Übersicht
Artikelbezeichnung: FW Triebflügel with boarding ladder
Maßstab: 1/35
Hersteller: MiniArt
Material: Spritzguss, Fotoätzteile, Decals
Preis: ca. € 40,–
Artikelnummer: 40005
Produktlink: Focke-Wulf Triebflügel
Download: Bauanleitung
Einleitung
„Wenn schon „what if“ dann gleich wirklich extrem“ werden sich die Decaldesigner des ukrainischen Kitproduzenten MiniArt gedacht haben. Was sie sich für diesen Bausatz des Triebflügels von Focke-Wulf haben einfallen lassen finde ich genial. Neben einem ungarischen, einem rumänischen oder einem japanischen Flugobjekt kann man auch noch eine Maschine des Afrika Korps aus dem Jahr 1946 oder einen Triebflügel der Antarktis-Expedition „Clausewitz“, ebenfalls 1946, bauen. Den Vogel schießt aber die Markierungsoption für die fiktive Terrororganisation Hydra ab, die in Marvel Comics eine Rolle spielt.
FW Triebflügel
Box & Inhalt
Das Deckelbild zeigt einen Triebflügel mit Einstiegsleiter in japanischen Diensten, der gerade auf irgendeiner Dschungellichtung auf seinen Einsatz wartet. Der kleine Schreibfehler „Triebflugel“ sei MiniArt verziehen, der Umlaut „ü“ kommt schließlich hauptsächlich im deutschen Alphabet vor. Hier der Inhalt der Box im Kurzüberblick:
18 unterschiedlich große Spritzgussrahmen in hellgrauem Plastik
1 Rahmen mit den Klarsichtteilen
1 Fotoätzteilplatine
1 Decalbogen
12-seitige, teilweise in Farbe gedruckte Bau- und Bemalungsanleitung, im Format A4
Geschichte des Originals
Der Focke-Wulf Triebflügel, oder Triebflügeljäger, war ein deutsches Konzeptflugzeug aus dem Jahr 1944, geplant zum Schutz gegen die steigende Bedrohung durch die Bomberkommandos der Alliierten. Es ist als Heckstarter für Senkrechtstart und -landung entworfen worden, um als Abfangjäger für die lokale Verteidigung von wichtigen Bereichen eingesetzt zu werden, die kleine oder gar keine Flugplätze hatten. Die Entwicklung des Triebflügel erreichte nur den Stand von Windkanal-Tests, als die Alliierten die Produktionsanlagen einnahmen. Es wurde kein Prototyp vollendet.
Beim Focke-Wulf Triebflügel kam ein vollkommen neues Konzept zur Anwendung. Demnach sorgten keine Flügel für den Auftrieb, sondern der ganze Auftrieb sowie der Schub sollten von einem Rotor erzeugt werden. Der Triebflügel hätte sich etwa in der Mitte der Längsachse des Flugzeuges befunden, zwischen dem Cockpit und dem Höhenleitwerk. Vor dem Start sollte das Flugzeug vertikal auf seinem Heck stehen, in dieser Position funktionierten die Rotoren ähnlich einem Hubschrauber. Beim horizontalen Fliegen würden sie mehr wie ein riesiger Propeller funktionieren. Die drei Rotorblätter sollten in einer Ringanordnung auf einem frei im Flugzeugrumpf drehbaren Segment montiert werden.
Am Ende jedes Rotorblattes wäre ein Staustrahltriebwerk vorgesehen gewesen – ein sogenannter Blattspitzenantrieb. Um die Rotoren bis zum Funktionieren der Staustrahltriebwerke in Bewegung zu versetzen, sollten einfache Starthilferaketen an den Rotorspitzen verwendet werden. Wäre dann die Geschwindigkeit hoch genug gewesen, um die Staustrahltriebwerke mittels Luftstrom zu starten, würden die leeren Starthilferaketen abgeworfen. Der Anstellwinkel der Rotorblätter könnte zwecks Anpassung an die Fluglage und Geschwindigkeit und des benötigten Auftriebs variiert werden. Durch die Anordnung der Staustrahltriebwerke an den Enden der Rotorblätter ergibt sich kein Reaktionsdrehmoment und keine Gegendrehung des Rumpfes. Der Kraftstoff sollte in Rumpf- Tanks mitgeführt werden und durch die Mitte des Drehrings und entlang der Rotoren zu den Staustrahltriebwerken geleitet werden. (Quelle: Wikipedia)
Bausatz & Teile
Die Teile für diesen Bausatz stammen aus hochmodernen, sehr präzise gefrästen Stahlformen. Das erkennt man sofort, auch wenn man die Teile nur grob überfliegt. Fein und akkurat ausgeführte Gravuren stellen die Blechstoßlinien dar. Weiters zieren sauber ausgeführte Nietenreihen und Wartungsdeckel die äußere Oberfläche dieses ungewöhnlichen Fluggerätes. Gussgrat, Formversatz, Fischhaut oder Sinkstellen sind nirgends zu erkennen.
Der Bau beginnt mit dem Cockpit, das mit diversen kleinen Hebeln aus Fotoätzteilen detailliert wird. Auch für den Pilotensitz werden Gurte aus PE-Material verwendet. Die Anzeigen des Instrumentenbretts können mit Decals dargestellt werden. Links und rechts des Cockpits werden die vier Maschinenwaffen eingebaut, die auch gezeigt werden können, wenn man die Wartungsdeckel geöffnet anbaut.
Die Staustrahltriebwerke an den Enden der Rotoren sind recht einfach gestaltet, aber man wird nach dem Zusammenbau auch nicht viel davon sehen können. Etwas komplexer scheint dafür das Fahrwerk zu sein, das entweder aus- oder eingefahren angebaut werden kann. Durch diese Möglichkeit lässt sich der Triebflügel sowohl in der Luft (eine Pilotenfigur fehlt allerdings), als auch in Parkposition darstellen. Für letztere Option liegt dem Kit auch ein Wartungsgerüst inklusive Einstiegsleiter bei. Die dafür vorgesehenen Teile sind ziemlich filigran, Vorsicht beim Abtrennen von den Gießästen und beim Zusammenbau ist also angebracht.
Die gesamte Konstruktion des Triebflügels von MiniArt wirkt recht anwenderfreundlich. Das Modell setzt sich aus drei Baugruppen zusammen. Einmal das Cockpit mit Bewaffnung, dann der Mittelteil mit den Triebflügeln – die am fertigen Modell sogar drehbar sein werden – und das Heck mit dem Fahrwerk. Die Klarsichtteile für die Kanzel sind übrigens nicht ganz makellos, aber durchaus brauchbar.
Bauanleitung, Decals & Markierungsmöglichkeiten
Die Bauanleitung führt in 27 Abschnitten zum fertigen Modell. Sie ist exakt gezeichnet und leicht verständlich. Bei fast allen Teilen ist angegeben, in welcher Farbe sie lackiert werden sollen. MiniArt bezieht sich dabei auf die Farbpaletten von gleich 8 verschiedenen Herstellern (Vallejo, Mr. Color, Life Color, Tamiya, AK, Mission Models, Hataka und Ammo Mig).
Im Gegensatz zur Bauanleitung ist die dreiseitige Bemalungsanleitung vollfarbig gedruckt. Allerdings ist etwas Fantasie gefragt, weil bei jedem der sechs realisierbaren Modelle immer nur eine Seite zu sehen ist.
Die ukrainische Firma Decograph ist der Hersteller des Decalbogens. Dieser zeichnet sich durch einen sehr dünnen Trägerfilm aus. Die Nassschiebebilder sind sauber im Register gedruckt, der Überstand des Trägerfilms ist minimalst und die Farben sind satt und deckend.
Für mich sind die absoluten Highlights dieses Bausatzes die teilweise „verrückten“ Markierungsmöglichkeiten an sich. Dabei haben die Designer wirklich krasse Ideen umgesetzt.
101/1 szazad „Puma“, Ungarn, 1946
Abfangjäger-Staffel der Raffinerien in Ploesti, Rumänien, 1946
Abfangjäger-Division des Deutschen Afrikakorps, Zentralafrika, 1946
Luftverteidigungs-Batterie der Antarktik-Expedition “Clausewitz”, Antarktis, 1946
244th sentai, Japanische Luftwaffe, Pazifik, 1946
Hydra, 40. Einheit
Gebautes Modell eines Focke-Wulf Triebflügels von MiniArt in 1/35
Bildquelle: MiniArt
Fazit
Zugegeben, ich bin eigentlich kein Freund des Genres „what if“. Mir scheint es, als würden bei diesem Thema Waffenentwicklungen geradezu herbeigesehnt, die den Krieg und damit das Sterben und Leiden nur unnötig verlängert hätten, oder sogar den Kriegsverlauf hätten wenden können. Beim Triebflügel von MiniArt denke ich allerdings anders – das ist „what if extreme“ oder auch „was wäre wenn“ zum Quadrat. Gerade die drei Markierungsoptionen Afrika 1946 (die Wehrmacht hat dort am 13. Mai 1943 kapituliert), Antarktis (reine Fiktion) und Hydra (Comic) sind so absurd und fern jedes vorstellbaren Szenarios, dass ich sie schon wieder genial und durchaus witzig finde.
Der Bausatz selbst überzeugt durch eine brillante Oberflächengestaltung und eben die angesprochenen Markierungsmöglichkeiten. Und durch den Maßstab 1/35 lässt sich das Modell mit unzähligen auf dem Markt verfügbaren Fahrzeugen und Figuren zu einem tollen Diorama kombinieren.
Stefan Fraundorfer, November 2020