King Air
Modell: Beechcraft 200 King Air
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/72
Verwendeter Bausatz: A&A (7224)
Kennt Ihr das auch? So gut wie alle meine Bausätze haben, bevor sie wirklich auf den Werktisch kommen, einen tendenziell langen bis sehr langen Aufenthalt in den diversen Stapeln und Vorratsräumen meines Modellbau-Refugiums hinter sich. Nicht so bei dieser Beechcraft 200 King Air des Herstellers A&A! Kaum war das Paket an der Haustür, schon war es ausgepackt und der Inhalt inspiziert. Noch am Abend desselben Tages kam der Kunststoff zum ersten Mal mit Kleber in Berührung.
Wieso ist gerade die „King Air“ so schnell auf dem Werktisch gelandet? Mir fallen da drei Gründe ein: zum einen war nach einigen Projekten in Tarnfarben mit eindeutig kriegerischem Hintergrund wieder einmal Zeit für ein ziviler erscheinendes Vorhaben. Zum anderen sind die Formen der “King Air” einfach von einer so bannend schönen und eleganten Art, dass sie nach ehestmöglicher Realisierung verlangen. Die Farben der Royal Air Force stehen der eleganten Konstruktion meiner Meinung nach besonders gut, daher bestand von Anfang an auch kein Zweifel, welche “King Air” ich bauen würde.
Zum Bausatz
Beziehen sich die beiden eben genannten Gründe auf das Vorbild, so hat eine Eigenschaft des A&A-Bausatzes selbst ebenfalls höchst beflügelnd gewirkt. Dieser Hersteller legt nämlich verlässlich hochwertige Abklebemasken für die Klarteile sowie gut gemachte Ätzteilplatinen in die Schachtel. Auch die Kunststoffteile von A&A sind in der Regel qualitätvoll gemacht, wenn sie auch als “short run” Produkte fehlende Passstifte, recht große Angusszapfen und massive Materialstärken zeigen können. Ein weiterer Vorzug dieser Bausätze findet sich in den meist recht qualitativen und gut verwendbaren Decals. Summa summarum: unter diesen Voraussetzungen lässt sich ein Bausatz von A&A gewöhnlich recht komfortabel und zügig aufbauen!
Generell trifft diese Charakterisierung auch auf den Bausatz der “King Air” zu. Einzig die Ausformung der Kabinenfenster hat diesmal für eine unliebsame Überraschung gesorgt. Zum einen waren diese Klarsichtteile leicht zerkratzt und auch recht dick gegossen, zum anderen zeigten sich diese Teile mit exakt demselben Durchmesser wie die Fensteröffnungen in den Rumpfseiten – noch dazu ohne Überstand, der als Klebelasche dienen würde. Dies bedeutet, dass sie genau bündig mit dem gebogenen Verlauf der Rumpfform eingepasst werden müssen, ein Vorhaben, dass bei meinen Fertigkeiten nur mit unansehnlich verklebten Fenstern enden würde.
Die Suche nach einem Ausweg aus diesem Dilemma hat mich in Folge auf einen eher ungewöhnlichen Weg geführt, der sich schlussendlich aber sogar als eine recht gute Lösung erweisen sollte. Doch bevor ich als Abschluss dieses Textes darauf zu sprechen komme, möchte ich hier noch ein paar Informationen zum doch recht interessanten Vorbild, der Beechcraft 200 King Air der RAF, präsentieren.
Zum Vorbild
Die Beechcraft „King Air“ kann inzwischen auf eine erstaunlich lange und ebenso erfolgreiche Geschichte zurückblicken: Der Erstflug der ursprünglich mit „C90“ bezeichneten ersten King Air fand immerhin schon 1963 statt. Über die Jahre wurde die King Air stetig modernisiert. Der frühen „90er Serie“ schloss sich so ab den frühen 70ern die 200er Serie an, die mit dem neuen hoch angesetzten T-Leitwerk der King Air dann auch zum heute gewohnten Aussehen verhelfen sollte. Als weitverbreitetes Reiseflugzeug der gehobenen Klasse wurde die King Air auch von zahlreichen Luftwaffen als Personentransporter oder zu Ausbildungszwecken eingesetzt. So tut die King Air etwa bei der US-Air Force unter der Bezeichnung „C-12 Huron“ schon seit Jahren Dienst. Das beliebte Muster wird auch heute noch weiterentwickelt und modernisiert. Derzeit laufen Maschinen der sogenannten 300er Serie vom Band. Bis zum heutigen Tag sind über 7.000 Beechcraft King Air produziert worden, eine wirklich erstaunliche Zahl!
Damit sich das Bild rundet, nenne ich hier ein paar Eckdaten: ausgestattet mit zwei Pratt & Whitney PT6 Turbinen zeigt die leer 3.983 kg wiegende King Air komfortable Leistungen. Ausgelegt für die Beförderung von 8-10 Passagieren beträgt die Reisegeschwindigkeit 570 km/h, die Reichweite wird mit 2.954 Kilometern angegeben. Um noch eine Vorstellung der Größe zu geben: die Spannweite beträgt 16,61 m, die Länge 13,36 m.
Seit 2004 steht die Beechcraft King Air 200 im Einsatz bei der RAF, die sie als mehrmotorigen Fortgeschrittenentrainer nutzt. Geflogen werden die Maschinen von der No 45(Reserve) Squadron, die als Teil der No 3 Flying Training School in RAF Cranwell, Lincolnshire stationiert ist. Die hier ausgebildeten Flugschüler lernen mit der King Air die Grundlagen des mehrmotorigen Flugs, Inhalte wie asymmetrisches Fliegen mit einem Motor, diverse Notfallprozeduren, fortgeschrittene Navigation sowie generell die Zusammenarbeit in einem mehrköpfigen Team stehen hier auf dem Programm.
Mit Fortschreiten des Kurses werden die Anforderungen komplexer: Beherrschung der fortgeschrittenen Avionik der King Air, Formations- wie Tiefflug im mehrmotorigen Flug sowie die Entwicklung dessen, was man auf gut Englisch „crew resource management“ nennt. Nach erfolgreicher Absolvierung des hier skizzierten Kurses wird der nächste Schritt dann zu einer „Operational Conversion Unit“ führen, wo die Piloten Bekanntschaft mit ihren eigentlichen Einsatzmustern schließen werden. Auf sie warten dann Flugzeuge wie die BAe 125, BAe 146, C17, Hercules, Nimrod, Sentinel, Sentry, Tristar oder die VC10. Das Mindestmaß für die erfolgreiche Absolvierung der Kurse mit der King Air beträgt übrigens 100 Flugstunden, in der Praxis weisen die Flugbücher aber wesentlich mehr Stunden auf.
Zum Bauprozess
Abschließen möchte ich meine Ausführungen mit einem Blick auf den Bauprozess. Dieser ist auch durchaus einer näheren Betrachtung wert: zum einen erwies sich die King Air als eines jener Projekte, wo die Spachteltube praktisch nicht aus der Hand gelegt werden kann. Speziell an den Motorgondeln, im Prinzip aber über den ganzen Rumpf verteilt musste kräftig gespachtelt und verschliffen werden.
Dies wäre, allgemein gesagt, ja auch nicht schlimm, was die Sache allerdings etwas verkompliziert hat, war die oben beschriebene Auslegung der Kabinenfenster. Nach einigem Überlegen habe ich schließlich einfach einen Einfall erprobt, der bei den kreisrunden Fenstern der King Air eigentlich naheliegt: ich füllte diese per Zahnstocher mit flüssigem „Kristal Klear“ und warte einmal einen Tag ab, was daraus werden würde. Und tatsächlich: das Material trocknet glasklar und randlos auf, die Oberflächenspannung sorgt dabei dafür, dass die zukünftige Scheibe sich tatsächlich perfekt innerhalb des Rahmens ausspannt. Voraussetzung für ein schönes Ergebnis ist allerdings, dass man die Füllung mit „Kristal Klear“ in gleichmäßiger Stärke und ohne Einschlüsse zuwege bringt. Auch gilt weiters: je dünner die Materialstärke ausfällt, umso transparenter das Ergebnis!
Am Modell wurden weiters noch Bremsleitungen am Fahrwerk ergänzt sowie die beiden Pitotrohre am Bug gegen solche aus dem Äztzeil-Fundus ausgetauscht.
Abschließend darf ich sagen, dass ich die schnelle Bauentscheidung nicht bereut habe. Auch nach diesem eher aufwendigen Projekt würde ich jede A&A Beechcraft 200, die sich an meine Haustür verirrt, schnell wieder auf den Werktisch bringen! Wer weiß, vielleicht gönne ich mir so eine kleine, feine Modellbau-Auseinandersetzung mit einer King Air ja noch einmal? Die bisherigen Erfahrungen haben jedenfalls Lust darauf gemacht!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer