M72,
die russische BMW
Modell: Dnjepr M-72
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/32
Verwendeter Bausatz: FC Model Trend (32216)
Ich darf mich gleich zu Beginn in Bezug auf Motorrädern als rundum kenntnisfrei outen. Ich bekenne auch gerne, dass ich darunter nicht sonderlich leide, denn meine Leidenschaft für die Technik macht sich einfach wo anders fest. Nur wenn ein Motorrad einen wuchtig-kraftvoller Auftritt bereithält und eine Ästhetik bietet, die dem Auge, dem Ohr und auch der Nase beeindruckende Reize verspricht, vermag das etwas in mir zu wecken. Allerdings hat das noch nie dazu geführt, dass ich mich weiter in die Materie vertiefen würde oder ich gar ein Motorrad besitzen wollte. Nun stellt sich natürlich die Frage, wieso ich dann als Vorbild für dieses Projekt akkurat ein Motorrad gewählt habe.

Zwei Dinge kann ich als Antwort darauf anbieten: zum einen gehört eine längere Fahrt mit einer „Dnjepr M72 Beiwagenmaschine“ zu den wenigen Gelegenheiten, wo ich in einem Motorrad mitgefahren bin – und an die ich nach wie vor mit Freude zurückdenke. Zum anderen hat das im 3D Drucker entstandene Modell des spanischen Herstellers FCM die Gelegenheit geboten, einmal ein 3D gedrucktes Modell zu erproben. Dabei hat mich vor allem interessiert, wie sich wohl auf diesen „gedruckten“ Kunststoffoberflächen lackieren lassen würde. So ganz ideal war die Wahl eines Motorrads für die Beantwortung dieser Frage dann allerdings nicht, wie zu schildern sein wird. Bevor ich dazu komme, ein paar Worte zur Geschichte hinter diesem Motorrad – denn diese bietet gleich einen überraschenden Start!
Zur Geschichte der M72
Was mir damals bei der Fahrt im offenen Beiwagen nicht bewusst war, ist der erstaunliche Umstand, dass dieses auf mich so typisch „russisch“ wirkende Kraftpaket eine weitgehende Kopie eines bekannten Motorrads deutscher Produktion war. Denn bei der M72 handelt es sich überraschenderweise im Kern um die damals weit verbreitete BMW R72. Nicht einmal der Name wurde geändert: „M“ leitet sich vom russischen Wort „Motozikl“ ab, entsprechend zum „R“ für das deutsche Wort Rad/Motorrad bei BMW. Auch die Form des hier gezeigten Beiwagens entspricht exakt dem deutschen Vorbild.
Für die 1940er Jahre scheint dieser deutsch-sowjetische Technologietransfer recht erstaunlich, dürfte jedoch vor dem Hintergrund des Molotov-Ribbentrop-Pakts vom August 1939 zustande gekommen zu sein. Auch nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion blieb die M72 in größtem Maßstab in Produktion und rüstete über die folgenden Jahrzehnte die Einheiten der Roten Armee aus. Wurde zu Beginn unter Einhaltung der Lizenzbedingungen das Vorbild R72 noch exakt kopiert, vereinfachte man mit der Zeit die Technik und ließ jene Elemente weg, die sich im sowjetischen Betrieb nicht bewährt hatten. Dies betraf etwa die Teleskopgabel des Vorderrads oder die Getriebeschaltung per Fußhebel.
Die Produktion der ursprünglichen M72/R72 lief von 1942 bis 1955 an verschiedenen Standorten in der Sowjetunion, worauf auch die Bezeichnung „Dnjepr“ hinweist. Das robuste und kraftvolle Motorrad war in zahlreichen Varianten und Modifikationen in den Armeen des Ostblocks aber noch Jahre später anzutreffen. Über die Produktionszahlen habe ich unterschiedliche Angaben gefunden, aber zumindest 10.000 Exemplare der M72 im engeren Sinn sind nachgewiesenerweise gefertigt worden. Über das hinaus wurden vom Grundentwurf abgeleitete Versionen noch lange Zeit danach produziert.
Der Bausatz der M72 von FCM
Staunen war angesagt, als ich zum ersten Mal dieses Wunderding aus dem 3D Drucker in Händen halten konnte. Von einem „Bausatz“ kann dabei nur schwerlich die Rede sein, denn die gesamte Anlage von Motorrad und Beiwagen ist in einem Stück gefertigt. Zusammengebaut muss hier nur das werden, was während des Herauslösens aus dem dichten Wald an umgebenden Streben abgebrochen war – Gelegenheit dazu gibt es genug!
Vorsorglich hatte ich mir einen Seitenschneider mit feiner Spitze und präzisem „Biss“ besorgt, eine gute Investition, die nur empfohlen werden kann. Die Aufgabe des Herauslösens des Motorrads aus dem umgebenden Strebenwald bleibt herausfordernd und kann nur als abenteuerlich bezeichnet werden. Auch die Positionen der Angüsse dieser Streben am Motorrad verdienen zum Teil diese Bezeichnung. Gegen Ende dieses zwei Halbtage dauernden Prozesses hatte ich mir allerdings schon eine gewisse Gelassenheit angeeignet: sollte doch abbrechen, was unbedingt abbrechen will! Schließlich kann man ja vieles wieder ankleben – oder eben ersetzen. Dies habe ich etwa bei den beiden Enden der Lenkerstange machen müssen: diese wurde repariert und die Bremshebel gescratcht. Genau aufgepasst habe ich allerdings bei den Radspeichen, deren Feinheit ja einen Hauptreiz dieser Miniatur ausmacht.
Zur Lackierung kam der Airbrush nur bei den ersten beiden Schritten zum Einsatz: nach Grundierung mit schwarzer Acrylfarbe wurden Metalltöne von Alclad für Zylinder und Auspuff aufgetragen. Ein Abkleben der Teile, um weiter mit dem Luftpinsel arbeiten zu können, schien mir dann jedoch zu aufwendig und nicht zielführend. Insofern hat sich, wie eingangs bemerkt, das Motorrad nur bedingt als geeignet gezeigt, um Erfahrungen beim Lackieren von 3D gedruckten Oberflächen zu machen. So aber wurde mit Trockenpinsel und Acrylfarben von Vallejo die weitere Bemalung zu Ende gebracht.
Fazit
Die Kunststoffoberflächen dieses 3D Drucks sind mit dem gewohnten Polysterol nur schwer zu vergleichen: sie fühlen sich auch nach einem gründlichen Bad in Seifenwasser leicht klebrig an, können überraschenderweise aber trotzdem gut verschliffen und versäubert werden. Beschädigungsfreies Herauslösen der Modellteile aus dem umgebenden Gerüst war mir nicht möglich, hier bleibt das Reparieren und Improvisieren – oder aber das Leben mit Kompromissen – Teil des Spaßes. In Erinnerung bleibt auch, wie relativ schnell man zu einem fertig gestellten Modell kommen kann. Auch deswegen werde ich mir weiter hin und wieder die Abwechslung eines 3D Modells gönnen. Der traditionelle Modellbau mit tatsächlichen „Bau“-sätzen muss dies als Konkurrenz aber nicht fürchten!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer