Focke-Wulf Fw 200A Condor
OY-DEM „Jutlandia“
Modell: Focke-Wulf Fw 200A Condor
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/72
Verwendeter Bausatz: Revell (4387)
Zufälle, speziell zufällige Begegnungen, sind ein beliebter literarischer Topos, um große Erzählungen beginnen zu lassen. Auch die ohnehin legendenträchtige Geschichte der Fw 200 Condor kann mit einer derartigen Begebenheit aufwarten: im März 1936 war Dr. Kurt Tank, seit kurzem Entwicklungschef bei Focke-Wulf in Hamburg, und Dr. Rudolf Stüssel, seines Zeichens technischer Leiter der Lufthansa, beim Warten auf ihre jeweiligen Anschlusszüge im Bahnhof Franzensfeste südlich des Brenners zufällig zusammengetroffen und ins Gespräch gekommen. In entspannter Stimmung, beide waren auf der Rückfahrt von Urlaubsreisen, kam man schließlich auf Berufliches zu sprechen.
Beide Herren teilten eine gemeinsame Sorge: zu diesem Zeitpunkt war in manchen Teilen der Welt eine Generationenablöse im zivilen Luftverkehr abgeschlossen, die in Deutschland noch nicht einmal so recht begonnen hatte. Speziell aus den Vereinigten Staaten waren beunruhigende Neuigkeiten bekannt geworden. Bahnbrechende Konstruktionen wie die dreizehnsitzige und zweimotorige Boeing 247 erreichten 293 km/h Höchstgeschwindigkeit, die Lockheed Orion war mit überragenden 360 km/h unterwegs und schon 1934 war die DC-2 von TWA in den regulären Liniendienst genommen worden. Diese bahnbrechende Konstruktion transportierte 14 Passagiere in komfortabler Kabine mit respektablen 343 km/h über weite Strecken. Wie beeindruckend – und aus deutscher Sicht beunruhigend – diese Leistungen waren, illustriert ein Vergleich mit zeitgenössischen Jagdflugzeugen: Frankreichs schnellstes Jagdflugzeug, die Dewoitine 501, erreichte 308 km/h Spitze, in Großbritannien markierte die Hawker Fury I mit 360 km/ das Spitzenfeld. Auch die Heinkel He 51 gab mit 330 km/h kein allzu beeindruckendes Bild ab.
Geschwindigkeit war aber nicht das einzige Merkmal, mit dem die neue Generation von Passagier- und Transportmaschinen beeindrucken konnte. Die genannten US-Konstruktionen hatten auch von den verwendeten Materialien und Technologien her zukunftsweisendes Neuland betreten. Dominierten bis dahin stoffbespannte oder metallbeplankte Rahmenkonstruktionen aus Holz oder Stahlrohr die Szene, zeigten die Modelle von Boeing, Douglas oder Lockheed fortschrittlichste selbsttragende Rumpfhalbschalen aus Leichtmetall, selbstverständlich waren in dieser Klasse auch Einziehfahrwerke und vollständig verglaste Cockpits in aerodynamisch sauberen Rümpfen Standard geworden. Auf dem zivilen Sektor hatte Deutschland hier nichts Vergleichbares anzubieten.
Ein weiterer Gedanke beherrschte das Gespräch Tanks und Stüssels: die Langstrecken, vor allem jene über den Atlantik zeichnete sich als zukünftige lukrative Routen ab – auch hier hatte Deutschland zu diesem Zeitpunkt keine Konstruktion, die mithalten könnte. Noch dazu wurden seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten militärische Projekte mit Vorrang behandelt, sodass die Kapazitäten der großen Hersteller mit Projekten für die Luftwaffe ausgebucht waren. In zivile Neuentwicklungen wurde von Seiten des RLM dagegen kaum investiert. Schon existierenden Projekten wie Heinkels He 70 fehlte sowohl Kapazitäten wie Reichweite, wohingegen etablierte Muster wie die Ju 52 technisch und leistungsmäßig abgeschlagen waren. Was also dringend Not tat, war ein großes viermotoriges Langstreckenflugzeug, das auf Fernrouten sicher und zuverlässig eingesetzt werden könnte. Tank und Stüssel trennten sich mit dem Vorsatz, dieses Projekt mit Dringlichkeit auf Schiene zu bringen. Tatsächlich hatte Kurt Tank auch schon einen Namensvorschlag parat: die neue Konstruktion sollte nach dem großen Andenvogel „Condor“ genannt werden.
