bringen. Hauptmann Heinz Braun wurde von Oberst Watson verpflichtet, die Einweisung einer amerikanischen Besatzung zu übernehmen. Als sich im Zuge der Einschulungsflüge zwei der BMW 801 Motoren als unzuverlässig erwiesen und ausgetauscht werden mussten, wurde durch Braun ehemaliges Bodenpersonal direkt aus den Internierungslagern heraus für diese Aufgabe angeworben.
Bei all diesen Verzögerungen war es schließlich Ende Juli soweit: von München brach eine gemischte US/deutsche Crew mit Watson und Braun über Roth/Nürnberg und Belgien Richtung Orly in Frankreich auf. Am Ziel angekommen, streikte ein weiterer Motor, was neuerlich eine aufwendige und langwierige Beschaffung eines Ersatztriebwerks sowie dessen Montage notwendig machte. Schlussendlich war aber alles vorbereitet: am 28. Juli stand die Maschine mit laufenden Motoren auf der Startbahn von Orly, fertig für den großen Sprung. Im Cockpit steuerte Colonel Watson die schwer beladene Maschine, als sein Co fungierte Captain Fred McIntosh. Hauptmann Braun befand sich nicht an Bord, er und die restliche deutsche Besatzung verblieben in Europa.
Die Route der Atlantiküberquerung führte von Orly über die Azoren, wo nach 9 Stunden und zehn Minuten Flugzeit ein eintägiger Zwischenstopp eingelegt wurde. Für den zweiten Teil des Fluges, der über die Bermudas direkt nach Ohio zur Wright Field führte, wurden weitere 6 Stunden und dreißig Minuten ins Bordbuch eingetragen. Gesamt errechnete man eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 300 km/h, Colonel Watson und seiner Crew war damit ein neuer Rekord für Atlantiküberquerungen gelungen!
In den Vereinigten Staaten wurden die Ju 290 „Alles Kaputt“ zu einem Fixpunkt der Ausstellungen und Flugvorführungen von Beuteflugzeugen am Freeman Field und Wright Field. Erstaunlich sind die erhaltenen qualitätvollen Farbaufnahmen, welche die riesenhafte „Alles Kaputt” unter den anderen Beute-Exponaten bei der Ausstellung im Oktober 1945 auf der Wright Patterson AF Base, Dayton, Ohio, zeigen. Sie haben mir wesentliche – und ungewohnt farbige! – Hinweise bei der Rekonstruktion dieses Flugzeuges gegeben. Das Original konnte sich dieser geballten Aufmerksamkeit jedoch nicht allzulange erfreuen: schon im Dezember 1946 fiel die Ju 290 „Alles Kaputt“ dem Schneidbrenner zum Opfer.
Das Aussehen der Ju 290/W.Nr. 0165 ist ab seiner Übernahme durch die ATI fotografisch recht gut belegt. Sichtbar wird, dass die Maschine mehrmals ihre Markierungen verändert hat. So flog die „Alles Kaputt“ nach dem Mai 45 noch einige Zeit mit den originalen deutschen Markierungen, die erst vor dem Rekordflug nach Amerika vollständig gegen amerikanische Hoheitsabzeichen getauscht wurden. In den Staaten dagegen wurden nachempfundene deutsche Markierungen wieder angebracht, wohl um dem US-Publikum den Anschein von Originalität zu bieten. Der Schriftzug „Alles Kaputt“ dagegen kam schon bald in Europa auf den Rumpf. Wer dieses Motto erdacht hatte und welche Motivation diesem assoziativen Spruch zugrunde liegt, wird, wie es scheint, leider unbekannt bleiben. Interessant ist auch der sehr abgeflogen wirkende Gesamteindruck der Maschine. Speziell die Motorgondeln zeigen starke Verschmutzungen und abgeschmirgelten Lack – eine schöne und herausfordernde Vorgabe für den Modellbauer!
Zum Bausatz und Bauprozess
Die Ju 290 „Alles Kaputt“ entstand als knapp jüngerer Teil eines parallel gebauten Doppel-Projekts. Nachdem ich zwei dieser bemerkenswerten Bausätze von Revell auf Lager hatte, wollte ich die eine traditionell auf eigenen Rädern stehend zeigen, während die andere „im Flug“ zu sehen sein sollte. Zum Bauprozess und dem diesen zugrunde liegenden Bausatz möchte ich nur knapp bemerken, dass er mit zum Besten zählt, was ich bisher von diesem Hersteller in Händen halten konnte. Worauf sich dieses positive Urteil begründet, finden Interessierte im Baubericht zum ersten Modell der Junkers Ju 290A-7 , auf den ich hiermit freundlich verweise.
Während des Baues habe ich längere Zeit die Idee verfolgt, das fertig gestellte Modell über einer (möglichst „atlantisch“ wirkenden) Wasserfläche zu zeigen. Gegen Ende des Projekts hat sich allerdings eine Idee verfestigt, die sich angesichts der verfügbaren Zeitungsberichte über den Atlantikflug der „Alles Kaputt“ eingestellt hat: das Flugzeug könnte ja auch über einer Collage von Zeitungs- und Bilddokumenten schweben! Besonders gefiel mir da die Sonntagsausgabe des „The Sedelia Democrat“ vom 21. Oktober 1945, wo in einem ausführlichen Bericht über das Geschehen rund um die Ankunft des viermotorigen Riesen berichtet wurde.
Eine derartige Darstellung würde zum einen ein wenig zeitgenössischen Kolorit in die Präsentation bringen – und zum anderen skeptischen Betrachtern, die das höchst ungewöhnliche Aussehen dieses Flugzeuges nicht glauben können, einen schönen Beweis bieten: ja, die Ju 290 „Alles Kaputt“ hat es wirklich gegeben!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer