Rennflugzeug Bugatti 100P
Modell: Bugatti 100P
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Special Hobby (SH48219)
Viele Artikel von Flugzeugmodellen beginnen mit der Feststellung, dass das Vorbild des vorgestellten Exemplars besonderer einzigartig sei. So angebracht das auch sein mag, so wird mit der hier gezeigten Bugatti 100P doch noch einmal eine ganz eigene Kategorie von Einzigartigkeit eröffnet!
So ist sie etwa das einzige Flugzeug, das Ettore Bugatti, legendärer Konstrukteur von schnellen Autos, in Auftrag gegeben hat. In den Zwanziger- und Dreißigerjahren haftete dem Fliegen wie dem Autofahren noch der Nimbus des Exklusiven, Teuren und auch des Gefährlichen an. Der Rausch der Geschwindigkeit, der Hang nach Rekorden und die Faszination des Wettbewerbs beflügelten die Aktivitäten von Konstrukteuren wie der von wagemutigen Piloten, die sich dem riskanten Spiel des Auslotens immer neuer Grenzen verschrieben hatten. So weit waren also die Grenzen des Fliegens und des Autofahrens noch gar nicht voneinander entfernt.
Für beide Sparten waren die Zwanziger- und Dreißigerjahre die Zeit der großen Wettbewerbe und Rennkämpfe. Dieses noch friedliche Ringen trieb nicht nur die Entwicklung von Motoren und Fahrzeugen voran, sondern bot auch die Bühne für die großen Namen der beteiligten Rennfahrer- und Flieger, zum Teil recht eigenwilliger Persönlichkeiten. Im Laufe der Dreißigerjahre wurden die Wettbewerbe immer mehr zu einem Schaukampf der Nationen. Mit der Katastrophe vom Herbst 1939 gewann der Krieg die gänzliche Hoheit über die technische Fortentwicklung und den Wettlauf nach Höchstleistungen; Umstände, die auch die Reihen der ehemaligen Rennpiloten grausam lichten würden.
Vor diesem Hintergrund nahm die Entwicklung der Bugatti 100 ihren Lauf. Für die Teilnahme am „Coupe Deutsch de la Meurthe“ des Jahres 1938 wurde zwei Jahre davor, im Frühjahr 1936, mit der Konzeption eines Rennflugzeuges begonnen, das mit seinen einzigartigen Leistungen ein überragender Sieger gewesen wäre. Ettore Bugatti übergab dabei die Führung an den Belgier Louis de Monge, einem bewährten Flugzeugkonstrukteur und Ingenieur. Ihm traute Bugatti offenbar zu, seine radikalen Ideen umsetzen zu können – und die hatten es wahrhaft in sich!
Die neue Konstruktion sollte unerhörte Leistungen bieten: mit einer Spannweite von 8,2 m und einer Länge von 7,7 m würde der „Typ 100P“ von zwei hintereinander montierten und 450 PS leistenden Bugatti P50 Reihenmotoren angetrieben werden. Am Flugzeug zeigt sich diese eigenwillige Motorenanordnung durch die versetzt angeordneten Auspuffanlagen an der rechten und linken Rumpfseite. Ein weiterer Hinweis auf die zwei Motoren sind die beiden gegenläufigen Luftschrauben: sie werden je von einem Bugatti P50 angetrieben. Im Verbund mit einem kompromisslos schlanken Rumpf und der in dessen Kontur eingeblendeten Kabinenverglasung sollte mit diesem Antrieb eine Geschwindigkeit von über 800 km/h erreicht werden.
Auf Bugatti selbst gehen Eigenheiten zurück, die das Aussehen des schnellen Rennflugzeugs bestimmen: sowohl auf die Y-förmige Leitwerksauslegung wie auch eine spezielle Verbundbauweise, die zur Verwirklichung der organisch wirkenden Formen der Bugatti 100P zum Einsatz gekommen ist, gehen auf Patente Ettore Bugattis zurück.
Die Arbeiten an der ehrgeizigen Konstruktion konnten bis zur beabsichtigten Teilnahme am „Coupe Deutsch de la Meurthe“ von 1938 nicht rechtzeitig abgeschlossen werden, selbst noch bei Ausbruch des Krieges waren die in Frankreich stattfindenden Arbeiten an der Bugatti 100 nicht beendet. Zeitgenössische Bilder zeigen den rasanten Entwurf weitgehend fertig gestellt, die Oberflächen blieben aber unlackiert und lassen die Holzwerkstoffe, aus denen das Rennflugzeug vorwiegend gefertigt worden war, gut erkennen.
Zu Beginn des Krieges wurden das in Paris befindliche Flugzeug wie auch dessen Konstruktionsunterlagen versteckt, um sie nicht den Deutschen in die Hände fallen zu lassen. Tatsächlich konnte die Bugatti 100 über die Kriegsjahre erfolgreich vor dem deutschen Zugriff bewahrt werden. Wie weit Bugattis Pläne, aus dem Rennflugzeug ein Jagdflugzeug zu entwickeln, zu dieser Zeit schon gediehen waren, ist schwer zu sagen. 1939 war die französische Regierung jedenfalls nachweislich an Bugatti herangetreten, um aus dem rekordbrechenden Flugzeug ein militärisch nutzbares Fluggerät entwickeln zu lassen.
Das Original der einzigen gebauten Maschine ist erstaunlicherweise bis heute erhalten: im Museum der EAA, der Experimental Aircraft Association in Oskosh/Wisconsin, kann das Original der einzigartigen Bugatti 100P bewundert werden.
Bugattis Rennflugzeug begeistert und bewegt bis heute. Ein in den USA von einer privaten Gruppe Enthusiasten fertiggestellter Nachbau der Bugatti 100P hob 2015 zu einem ersten kurzen Flug ab. Schon bei seinem dritten Start stürzte die Maschine jedoch tragischerweise aus geringer Höhe ab und geriet nach dem Aufschlag in Vollbrand. Der Pilot und Projektinitiator Scotty Wilson kam bei dem dramatischen Unfall zu Tode.
Zu Bausatz und Bauprozess
Special Hobby hat dankenswerterweise 2022 einen gut ausgestatteten Bausatz dieses rasant-eleganten Flugzeuges auf den Weg gebracht. Angesichts des ausgesprochenen „short run“ Charakters der Teile muss aber etwas Zeit für Versäuberungen, Passproben und Spachtelarbeiten eingerechnet werden. Ansonsten besticht der Bausatz mit einer fast perfekten Passgenauigkeit. Besonders angenehm ist das etwa beim Einbau der großen Kanzelverglasung: der von anderen Bausätzen bekannte Größenunterschied zwischen einem großen Klarsichtbauteil und den entsprechenden Partien aus Polysterol kommt hier nicht vor! Vertrauensvoll kann mit dem Anbringen der Kanzel bis ganz zum Bauschluss gewartet werden – jedes Schleifen oder Anpassen entfällt hier, der Sitz ist perfekt.
Gespachtelt werden muss allerdings am Übergang der Tragflächen zum Rumpf, dieses fällt durchaus heftig aus und bedingt mehrere Durchgänge. Die Partie muss umso sorgsamer gestaltet werden, als das Vorbild hier einen vollkommen kontinuierlichen Übergang zeigt. Sehr gut hat sich auch das dünner Schleifen der Flächenhinterkanten gemacht. Dies habe ich sowohl an den Flügeln wie auch an den drei Leitwerksflächen durchgeführt.
In manchen Details bleiben die Formen etwas zu allgemein. So wurde das Cockpitinnere nachdetailiert, hierbei ist vor allem die Verkabelung der Instrumente wesentlich. Das Instrumentenbrett steht frei, dessen Hinterseite ist also gut einsehbar. Ebenso wurden am Fahrwerk Bremskabeln eingezogen und ein Pitot-Rohr aus Nadelkanülen hinzugefügt.
In der Ausführung dieser Teile habe ich mich vom Aussehen des Nachbaus inspirieren lassen, auch wenn mein Modell die Originalmaschine aus dem Jahr 1938 zeigen soll. Das Modell ist in dieser Hinsicht also ein wenig eine „what if“ Darstellung.
Mein Lob geht abschließend an Special Hobby für ihre hochintessante aber wohl auch mutige Auswahl der Vorbilder. An dieser Stelle also ein anerkennendes und vorfreudiges „Weiter so!“
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer