Messerschmitt Bf 109 G-12/R3
Modell: Messerschmitt Bf 109 G-12/R3
Gebaut von: Werner Scheibling
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Hasegawa (09588) und Falcon (FA 603)
Einleitung
Als ich vor etlichen Jahren in den Regalen eines (zwischenzeitlich nicht mehr existenten) Modellbaugeschäfts in England stöberte, fiel mir der ‚Falcon‘-Bausatz einer Messerschmitt Bf 109 G-12 in die Hände. Der kleine Karton hatte, so wie er aussah, wohl schon ein paar Jahre ein Aschenputtel-Dasein auf besagten Laden-Regalen geführt.
Die kleine Modellbaumanufaktur ‚Falcon‘ aus Neuseeland ist wohl am bekanntesten für ihre glasklaren, vakuumgeformten Cockpitkanzeln (in den USA werden sie unter dem ‚Squadron‘-Label vertrieben). Seit den späten 1990er-Jahren produziert Falcon aber auch einen Short-Run-Bausatz dieses interessanten Flugzeugs im Maßstab 1/48 (laut Website immer noch erhältlich). Der Bausatz ist Short-Run, wie es ganz früher mal war: Dickwandiges, sprödes, schlieriges Polystyrol, massive Gussast-Ansätze, bestenfalls rudimentär angedeutete Detaillierung, ein paar Kleinteile aus sehr weichem Weißmetall – aber eben auch zwei ganz hervorragend gelungene Klarsichthauben für das Doppelcockpit.
Nach genauerer Prüfung des Schachtelinhalts wurde mir klar, dass lediglich die beiden Rumpfsektionen des Cockpitbereichs, das Instrumentengehäuse des Fluglehrer-Cockpits und – natürlich – die schöne Klarsichtkanzel für ein zukünftiges Projekt brauchbar sein könnten. Der Rest des Short-Run-Bausatzes inclusive der vergilbten Decals war nach meinem Dafürhalten ein Fall für die Mülltonne.
Da ich noch zwei Hasegawa Bf 109 G-2 Kits zu Hause im Schrank hatte, kam mir die (abenteuerliche) Idee, die Cockpit-Sektionen des Falcon-Kits in die Rumpfhälften des Hasegawa-Kits zu transplantieren. So sollte es eigentlich gelingen, ein halbwegs ansprechendes Modell einer doppelsitzigen Bf 109 G zu bauen. Wieder zu Hause angekommen, überprüfte ich die korrespondierenden Rumpfsektionen des Hasegawa und Falcon Kits mit Schieblehre und Konturenlehre; Ergebnis: So gut wie deckungsgleich. Einem chirurgischen Eingriff stand also nichts mehr im Wege.
Ein wenig Historie
Will man ein historisch korrektes Bf 109 G-12-Modell ohne problematische Seitenleitwerksmarkierungen bauen, so bietet sich nur eine filmisch/fotografisch dokumentierte Maschine in den Farben der italienischen Aeronautica Nazionale Repubblicana (ANR) an. Nicht, dass die Mini-Luftwaffe der kurzlebigen norditalienischen Salò-Republik unter nazi-deutscher Fuchtel politisch akzeptabler gewesen wäre – aber immerhin muss man als Modellbauer auf diese Weise nicht mit den in Deutschland nach § 86a StGB geächteten Kennzeichen hantieren.
Die von mir vorgestellte ‚weiße 20‘ war ein Überbleibsel der II./JG 77 ‚Herz As‘, als diese Einheit Anfang September 1944 Italien verließ und zurück ins ‚Reichsgebiet‘ verlegte. Die Maschine wurde der 3a Squadriglia 2° Gruppo Caccia ANR in Villafranca zugeteilt, wo sie von Oktober bis Anfang November 1944 zunächst in ihren ursprünglichen Luftwaffe-Markierungen geflogen wurde. Am 12. November 1944 verlegte die italienische Einheit ihren Standort nach Aviano. Ein schwarz-weiß-Foto vom Dezember 1944 zeigt die weiße 20 nun mit ANR-Trikolore (die italienische Nationalflagge mit gelbem Zackenrand) auf Rumpf und Seitenleitwerk.
Bis auf die Hakenkreuze am Seitenleitwerk und die Balkenkreuze auf den Tragflächenoberseiten wurden alle deutschen Markierungen beibehalten – so die Balkenkreuze auf den Tragflächenunterseiten, die weiße Nummer 20 und das kleine ‚Herz As‘- Abzeichen auf der linken Seite der Motorabdeckung. Deutlich fotografisch dokumentiert ist weiterhin, dass die Maschine bereits bei der Übergabe an ihre neuen italienischen Eigentümer ein in Grautönen übermaltes Rumpfband hinter dem weißen Balkenkreuz aufwies. Mit dem Aufbringen der ANR-Trikoloren in Aviano wurden offensichtlich auch die weißen Rumpf-Balkenkreuze dunkler abgetönt. Das erhaltene zeitgenössische Film- bzw. Foto-Material lässt noch weitere Rückschlüsse zu:
- Die ‚weiße 20‘ hatte eine glatte Motorabdeckung ohne MG 131 – ‚Beulen‘
- Auf der Tragflächenoberseite sind die Ausbeulungen für die größere 660 x 160 mm -Bereifung mit glatter Lauffläche erkennbar.
Diese Maschine wurde also aus einer G-4-Zelle (spätes Modell) umgebaut. Ob dieses Flugzeug noch das Kriegsende in Norditalien erlebte und was dann ggf. aus ihr wurde, ist nicht überliefert. Hier noch einige weitere interessante Fakten zur Messerschmitt Bf 109 G-12, die ich erwähnenswert finde:
- Die G-12 wies beidseitig je einen externen Verstärkungs-Blechstreifen entlang des vergrößerten Cockpit-Ausschnitts auf, um dem Verlust an Verwindungssteifigkeit der Zelle entgegenzuwirken. Die durchgehende Cockpitverglasung der Steuerbordseite mit kräftiger Rahmung sollte ebenfalls zur strukturellen Stabilität beitragen.
- Die Verglasung des hinten liegenden Fluglehrer-Cockpits war mit Vorhängen ausgestattet. Bei der Blindflugschulung – und nur dann – saß der Flugschüler bei geschlossenen Vorhängen im hinteren Cockpit.
- Die Landeklappen konnten nur vom vorderen (Flugschüler-) Cockpit gesetzt werden.
- Die G-12 war unbewaffnet. Die ‚Bedienungsvorschrift-Fl‘ zur G-12 sagt klar: ‚Waffenanlage ist ausgebaut.‘
- Durch den Einbau eines zweiten Cockpits wurde das Fassungsvermögen des Rumpftanks (unterhalb der Sitze gelegen) auf 240 Liter verkleinert – entsprechend 35 Minuten Flugzeit. Daher wurden so gut wie alle G-12 mit abwerfbarem
300l-Zusatztank geflogen. - Die meisten G-12 hatten ein vereinfachtes Spornradbein ohne Steuerung.
Der Umbau
Nachdem nun doch einige Jahre ins Land gegangen sind und die dem Maßstab 1:48 huldigenden Modellbauer mit neuen super-akkuraten Bausätzen von Tamiya und Eduard verwöhnt werden, erscheint es müßig, Bau und Detaillierung einer Hasegawa-109 näher zu beschreiben. Das Bessere ist, sagt man, des Guten Feind – und etliche, einst teuer erkaufte Hasegawa-Kits werden nun wohl auf dem sinnbildlichen ‚shelf of doom‘ ungeliebt dahinkümmern.
Ich möchte mich daher auf die Beschreibung der reinen Umbau-Arbeiten beschränken, die ziemlich sicher auch mit einem Tamiya- oder Eduard-Produkt so durchführbar wären.
Der Rumpfquerschnitt der Falcon-109 entspricht, wie oben schon erwähnt, fast exakt dem des Hasegawa-Kits, was den Umbau eigentlich erst ermöglichte. Zunächst war doppelt und dreifach Vermessen und präzises Anzeichnen angesagt, wobei ich den geplanten Rumpfausschnitt so klein wie nur möglich halten wollte. Dann setzte ich die Laubsäge an. Einen präzisen Passsitz der neuen Rumpfsegmente erzielte ich schließlich mit geduldigem Einsatz einer guten Diamantnagelfeile.
Anschließend glich ich die Wandstärke der Rumpf-Innenseiten mit einem Kugelfräser an und verstärkte den Bereich um die Klebekanten großzügig mit Zweikomponenten-Epoxy, um den Umbauteilen mehr Festigkeit zu verleihen. Das neue Doppelcockpit fertigte ich auf der Basis von zwei Aires-Resin-Cockpitsets, wobei das hintere Cockpit des Fluglehrers überwiegend im Scratch-Bau entstand. Lediglich die linke Seitenwand mit allen Anbauteilen, der (stark veränderte) Steuerknüppel und die Ruderpedale stammen von Aires.
Mir stand, als ich den Umbau in Angriff nahm, nur ein Foto aus dem Internet zur Verfügung, welches die rechte Seitenwand und den Boden des Fluglehrer-Cockpits (mit ausgebautem Sitz) zeigt. Die linke Seitenwand übernahm ich daher unverändert aus dem Aires-Set, auch wenn dies wohl nicht bis ins letzte Detail dem Original entsprechen mag.
Das zweigeteilte Instrumentenbrett entstand ebenfalls im Scratch-Bau, wobei der obere Instrumententräger aus dem Falcon-Kit als brauchbar durchgehen konnte. Alle Instrumente wurden mit fotogeätzten Lünetten und einzeln ausgestanzten Instrumenten-Decals reproduziert.
Da ich mein Modell unbedingt mit geöffneten Cockpit-Kanzeln darstellen wollte, entschloss ich mich, die im Original doch recht auffällige Verstrebung mit feinen ‚Evergreen‘-Polystyrol-Strips nachzubilden. Die Polystyrol-Strips ließen sich mittels UHU-Allplast recht gut mit dem Kunststoffmaterial der vakugeformten Kanzelteile verkleben. Ein abschließendes Bad in ‚Johnson’s Klear‘ gab den Klarsichtteilen dann auch das gewünschte glasklare Erscheinungsbild. (Ein willkommener Nebeneffekt des ‚Klear‘-Überzugs: Klarsichtteile können mit Sekundenkleber (Cyanacrylat) verklebt werden, ohne dass sich auf den Teilen der gefürchtete weißliche Niederschlag bildet.)
Quasi als ‚Kirsche auf dem Törtchen‘ brachte ich dann noch die aufgerollten Blindflug-Vorhänge an, die ich aus feinem Zigarettenpapier schneiderte (ein Überbleibsel aus meinen längst vergangenen Rauchertagen ….)
Farbgebung und Markierungen
Der Tarnanstrich der ‚weißen 20‘ erfolgte gemäß dem seinerzeit gültigen Standard in den Grautönen RLM 74/75/76 sowie vereinzelt RLM 02 in der Flecktarnung der Rumpfflanken. Ich verwendete zur Farbgebung die entsprechenden Farbmischungen von ‚Vallejo Air‘, die ich mit meiner ‚Iwata Hi-Line‘ mit 0,2 mm Düse auftrug.
Ein wenig Pastellkreidestaub in verschiedenen Tönungen und Akzentuierungen mit stark verdünnter Ölfarbe vervollständigten das im Original doch schon etwas mitgenommene Erscheinungsbild dieser Maschine.
Die Nassschiebebilder stammen von einem ‚Limited Edition‘-Bogen aus dem Hause ‚Italian Kits‘ (dahinter steht Signor Felix Rufolo – Luftfahrtenthusiast, Meistermodellbauer, Resin-Künstler und Inhaber des gleichnamigen Mail Order-Shops für alles Italienische in der Modellbauwelt; seine Website lohnt immer einen Besuch).
Die Decals stammen aus einem Alps-Drucker; sie sind sehr empfindlich und die Druckfarbe ist nicht abriebfest. Leider können sie in diesem speziellen Falle auch in der Farbwiedergabe nicht ganz überzeugen. Vor allem das Grün der italienischen Nationalflagge ist ziemlich daneben. Positiv sollte aber auch vermerkt werden, dass der hauchdünne Trägerfilm vollständig unter einer Schicht Klarlack verschwindet – sollte es gelungen sein, das Bildchen dort zu platzieren, wo es hingehört…
Unterm Strich habe ich nur die zwei weißen Zwanziger-Nummern und das kleine ‚Herz-As‘-Abzeichen verwendet. Die diversen Nationalitätszeichen habe ich in den Tiefen meiner Decal-Restekiste aufgestöbert.
Resümee
Dies war sicher eines meiner aufwändigsten und langwierigsten Modellbauprojekte und ich glaube nicht, dass ich heute noch das Sitzfleisch und die Geduld hätte, dergleichen anzupacken. Deshalb hat dieses Modell auch einen Ehrenplatz in meiner Vitrine und ich freue mich sehr, dass ich es Euch hier auf Kitchecker vorstellen darf.
Für alle, denen ich jetzt Appetit auf eine G-12 gemacht habe: Derartiger Umbaubau-Aufwand erscheint mittlerweile nicht mehr nötig; die Firma AMG (Arsenal Model Group) aus der Ukraine brachte vor nicht allzu langer Zeit einen Spritzguss-Bausatz dieses interessanten Flugzeugs auf den Markt. Den Fotos im Internet nach zu urteilen, scheint dies ein recht gelungener Bausatz zu sein. Na, wie wär’s?
Ressourcen
- Hasegawa Kit # 09588 ‚Messerschmitt Bf 109 G-2‘
- Falcon Kit # FA 603, ‚Messerschmitt Bf 109 G-12 two seat trainer‘ (Short-Run Polystyrol-Spritzguss mit Weißmetallteilen und Decals)
- Italian Kits Decals # Ik48003, ‚Me 109 G in ANR Service (Limited Edition)‘
- Eduard # EX 500 ’spinner spirals‘ (Flexible Maske)
- Aires Resin und PE Cockpit Set # 4271, ‚Messerschmitt Bf 109 G-2‘ (2x)
- Eagle Parts # EP23-48, ‚Messerschmitt Bf 109 ETC Rack (F, G, K series)‘
- Eagle Parts # EP21-48, ‚Luftwaffe 300 l Auxiliary Fuel Drop Tank‘
- Ultracast # 48078, ‚Messerschmitt Bf 109 F,G,K Exhausts‘
- Ultracast # 48166, ‚Messerschmitt Bf 109 G5-G14 Wheels, 660 x 160 Smooth Tyres‘
Referenzmaterialien
- Camouflage and Markings of the Aeronautica Nazionale Repubblicana 1943 -1945. A Photographic Analysis through Speculation and Research von Ferdinando D’Amico und Gabriele Valentini. Classic Publications / Ian Allen Publishing Ltd., Hersham, Surrey, England, 2005, ISBN: 1-903223-29-6
- Aero Detail No. 5, Messerschmitt Bf 109 G, von Shigeru Nohara und Masatsugu Shiwaku, Dai Nippon Kaiga Co. Tokio, 1992, ISBN: 4-499-20589-1
- Messerschmitt Me 109, Alle Varianten von Bf 109 F bis 109 K, von Willy Radinger und Wolfgang Otto, Aviatic Verlag Oberhaching, 1998, ISBN: 3-925505-43-1
- Bf 109 G-12 Bedienungsvorschrift-Fl, L.Dv.T.2109 G-12/Fl, Ausgabe Dezember 1944
Faksimile-Nachdruck Copyright Luftfahrt Archiv Hafner, Ludwigsburg
www.luftfahrt-archiv-hafner.de
- Falcon’s Messerschmitt Bf 109 Hangar
www.messerschmitt-bf109.de
© Modell, Bilder und Text: Werner Scheibling