Schnell in Blau
Rennflugzeug Caudron C.561
Modell: Caudron C.561
Gebaut von: Werner Scheibling
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: S.B.S model (SBS4006)
Zubehör: Figur French Pilot WWII, The Bodi models (48009)
Nach einer erzwungenen Modellbau-Auszeit, die ich der Wiederherstellung meines Sehvermögens schuldete, freue ich mich sehr, wieder einmal ein Modell hier auf Kitchecker vorstellen zu können. Ich wollte mit einem Bausatz wiedereinsteigen, der erstens nicht übermäßig komplex erschien, zweitens in überschaubarer Zeitspanne zu einem befriedigenden Ergebnis führen konnte und drittens ein eher ausgefallenes historisches Flugzeug jenseits des Mainstreams zum Vorbild hatte.
Und so wurde ich bei der ungarischen Firma S.B.S Model fündig, die sich mit Leidenschaft der Konzeption und Herstellung erstklassiger Resin-Bausätze in 1/72 und 1/48 verschrieben hat. Bei der Auswahl zeigen die Ungarn ebenfalls Mut: Französische und italienische Renn-Flugzeuge aus den 30er-Jahren, aber auch solch zeitlos schöne Konstruktionen wie die Caudron C.600 Aiglon (ein zweisitziges leichtes Sport- und Reiseflugzeug, ebenfalls aus den 30ern).
Mir hatte es sofort der Renner Caudron C.561 in 1/48 angetan: Geduckt auf kurzen Fahrwerksbeinen stehend, mit langgezogenem, schlankem Rumpf und einer nahtlos in die Zelle eingestrakten Cockpitverglasung. Und dann auch noch in herrlichem Blau!
Das Original
Die Caudron C.561 war das letzte Modell in einer beachtlichen Reihe von Rennflugzeugen, die der französische Luftfahrtingenieur Marcel Riffard in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts für den Konzern Caudron-Renault entwarf. Aber auch die kommerziell sehr erfolgreichen Typen Simoun, Goéland und Aiglon entstammten seinem Reißbrett. Bevor Marcel Riffard 1932 bei Caudron als Technischer Direktor und Chefingenieur einstieg, hatte er sich seine Sporen bereits bei Louis Bréguet, Lioré et Olivier und Marcel Bloch verdient.
1933 schließlich kaufte der renn- und luftfahrtbegeisterte Louis Renault, Inhaber der gleichnamigen Automobilfirma, Caudron auf und gründete damit den Luftfahrtkonzern Caudron-Renault. Riffard blieb auch weiterhin Technischer Direktor. In Frankreich wird Marcel Riffard ob seines Könnens respektvoll ‚Vater der modernen Luftfahrt‘ genannt. Und als ob das noch nicht für ein respektables Lebenswerk ausreichte, entwarf Riffard auch aerodynamisch ausgeklügelte Karosserien für diverse sportliche Automobile von Panhard und Renault.
Der zweite wichtige Name, der für immer mit den Rennflugzeugen von Caudron-Renault verbunden sein wird, lautet Raymond Delmotte. Ein Jagdflieger-As des Ersten Weltkriegs, wurde Delmotte als Chef-Testpilot und Rennpilot bei Caudron-Renault engagiert. Er erflog mehrere Geschwindigkeitsrekorde für seinen neuen Arbeitgeber. Ganz besonders sei hier der FAI-Geschwindigkeitsweltrekord für Landflugzeuge erwähnt, den er am 25. Dezember 1934 mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 505,85 km/h auf einer Caudron C.460 ‚Rafale‘ erzielte.
Wohlgemerkt, ein ‚Maschinchen’ mit einem 6-Zylinder-Motor von gerade mal 325 PS (!)
Doch zurück zur C.561: Marcel Riffard legte alles daran, die aerodynamische Qualität seiner Rennflugzeug maximal zu steigern. So strakte er das Cockpit kompromisslos in die Zelle ein und mutete dem Piloten zu, lediglich links und rechts an der Rumpfnase vorbei durch einen schmalen Plexiglasausschnitt nach vorne blicken zu können.
Für die Motorisierung dieses Renners sorgte der neu konstruierte Renault 12 R-Motor. Im Prinzip koppelte Renault zwei bewährte 6-Zylinder-‚Bengali‘-Motoren mit neuer Kurbelwelle und neuem Kurbelgehäuse zu einem luftgekühlten Zwölfzylinder-V-Motor mit hängenden Zylindern zusammen.
Der Hubraum betrug nun ca. 19 Liter und die Leistung etwa 450 PS. Der Motor war ein sog. Linksläufer und gab seine Leistung an einen Zwei-Blatt-Ratier-Verstellpropeller ab. Es kam auch wieder ein Einziehfahrwerk von Messier zum Einsatz.
Man hoffte, dass Raymond Delmotte mit dieser vielversprechenden Maschine den prestigeträchtigen ‚Coupe Deutsch de la Meurthe‘ des Jahres 1936 gewinnen könnte, aber technische Probleme mit dem Zwölfzylindermotor verhinderten den Einsatz der Neukonstruktion bei diesem Hochgeschwindigkeitsrennen. Die Rennteilnahme wurde auf das Jahr 1937 verschoben, aber dieses Rennen fand nie mehr statt, da ein neuer militärischer Konflikt mit Deutschland bereits seine drohenden Schatten auf Frankreich warf während in Spanien ein blutiger Bürgerkrieg tobte.
Was Frankreich jetzt viel dringender brauchte, waren Kampfflugzeuge, und zwar so schnell wie möglich.
Das Modell
Zunächst heißt es, satte 60 Euro zu investieren. Was bietet S.B.S dafür? Eine überschaubare Anzahl perfekt gegossener Resin-Teile, weiterhin Fahrwerksbeine aus Bronzeguss, Fahrwerksabdeckungen und diverse andere Kleinteile auf Fotoätzplatine, perfekt passende Abdeckmasken aus gelbem Kamoi-Tape für die Cockpitverglasung und einen kleinen Decal-Bogen für die spärliche Beschriftung des Seitenleitwerks.
Die einteilige Kanzel ist aus glasklarem Resin gegossen, und zwar in einer Qualität, die ihresgleichen sucht. Überhaupt sind sämtliche Resin-Teile ohne Makel – kein Verzug, keine Lufteinschlüsse und scharf wiedergegebene, feinste Details.
Für die Ausformung der markant geschwungenen Radabdeckungen hat sich S.B.S etwas Besonderes einfallen lassen: Ein Gesenk, also eine Negativform und ein exakt passendes Gegenstück, beides aus Resinguss. Das zweidimensionale PE-Teil wird in die Negativform eingelegt und mit dem Stempel nach unten in die Negativform eingedrückt. Fertig ist eine perfekt geschwungene, dreidimensionale Radabdeckung. Einfach genial!
Auch wenn die Qualität der Resin-Teile den Anschein einer schnellen und komplikationslosen Montage erweckt, ist dennoch an einigen Stellen gründliches Vorausdenken, Messen (am besten mit Schieblehre) und punktgenaue Nacharbeit nötig. Diese Stellen sind der bogenförmige Verlauf des Rumpfausschnitts entlang der Tragflächenwurzelverkleidungen und ganz besonders der Übergang der einteiligen Cockpitverglasung in die Rumpfnase.
Der Rumpf-/Tragflächenanschluss gelingt bei sorgfältiger Vorarbeit ganz ohne Spachteln und Schleifen: Rumpf und Tragfläche mit einer Modellbauzwinge fixieren und dann dünnflüssigen Sekundenkleber, z.B. ‚ZAP thin‘, durch Kapillarwirkung in die Fuge einleiten, fertig.
Die Geschichte der Cockpitverglasung steht allerdings auf einem anderen Blatt. Dies ist der einzige Pferdefuß dieses Kits. Auch bei äußerst genauer Vorarbeit (das Teil muss ja zunächst auf ganzer Länge von seinem Anguss entfernt werden) bleibt am Übergang zur Rumpfnase ein hässlicher Spalt – der beim Original nicht vorhanden war. Nicht nur ist die Cockpitverglasung minimal zu kurz, auch der Querschnitt stimmt nicht hundertprozentig mit dem des Rumpfs überein. Ich konnte das Problem nur so lösen, dass ich den Spalt mit ‚Milliput superfine white‘-Zweikomponenten-Spachtel gefüllt und dann mit äußerster Vorsicht und feinsten Schmirgelmaterialien geschliffen und poliert habe.
Die Cockpithaube habe ich mit dem langsam aushärtenden Zweikomponenten-Epoxidharz ‚Araldite Standard‘ verklebt, um erstens das gefürchtete Beschlagen bei der Verwendung von Sekundenkleber zu vermeiden und zweitens einen bombenfesten Halt zu gewährleisten. Ein Verkleben mit weißleimähnlichen Produkten hätte dem anschließenden Spachteln und Schleifen nicht standgehalten. Die Operation gelang zufriedenstellend, allerdings ist die Stelle bei genauer Betrachtung im Schräglicht immer noch schwach erkennbar. Aber nur, wenn man’s weiß…
Die Fahrwerksbeine aus Bronzeguss mussten zunächst von ihrem Angussblock abgetrennt und anschließend entgratet, versäubert und poliert werden – wenn man die Oberflächengüte der Resin-Teile erreichen möchte. Der Zeitaufwand hierfür ist beachtlich.
Mit der von S.B.S vorgesehenen Art der Radbefestigung konnte ich mich auch nicht anfreunden. Ich habe daher die Zangen der Fahrwerksbeine und die Radnaben aufgebohrt und aus 1 mm starkem Messingrohr eine genau passende Radachse auf Länge zugeschnitten. Damit ist zum eigentlichen Bauprozess eigentlich alles gesagt. Weiter geht es mit der…
…Farbgebung
Dieser hübsche kleine Renner war rundum blau lackiert – so wie auch seine Vorgänger von Caudron-Renault. Der genaue Farbton allerdings scheint aus heutiger Sicht, nach nunmehr fast neunzig Jahren, nicht mehr definierbar. Ich habe das Internet auf und ab recherchiert und fast alle Modellbaukollegen, die sich schon an einer Caudron-Renault versucht hatten, standen vor dem gleichen Rätsel.
Anhand eines sehr guten schwarz-weiß-Fotos, das sich bei Getty-Images im Web findet, möchte ich jedoch die Aussage wagen, dass es sich um einen eher dunklen Farbton gehandelt hat. Allein der sehr starke Hell-Dunkel-Kontrast zwischen Grundfarbe und weißer Heckflossenbeschriftung legt diesen Schluss nahe. Letztendlich habe ich mich an der sehr schön gelungenen Box-Art des Kits orientiert und einen passenden Farbton mit ‚Vallejo Air‘ – Farben aus meinem Fundus zusammengemixt: Als Ausgangsfarbe wählte ich 71.313 ‚Dark Mediterranian Blue‘, dazu einen Schuss 091 ‚Insignia Blue‘ und dann noch ca. 20 % 71.109 ‚Faded PRU Blue‘.
Der Farbton des Cockpit-Interieurs scheint heute ebenfalls unbekannt zu sein. Ich habe mich an Farbfotos einer Caudron C.714 orientiert, die noch in ihren französischen Originalfarben im Päijänne Tavastia Aviation Museum, Finnland, ausgestellt ist. Ich würde die Farbe als relativ helles Blaugrau bezeichnen.
Unsere Original-Caudron war, wie man auf dem zuvor erwähnten zeitgenössischen Foto von 1936 gut erkennen kann, glanzlackiert und poliert wie ein Steinway-Konzertflügel, um auch noch das letzte Quäntchen an Höchstgeschwindigkeit herauszuquetschen. Das sonst bei uns Modellbauern so beliebte ‚Weathering‘ ist bei diesem Modell also nicht angezeigt. Daher habe ich lediglich im Bereich des Oberflächen-Ölkühlers an der Unterseite der Motorenabdeckung ganz leichte Ölspuren angebracht. Die Reifen des Hauptfahrwerks dürfen schwache Erdantragungen zeigen, da Start und Landung auf Flugfeldern mit Graspisten erfolgten.
Bei der Endlackierung habe ich mich für das bewährte ‚Johnson’s Klear‘ entschieden, das ich mit der Airbrush auftrug. Damit erzielte ich einen gewissen Glanzgrad, der maßstabsentsprechend ist, aber das Modell nicht wie eine Speckschwarte glänzen lässt. Ansonsten würde ich im Maßstab 1/48 eher einen seidenmatten Lacküberzug wählen und von Hochglanz Abstand halten.
Die Decals made by S.B.S (herkömmliche Nassschiebebilder) sind von ganz ausgezeichneter Qualität. Der weiße Schriftzug stellt sich auf dem kräftigen Blau der Grundlackierung mit überzeugender Deckkraft dar und der Trägerfilm ist dünn und reißfest. Er schmiegt sich nach einer einmaligen Anwendung von ‚Micro-Sol‘ perfekt an den Untergrund an, und das ohne jegliches Silvering.
Eine Pilotenfigur
…wollte ich bei diesem Modell unbedingt mit dabeihaben. Die Caudron C.561 ist so zierlich und hat eine so geringe Tragflächenspannweite, dass man sie auf den ersten Blick für ein 1/72er Modell halten könnte. Eine passende Pilotenfigur macht dieses ungewöhnliche Größenverhältnis in der Fotografie deutlich.
Die Figur sollte einen Mann in Fliegermontur darstellen, der aber nichts Militärisches an sich haben durfte. Vorbild war auch hier wieder ein zeitgenössisches Foto, welches den kühnen Test- und Rennpiloten Raymond Delmotte vor seiner Caudron zeigt. Er trägt hier einen recht dunklen, ledernen Pilotenoverall, die Fliegerhaube in der Linken und die unvermeidliche filterlose Gauloise oder Gitane in der Rechten. Baren Hauptes geht er mit gelassenem Blick auf den Fotografen zu. Und als respektabler Herr der 30er Jahre trägt er auch unter der Rennmontur Hemd und Krawatte (oder wie meine Mutter gesagt hätte: ein ‚anständiges Hemd‘).
Wieder war es ein ungarischer Hersteller, der mir weiterhalf. Die Firma ‚The Bodi Models‘ hat in 1/48 einen Piloten der französischen Luftwaffe im Programm, der einen fast identischen Lederoverall trägt – allerdings mit Uniform-Schirmmütze als Kopfbedeckung, die hier natürlich fehl am Platze ist. Glücklicherweise hatte ich noch ein paar Pilotenfiguren von Tamiya in meinem Fundus, die einmal zu einer Sonderauflage der Dewoitine D.520 gehörten. Einen der Köpfe mit Fliegerhaube habe ich kurzerhand transplantiert und noch ein wenig nachgearbeitet und so ein akzeptables Abbild von Raymond Delmotte erschaffen (wie ich meine).
Auch hier kann ich den Detailreichtum und die Qualität der Resin-Figur nur in höchsten Tönen loben. Der Faltenwurf des Overalls wirkt ausgesprochen realistisch und selbst die Verzahnung der Reißverschlüsse ist messerscharf wiedergegeben. Bei der Bemalung habe ich mich am umfangreichen Acrylfarben-Sortiment von ‚Citadel Colours‘ bedient.
Noch ein paar Worte zum Schluss
Mir war es immer ein Rätsel, warum historische französische Flugzeuge im Maßstab 1/48 so wenig Anklang bei Modellbauern und Kit-Produzenten zu finden scheinen. Tamiya hat sich Ende der 90er Jahre an einer Dewoitine D.520 versucht, aber das Ergebnis war eher zweifelhaft (die elegante Kontur der Rumpfnase ging leider ziemlich in die Hose). Daher freue ich mich ganz besonders, dass sich nun Hersteller wie S.B.S und insbesondere Dora Wings aus der Ukraine diesem stark vernachlässigten Segment der Flugzeuggeschichte annehmen.
Zu den Themenfeldern Caudron und Coupe Deutsch de la Meurthe würde ich gern noch auf zwei interessante Modelle unseres Modellbaukollegen Roland Sachsenhofer hinweisen, die ebenfalls hier auf Kitchecker zu finden sind:
Das wäre einmal die Caudron C.632 Simoun (Dora Wings) und die extravagante Bugatti 100P (Special Hobby). Die Bugatti wäre vielleicht im Jahr 1938 zu ihrem ersten Renneinsatz gekommen – hätte ein solches Rennen stattgefunden – gedieh aber vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht mehr zur Einsatzreife.
© Modell, Bilder und Text: Werner Scheibling