Tatsächlich begannen unmittelbar nach Rückkehr Tanks in Bremen die ersten Planungen für das neue Großflugzeug, ein Team um Otto Papst, Max Mayer und Wilhelm Bansemir starteten mit den ersten Berechnungen, später wurde die Gruppe noch um Andreas von Fachelmann und Ludwig Mittelhuber verstärkt. Auch auf Seiten der Lufthansa blieb man dem von den beiden Luftfahrtgrößen entwickelten Vorhaben treu und bekundete ernstes Interesse. Als schließlich im April 1936, also nur ein Monat nach dem zufälligen Zusammentreffen auf der Franzensfeste, die fertig durchgerechneten Projektunterlagen bei Lufthansa eingereicht wurden, konnte man schnell zu einem Abschluss kommen: Carl-August Freiherr von Gablenz, Direktor der Lufthansa, erteilte einen Bauauftrag für die zwei ersten Fw 200 Condor. Die attraktive Typnummer „200“ hatte Gablenz zuvor beim „Reichsluftfahrtministerium“ vorsorglich reservieren lassen.
Eine weitere Anekdote lässt sich hier anschließen: bei Vertragsabschuss hatte der Lufthansa-Direktor Kurt Tank zwei Jahre Entwicklungszeit zugestanden – wohl den Umstand einberechnend, dass man bei Focke Wulf noch nie ein Ganzmetallflugzeug gebaut hatte. Der offensichtlich von der Idee überzeugte und selbstbewusste Kurt Tank wettete mit Gablenz jedoch um 25 Flaschen Sekt, dass die Fw 200 binnen eines Jahres ihren Erstflug machen würde. Erstaunlicherweise war es tatsächlich der Lufthansa-Direktor, der für den Sekt aufkommen musste: am 27. Juni 1937 hob der erste von zwei Prototypen zum Jungfernflug ab und nur ein Jahr später, ab Mitte 1938, konnten die ersten Fw 200 Condor in den Liniendienst der Lufthansa übernommen werden.
Noch im Jahr der Einführung machte sich die Fw 200 Condor mit einer Reihe vielbeachteter Rekordflüge einen Namen. Hervorzuheben sind hier etwa die schnelle Atlantiküberquerung von Berlin Staaken aus zum New Yorker Floyd Bennett Field in 24 Stunden, 56 Minuten und 12 Sekunden, die Fw 200V1 D-ACON am 8. August 1938 unternommen hatte. Im November flog dieselbe Maschine über Basra, Karatschi und Hanoi nach Tokio. Dass der Rückflug der D-ACON mit einer Notwasserung in der Caribe Bucht vor Manila endete, tat dem guten Ruf der Fw 200 keinen Abbruch. Womöglich trugen die Bilder des Unfalls zur Bekanntheit des beeindruckenden Entwurfs sogar noch bei.
Die friedliche Nutzung der Fw 200 sollte allerdings nur kurz währen: bei Kriegsausbruch mussten alle Maschinen an die Luftwaffe übergeben werden. Die nachfolgenden militärischen Versionen belegten, dass bei allen anfänglichen Einsatzerfolgen die große Condor weder als Transporter noch als Seefernaufklärer jener große Wurf war, den sie als Langstrecken Passagiermaschine dargestellt hatte.
Interessant sind im Lichte der zu Beginn angeführten Daten der US-Maschinen vergleichbare Angaben zur Fw 200 Condor. Die vier BMW 132 Neunzylinder-Sternmotoren mit je 830 PS ermöglichten 280 km/h Marsch- beziehungsweise 405 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die Reichweite war für den Verwendungszweck der neuen Lufthansa Maschine entscheidend: 1.720 Kilometer konnte eine Fw 200 in den Versionen A/B maximal fliegen.
Die Abmessungen machen deutlich, welch großes Flugzeug die Fw 200 war: die Länge der Condor maß 23,85 m, die Spannweite betrug 32,84 m. Für das Leergewicht werden 11.296 kg angegeben, das normale Abfluggewicht betrug um die 17.500 kg, während das maximales Abfluggewicht 18.000 kg auf die Waage brachte. Vier Besatzungsmitglieder, aufgeteilt in Pilot, Copilot, Funker/Mechaniker und Steward, waren notwendig, um die 26 Passagiere in angemessener Weise auf Langstrecken zu transportieren.
10 Maschinen waren von der Lufthansa direkt bestellt worden, daneben zeigte aber auch, wie schon angesprochen, die Luftwaffe Interesse: insgesamt wurden 24 Maschinen der frühen Versionen A und B als Kurier- und Transportflugzeuge in Auftrag gegeben. Der neue Entwurf schien für den Export interessant: zwei Condor gingen an das brasilianische „Syndicato Condor“, weitere zwei Maschinen wurden an die dänische Fluggesellschaft Det Danske Luftfartselskab (DDL) geliefert. Eine dieser beiden Maschinen, die als Werknummer 2993 gefertigte Fw 200A, zeigt das hier vorgestellte Modell. Das Flugzeug traf im Juli 1938 in Kopenhagen ein und sollte in den folgenden Jahren mit der Kennung OY-DEM und unter dem Namen „Jutlandia“ von der DDL auf der Route Kopenhagen – Amsterdam – London gemeinsam mit der zweiten Maschine, der OY-DAM „Dania“, eingesetzt worden.
Nach Kriegsausbruch wurden beide Maschinen vom neutralen Dänemark weiter auf dieser Route genutzt, bekamen aus Vorsicht allerdings neue Anstriche mit groß aufgebrachten dänischen Flaggen und dem Schriftzug „DANEMARK“ am Rumpf sowie – zeitweise – einen grellen, orangen Anstrich. Buchstäblich am Vorabend des deutschen Einmarsches in Dänemark übernahmen die Briten OY-DAM nach ihrer Landung im englischen Shoreham, um sie danach unter der Flagge der BOAC selbst weiter zu betreiben. 1943 wurde die Maschine bei einem deutschen Luftangriff komplett zerstört.
Die hier gezeigte OY-DEM dagegen überlebte den Krieg und wurde nach 1945 wieder im Liniendienst der DDL verwendet, bis sie im Herbst 1946 bei einer Seitenwindlandung im englischen Northolt beschädigt wurde. Fw 200A „Jutlandia“ wurde schließlich im Jahr 1947 verschrottet.
Zu Bausatz und Bauprozess
Die Teile von Revells Fw 200A müssten eigentlich die ältesten Bausatzformen sein, die ich je die Ehre hatte, in Händen zu halten: mit dem Erscheinungsjahr 1965 sind sie in die modellbauliche Spätantike zu datieren. So verwundert es nicht, dass die Darstellung sehr einfach und in manchen Teilen – ich denke hier vor allem an die Motorgondeln/Auspuffführung/Fahrwerk – nur vorbildähnlich gehalten ist. Andererseits fehlt dem Bausatz auch gänzlich und sehr wohltuend die Spielzeughaftigkeit mancher Exponate dieser Epoche. Ich konnte die Maßhaltigkeit der Teile am Vergleich mit Plänen im 72er Maßstab überprüfen und kann dem Bausatz ein sehr positives Zeugnis ausstellen: die Dimensionen scheinen gut getroffen!
Der Bau selbst gestaltete sich recht kurzweilig und schritt zügig fort: zum einen verzichtete ich auf jede Darstellung des Rumpfinneren und habe mich auf die Detailierung des Cockpits konzentriert, zum anderen genehmigte ich mir die Freiheit, mich zur näheren Ausgestaltung von Motoren, Fahrwerk und Cockpits an Eduards Ätzteilsätzen der militärischen C-Varianten zu bedienen. Gänzlich neu aufgebaut wurden die Antennenanlage, die Auspuffrohre sowie das (im Bausatz nicht beachtete) Pitotrohr.
Viel Aufmerksamkeit und Planung erforderte die Verwendung der für die dänischen Maschinen benötigten Markierungen von „Lima November Decals: Fw 200A Part 1“. Diese sind von ausgezeichneter Qualität und ergeben ein sehr stimmiges, schönes Gesamtbild. Allerdings müssen die roten Bereiche lackiert werden, bevor an deren Konturen die haardünnen schwarzen Begrenzungen als Decal aufgebracht werden. Dies erfordert, wie leicht vorzustellen ist, ein gut geplantes und mit ruhiger Hand durchgeführtes Vorgehen: ich habe mir Klebemasken erstellt, die genau an die Konturen und Verläufe der schwarzen Begrenzungslinien angemessen waren. Schlussendlich war ich jedenfalls doch erleichtert, dass diese Vorgehensweise zu einem ganz ansehnlichen Ergebnis geführt haben, denn die schnittig roten Markierungen von OY-DEM „Jutlandia“ stehen, wie ich meine, einer Fw 200A besonders gut!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer