Caudron Simoun F-ANXA
Crash in Japans Bergen
Modell: Caudron C.632 Simoun
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Dora Wings (DW48040)
Beschäftigt man sich mit der Fliegerei der 20er und 30er Jahre, stößt man bald auf einen Umstand, der charakteristisch für diese Zeit gewesen sein dürfte: das stete Ringen um mehr Leistung, Prestige und, schlussendlich, Verkaufszahlen materialisierte sich in einer wahren Begeisterung für Langstrecken- und Rennwettbewerbe! Die Anforderungen dieser Bewerbe forderten mitunter wahre Pioniertaten. Dem entsprach, dass die in dieser Zeit entwickelten leistungsfähigen Flugzeuge nunmehr tatsächlich das Potential zu haben schienen, globale Distanzen schrumpfen und die Welt mehr und mehr klein werden zu lassen. Die Weise, wie sich die Entwicklungen vollzogen, muss auf die Zeitgenossen aufregend und dramatisch gewirkt haben.
Entfernungen, für deren Überwindung bis dahin Wochen oder gar Monate zu kalkulieren waren, konnten plötzlich in einer berechenbaren Anzahl von Stunden oder wenigen Tagen zurückgelegt werden. Das Meere, Wüsten und Gebirge überwindende Flugzeug versprach eine Revolution des Reisens mit all ihren Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Militär. Die Möglichkeiten des technischen Fortschritts schienen dabei ebenso grenzenlos zu sein, wie der optimistische Wagemut, mit dem man bislang kaum für möglich gehaltene Ziele zu erreichen versuchte.
Das vielfältige Flugzeugmaterial, dass zu diesen Wettbewerben und Rennereignissen gemeldet wurde, lässt sich bezeichnenderweise in zwei Gruppen teilen. Zum einen wurden speziell konstruierte Maschinen geschaffen, deren gesamtes Profil einzig auf das Rennengeschehen zugeschnitten war. Zu diesen technisch hochgezüchteten Entwürfen gehören etwa die Gee Bee R, die Supermarine S.6, oder, mit Einschränkung, die de Havilland DH.88 Comet. Zu einer zweiten Gruppe zählen alle jene Flugzeuge, die auf nicht oder kaum modifizierte Exemplare von in Serie gebauten Sport-, Reise- oder Passagiermaschinen zurückgehen. Hier finden sich ebenso klingende Namen wie Douglas DC-2, Lockheed Vega oder die Fokker VII. Diese Gruppe brillierte vor allem in jenen Bewerben, die zum erstmaligen Befliegen von oder zum Aufstellen neuer Bestmarken auf Langstreckenrouten aufforderten. In dieser Gruppe reiht sich auch mit einigen bemerkenswerten Pionierflügen die hier gezeigte Caudron C.632 Simoun würdig ein.
Zur Caudron C.630 Simoun
Anfang der Dreißigerjahre war der Entwurf als fortschrittliches Reise- und Sportflugzeug aus einem bestehenden Rennflugzeugentwurf von Caudrons Chefkonstrukteur Marcel Riffard abgeleitet und im Oktober 1934 zum ersten Mal geflogen worden. Die mit dem Prototyp C.620 erflogenen Leistungen positionierten den modernen Entwurf in eine Klasse mit der Bf 108 – und damit in das Spitzenfeld ihrer Zeit. Mehrere Varianten der Simoun getauften neuen Maschine folgten, wobei schlussendlich nur die Version C.635 mit einem 209 PS leistenden 6Q-09 oder 6Q-15 Bengali Sechszylinder in größerer Stückzahl gebaut werden sollte. Die Caudron Simoun flog mit der genannten Motorisierung über 300 km/h schnell. Eine Höchstgeschwindigkeit, zu der in ihrer Klasse nur noch die Bf 108 Taifun imstande war. Die maximale Reichweite betrug über 1.000 Kilometer, womit sich die Simoun schon ohne Modifikationen als Langstreckenmaschine anbot.
Tatsächlich wurden in den folgenden Jahren mit dem Typ einige Langstreckenflüge versucht. So hat etwa der fliegende Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry Geschichte geschrieben, als er 1935 mit seiner Caudron C.630 Simoun F-ANRY einen neuen Rekord für die Strecke Paris-Saigon versuchte – allerdings auf ungewollte Weise: es kam schon in der ägyptischen Wüste zu einer Bruchlandung, in deren Folge er und sein Mechaniker André Prévot erst nach tagelangem Umherirren von Beduinen gerettet und gesundgepflegt wurden. Literarischen Niederschlag fand dieses existenzielle Erlebnis in dem Erzählband Wind Sand und Sterne. Eine weitere Caudron Simoun sollte bei einem folgenden Langstreckenversuch de Saint-Exupérys ebenfalls eine Rolle spielen: im Februar 1938 verunglückte der Autor, als er und sein bewährter Mechaniker Prévot mit einer mit Treibstoff überladenen Simoun in Guatemala-Stadt zu starten versuchten. Schwer verletzt überlebten de Saint-Exupéry und sein Begleiter auch diesmal nur knapp.
Zum Modell: Caudron C.632 Simoun F-ANXA
Die hier gezeigte C.632 Simoun mit der Kennung F-ANXA hatte ebenfalls ein spannendes Schicksal. Die Maschine wurde für Rekordflüge von Frankreich nach Fernostasien verwendet. In der hier gezeigten Form, versehen mit den markanten Werbeaufschriften von Gody Radio, gelang der Besatzung Gaston Genin und André Robert vom 18. bis zum 21. Dezember 1935 der Flug von Paris nach Tananarive auf Madagaskar.
Bis zum Herbst des folgenden Jahres wurde F-ANXA zu einem Einsitzer umgebaut, um folgend im November 1936 zu einem weiteren Rekordflug aufzubrechen. Dieser sollte allerdings kein glückliches Ende nehmen. Ziel war, einen neue Bestzeit für den Flug nach Tokyo aufzustellen. Dem bekannten Pilot Andre Japy, leitender Testpilot bei Caudron, gelang mit der Maschine zwar ein neuer Rekord für die Distanz Paris – Hanoi (reine Flugzeit: 50 Stunden und 59 Minuten), er scheiterte allerdings zweimal bei dem Versuch, Tokyo zu erreichen. Bei einem ersten Versuch musste er wegen schlechten Wetters nach Hong Kong zurückkehren, der folgende zweite Anlauf geriet dann gänzlich zum Desaster. Über Kyushu verlor Japy in einem Unwetter die Orientierung und musste schließlich aus Treibstoffmangel inmitten des tobenden Sturms in den unwirtlichen Sefuri-Bergen eine Notlandung versuchen.
Über hundert Bewohner des nächstgelegenen Dorfes waren bei der Suche nach dem vermissten Japy beteiligt. Schließlich konnte die Absturzstelle in den unwirtlichen Bergen ausgemacht und der schwer verletzte Japy glücklich geborgen und ins Hospital des nahegelegenen Fukuoka gebracht werden, seine Simoun F-ANXA dagegen war beim Absturz vollkommen zerstört worden. Noch heute ist ein Gedenkstein an jener Stelle am Berg Sefuri zu finden, an Andre Japys Flug ein dramatisches Ende gefunden hatte.
Zu Modell und Bauprozess
Die Caudron Simoun gehört zu jenen Flugzeugen, von deren Bedeutung – und, ehrlich gesagt, auch von deren Existenz – ich erst durch einen Dora-Wings Bausatz erfahren habe. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die löbliche Bausatz-Philosophie dieses Herstellers!
Bei Dora Wings ist man eine üppige Ausstattung und hohe Qualität gewöhnt – und auch hier findet man eine gut bestückte Ätzteilplatine, Maskierfolien, einen exzellent gearbeiteten Decalbogen und -last but not least – Bausatzteile, die in gut umgesetzten Details nur so schwelgen. Der short run Charakter macht sich allerdings in deftigen Materialstärken, dicken Angüssen und zahlreichen Fischhäuten sowie Materialüberständen bemerkbar, die versäubert werden müssen.
Die Passgenauigkeit hat sich während des Bauens als durchgehend gut erwiesen. Gewisse Zeit und Energie für Passproben, Zurichten der Bauteile und Planen einzelner Bauschritte muss allerdings einkalkuliert werden, der Bau selbst bringt dagegen aber keine Probleme mit sich – bis auf eine Ausnahme: die Klarsichtteile der Kabinenfenster sitzen vollkommen Plan in den Rumpfhalbschalen, kein Überstand erleichtert das Einkleben. Ich habe daher die Klarsichtteile in die Öffnungen eingepasst und sie mit KlearFix umgossen, hoffend, dass sich eine ausreichende Klebewirkung einstellen würde. Es schien zu gelingen.
Mitten im Bauprozess habe ich allerdings versehentlich das vordere rechte Kanzelfenster nach innen gedrückt. Um es wieder nach außen zu bekommen, musste ich an der linken Bordwand ein Loch bohren. Durch dieses sollte ein Metallstab quer durch den Cockpit Innenraum geschoben werden, um damit das locker gewordene Fenster wieder nach außen in den Rahmen zu drücken. Zum Glück gelang diese heikle Operation wie geplant – und wiederum zum Glück war dies die einzige unangenehme Herausforderung dieses ansonsten sehr erfreulichen Bausatzes!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer