Baby Clippers Abenteuer
Modell: Fairchild F.91 Baby Clipper
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/72
Verwendeter Bausatz: Azur (A019)
Obwohl nur sieben Exemplare dieses äußerst formschönen und durchaus leistungsfähigen Flugbootes ab Mitte der Dreißigerjahre gebaut worden sind, sollte auf jedes einzelne dieser als „flying boat airliner“ entworfenen Flugboote eine zwar kurze, aber dafür umso abenteuerlichere Einsatzgeschichte warten. So führten die Wege der sieben „Baby Clipper“ je eine Maschine nach China und Spanien, je zwei nach Brasilien und Japan – sowie eine, die hier im Modell gezeigte, nach Nordafrika. Genutzt konnten sie allesamt nur kurz werden: bis Mitte der Vierzigerjahre waren alle Fairchild F.91 entweder abgewrackt, hatten Bruch gemacht oder waren nach Abstürzen verloren gegangen.
Zur Fairchild F.91 Baby Clipper: sieben abenteuerliche Biographien
Ursprünglich war das Muster Anfang der Dreißigerjahre bei Fairchild von Pan American Airways angefordert worden, die einen für die Flugrouten entlang der Flussläufe von Yangtse und des Amazonas optimierten Flugboot-Airliner benötigten – das Abenteuer lag der F.91 also sozusagen in den Genen!
Fairchild lieferte eine moderne Ganzmetallkonstruktion mit hoch angesetzten Flächen und einem in einer hoch über der Rumpf angesetzten Triebwerksgondel positionierten Antrieb in Form eines Pratt & Whitney R-1690 Hornet. Diese eigentümliche Anordnung war nicht beispiellos und hatte sich schon bewährt, nicht umsonst erinnert die Konfiguration der F.91 an Flugbootentwürfe wie etwa der Beriew Be-4. Der Prototyp der bald mit dem Beinamen „Baby Clipper“ versehenen neuen Maschine hob am 5. April 1935 zum ersten Mal ab.
Nach der Auslieferung der ersten beiden von insgesamt vier bestellten Exemplaren änderte Pan Am allerdings sein Meinung und stoppte die Anschaffung, da der Yangtse nicht mehr angeflogen wurde. Die beiden Maschinen kamen zu Panair do Brasil, einem Ableger von Pan Am, wo sie nach einigen Jahren intensivem Flugbetriebs 1941 beziehungsweise 1945 Bruch machten und danach verschrottet wurden. Zwei weitere F.91 wurden nach Fernostasien verkauft, wo sie von der kaiserlichen japanischen Marine evaluiert wurden. Nachdem die erste F.91 während der Erprobung verloren gegangen war, wurde eine zweite als Ersatz angekauft. Das Interesse scheint allerdings nicht allzu groß gewesen sein zu sein, sodass weder ein Ankauf noch ein Lizenzerwerb folgten.
Der Prototyp der Fairchild F.91 selbst kam auf abenteuerlichen Wegen während des Bürgerkriegs nach Spanien. Zwar war das Flugboot ursprünglich von den Republikanern angekauft worden, wurde zuletzt aber von den Nationalisten geflogen. Nach Ende des Bürgerkriegs wurde sie 1941 abgewrackt.
Eine spezielle F.91 wurde 1936 vom NYC-Museum of Natural History angekauft und ausgerüstet, um als Expeditionsflugzeug zu dienen: der Naturforscher Richard Archbold nutzte die passenderweise „Jungle Clipper“ getaufte Maschine für seine Expedition in die gänzlich unerschlossenen und unbekannten Gebiete Papua-Neuguineas – allerdings nur das erste Jahr der auf zwei Jahre angesetzten Forschungsreise: 1936 fiel die „Jungle Clipper“ einem Tropensturm zum Opfer. Gerade diese Maschine ist auf Fotos gut dokumentiert und zählt in meinen Augen mit ihrer schnittigen blau-roten Lackierung zu den schönsten Ausgaben dieses ohnehin formschönen Flugbootes!
Zu guter Letzt: Fairchild F.91 / NR16690 / HK832 (RAF)
Die hier im Modell gezeigte Fairchild F.91 mit der Werknummer NR16690 macht die Zahl der sieben gebauten „Baby Clipper“ komplett. Auch sie hat eine spannende Geschichte zu erzählen: vom amerikanischen Industriellen, Erfinder, Rennfahrer und Philanthropen Garfield Wood – einer schillernden, interessanten Persönlichkeit, dessen humanitäres Engagement hier nur kurz angesprochen werden kann – bei Fairchild angekauft, wurde sie an das British-American Ambulance Corps (BAAC) gegeben. Dies war eine Organisation von in Großbritannien lebenden Amerikanern, die während des Krieges aus privaten Mitteln den Ankauf und den Einsatz von Rettungsfahrzeugen und Ambulanzen finanzierten. Heute würde man wohl von einer humanitären NGO sprechen.
NR16690 wurde schließlich von der BAAC an die Royal Air Force übergeben, die sie mit der Kennung HK832 ab November 1941 in Nordafrika für den Seenotrettungsdienst und humanitäre Einsätze verwendete. Erhaltene Fotos weisen auf mehrere wechselnde Lackierungen hin, welche auf dem Bildmaterial teils sehr abgewettert wirken. Mit der hier gezeigten Tarnung von – wahrscheinlich – „Earth Brown“, „Middlestone“ und „Azur“ flog sie als Teil des Sea Rescue Flights der RAF von deren Basis im ägyptischen Heliopolis aus zahlreiche Rettungsmissionen. Aber auch diese Maschine sollte den Krieg nicht überstehen: sie sank am 17. Mai 1943, nachdem sie vor Bengasi auf ein im Meer treibendes Objekt aufgelaufen und leck geschlagen war.
Zu Bausatz und Bauprozess
Azur verwendet für diese Auflage der F.91 die aus dem Jahr 2001 stammenden Bausatzformen von Sword. In der vorangestellten Skizze zur Einsatzgeschichte der sieben F.91 habe ich des Öfteren das Vokabel „abenteuerlich“ verwendet: dieser Begriff ist leider auch bei der Beschreibung der Bauteile beziehungsweise des Bauprozesses angebracht!
Wenig Licht…
Angenehm ist mir die Ausstattung mit Resinteilen für den Motorblock und einigen Bereichen des Innenraums aufgefallen. Hierzu zählen auch schön gemachte Resin-Sitze und zwei Ruderhörner. Letztere waren allerdings derart fein gegossen und gleichzeitig mit derart viel Fischhaut versehen, dass sie mir beim Abtrennen und Säubern rettungslos zerbrochen sind. In positiver Erinnerung habe ich weiters die angemessen dezent und qualitätvoll gestalteten Strukturen der Oberflächen. Damit kann der lobende Teil meiner Besprechung allerdings auch schon abgeschlossen werden.
…und Viel Schatten!
Der folgende Rest war, um es salopp auszudrücken, einfach grauenvoll. Ich möchte mir und dem Leser, der Leserin die Aufzählung der zahlreichen Unstimmigkeiten und unschönen Herausforderungen ersparen, den Mantel des Schweigens darüber breiten und anstelle die beigelegten Baufotos sprechen lassen.
Allerdings: aus dem Umstand, dass die Rumpffenster nicht zu gebrauchen waren, hat sich eine für mich neue Erfahrung ergeben: ich habe die Fenster aus dünner Klarsichtfolie ausgeschnitten und sorgsam in die Öffnungen am Rumpf eingepasst. Festgeklebt wurden sie mit wenigen Tröpfchen Weißleim. Dies kann, wie ich feststellen durfte, zumindest so gut gelingen, dass das Ergebnis ungleich besser aussieht als alles, was ich mit den verformten Original-Fensterteilen zuwege hätte bringen können. Ich werde jetzt in Zukunft nicht zögern, dass auch bei folgenden Bauerlebnissen mit unschönen Klarsichtteilen anzuwenden.
Ersetzt habe ich auch die Verglasung über dem Cockpit. Hier war zwar das Bauteil – eine tiefgezogene Kanzelhaube – zwar gut gemacht, allerdings hatte ihr der Zahn der Zeit einen deutlichen Gelbton angezaubert, sodass Ersatz besorgt werden musste. Auch hier wartete einen neue Erfahrung auf mich: die Suche nach Ersatz gab mir Anlass, mit dem schon länger gehegten Vorhaben, selbst einmal Vacuum-tiefzuziehen, endlich ernst zu machen. Mit einer neu angeschafften Tiefziehmaschine war nach einigen Versuchen tatsächlich ein so gutes Ergebnis zu erzielen, dass ich es ruhigen Gewissens verbauen konnte. Zur Illustration dieses Vorgangs möchte ich auch wieder auf die Bilder des Bauprozesses verweisen.
Erwähnen möchte ich noch, dass all die zahlreichen Verstrebungen, Spanndrähte, Antennen und Kleinteile wie der Mast mit den darauf montierten Venturi-Rohren an der Oberseite der Motorgondel von der Bauanleitung weder erwähnt werden, noch findet man entsprechende Teile dafür im Bausatz. So entstammen alle genannten Detailformen meiner Vorbildrecherche beziehungsweise meinem Materialfundus.
Fazit
Wie die bisherigen Worte erkennen lassen, war der Bau der Fairchild F.91 ein herausforderndes Erlebnis, bei dem ich des Öfteren darüber nachdachte, ob all die Zeit nicht lieber für lohnendere Projekt verwendet werden sollte. Allerdings wird es mir auch als ein Projekt in Erinnerung bleiben, bei dem ich gezwungen war, meine „Wohlfühlzone“ zu verlassen und Neues auszuprobieren. Speziell die Fertigkeiten rund um das Thema des Vacuum-Tiefziehens, bei dem ich jetzt zumindest einen Fuß in der Türe habe, werden mich bei folgenden Modellbau-Abenteuern begleiten!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer