Zirkus Rosarius
Modell: Hawker Typhoon Mk.Ib
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Hasegawa (09059)
„Wenn Du Dich und Deinen Feind kennst, brauchst Du das Ergebnis von 100 Schlachten nicht zu fürchten“. Nun, welchen Modellbauartikel kann man schon, wie hier, mit dem Zitat eines antiken chinesischen Philosophen beginnen? Bei dieser Hawker Typhoon Ib des „Wanderzirkus Rosarius“ ist dies tatsächlich angebracht! Auf das Wissen über den Gegner als eine der wertvollsten Ressourcen im Krieg hat Sun Tsi, altchinesischer Philosoph und Militärstratege in seinem Werk „Die Kunst des Krieges“ größten Wert gelegt und dies auf die eingangs angeführte Formel gebracht.
Zur Hawker Typhoon T9+GK, 2. Staffel Versuchsverband Ob.d.L
Die hier gezeigte Hawker Typhoon Ib in den Farben der „2. Staffel des Versuchsverbands Oberbefehlshaber der Luftwaffe“ ist eine neuzeitliche Anwendung dieser Erkenntnis, hatte diese Einheit doch eine wahrhaft einzigartige Aufgabe: erbeutete gegnerische Maschinen sollten den eigenen Piloten bekannt gemacht und vorgeführt werden. Dabei tourte der Verband zu verschiedenen Einsatzverbänden. Ein wahrer „Wanderzirkus“ also, in dessen fliegendem Arsenal sich eine bunte Mischung der jeweils neuesten gegnerischen Muster fand.
Nach dem Prinzip „Kenne Deinen Feind“ versuchte man, die Stärken und Schwächen der gegnerischen Muster anschaulich zu machen, um so die eigene Taktik darauf abstimmen zu können. Besucht wurden nicht nur Ausbildungs- und Ergänzungseinheiten, sondern auch reguläre Einsatzverbände. Der unter dem Kommando Hauptmann Theodor Rosarius stehende Verband trat dabei in der Regel mit fünf oder sechs Beuteflugzeugen auf.
Schon die Entstehungsgeschichte dieser Einheit ist ungewöhnlich: Die Idee, Beuteflugzeuge eigenen Frontpiloten vorzufliegen, hatte einen prominenten Befürworter: 1943 wurde die 2. Staffel des Versuchsverband Ob.d.L auf das nachhaltige Betreiben Adolf Gallands hin aufgestellt. Zuerst in Oranienburg bei Berlin beheimatet, verlegte die 2. Staffel ab 1944 ins sicherere Göttingen. Die eigentliche Flugerprobung und technische Auswertung der der unbekannten Feindmaschinen erfolgten übrigens an der Erprobungsstelle Rechlin. Der 2. Staffel Versuchsverband Ob.d.L. oblag, natürlich in enger technischer Abstimmung mit Rechlin, die Organisation und Durchführung der Pilotenschulungen.
Im Flugzeugpark des nach ihrem Kommandeur bald als „Wanderzirkus Rosarius“ bekannten Verbandes fand sich mit der Zeit eine Sammlung höchst unterschiedlicher alliierter Maschinen, darunter P-51, Spitfire, P-38 Lightning, B-24 Liberator, B-17, oder D.H. 98 Mosquito. Zwei Hawker Typhoon wurden ebenfalls übernommen: im Frühjahr 1943 eine Mk.Ia /EJ956, die ehemals bei der 486 (NZ) Squadron flog, sowie eine Mk.Ib mit der Kennung JP548. Diese ist die Typhoon, die hier gezeigt wird.
Diese Maschine war bis Februar 1944 bei der 174. Squadron eingesetzt worden, bevor sie nach einer Bruchlandung im besetzten Frankreich von den Deutschen inspiziert und instand gesetzt werden konnte. Nach kurzer Auswertung in Rechlin kam sie in den Bestand des Versuchsverbandes, wo sie allerdings, wie zu schildern sein wird, ebenso wie die erste Typhoon nicht lange geflogen werden sollte.
Die Vorgeschichte dazu kann kurz erzählt werden: am 22. Februar musste die Hawker Typhoon EJ956 bei einem „Rhubarb“-Einsatz mit Motorschaden in der Nähe des französischen Matigny notlanden. Der Pilot, F/O Proddow konnte einer Gefangennahme entgehen und sollte wenig später unter Mithilfe der Resistance wieder zurück nach England gelangen.
Weniger Glück brachte die Maschine einem zweiten, deutschen Flugzeugführer. In den Aufzeichnungen der 2. Staffel des Versuchsverband Ob.d.L ist vermerkt: „Der Absturz ereignete sich am 28. Juli 1944 bei Meckelfeld, 5 km SE von Harburg, südlich von Hamburg“. Der Pilot der Typhoon, Fw. Herbert Gold, fand bei dem Absturz den Tod. Das Fliegen unbekannter Beuteflugzeuge war und blieb ein hochriskantes Geschäft.
Beide Hawker Typhoon des „Wanderzirkus Rosarius“ haben die gleiche Kennung „T9+GK“ getragen, wobei die ersten beiden Stellen die 2. Staffel des Versuchsverband Ob.d.L kennzeichnen. Bei der Rekonstruktion der Farbgebung gehen die Meinungen auseinander, wobei das Gelb RLM4 für die Unterseite unbestritten ist. Für meine Darstellung hier habe ich das wahrscheinlichste Aussehen gewählt. Die Oberseite ist im Farbton RLM 70 lackiert, wobei aber auch RLM 71 möglich wäre. Verwirrung bereitet in diesem Zusammenhang die erste erbeutete Typhoon aus dem Jahr 1943: bei dieser dürften die originalen grün/grauen britischen Farben an der Oberseite belassen und mit ähnlichen Farbtönen ergänzt worden sein, nur die Unterseite war im charakteristischen Gelb des „Zirkus Rosarius“ umlackiert worden. Da beide Maschinen dieselben Kennungen getragen haben, ist die Verwechslungsgefahr groß.
Zu Bausatz und Bauprozess
Die Formen von Hasegawas bekanntem und schönem Bausatz gehen auf das Jahr 1999 zurück, was, bei aller zeitlosen Qualität, nach heutigen Ansprüchen ein paar Ergänzungen nahelegt. Von Eduard existiert etwa ein recht brauchbares Ätzteilset für die „bubbletop“ Variante, das aber auch hier bei der früheren „car-door“ Version angewendet werden kann.
Besonders schlagend wird die durch diese Ätzteile erzielte Verbesserung beim prominenten Kinn-Kühler der Typhoon. Am Original gab es zwar eine erstaunliche Bandbreite an möglichen Ausgestaltungen der Kühleranlage, aber auch vor diesem Hintergrund fand ich das Aussehen der Hasegawa-Teile nicht allzu überzeugend. Die Gelegenheit, aus Ätzteilen einen neuen Ölkühler aufbauen zu können, war mir daher sehr willkommen.
Ersetzt wurden auch die Verkleidungen der Maschinenkanonen; hier erscheinen die Bausatzteile viel zu verwaschen, woran wohl auch das unumgängliche Aufbohren der Rohrmündungen nicht viel geändert hätte. Glücklicherweise war ein Satz eindrucksvoller Metallrohre von „Master“ greifbar. Verfeinert wurden die Bauteile auch noch durch das Ausbohren der Auspuffrohre sowie die Darstellung der Positionslichter durch ausgehärtetes „Crystall-Clear“. Dies ist eine Methode, die ich dem Einbau der entsprechenden fummeligen Klarsicht-Bausatzteile gegenüber inzwischen durchgängig bevorzuge.
Die Decals für diese außergewöhnliche Typhoon stammen aus dem Decalbogen „Zirkus Rosarius. Special Mission 3“ von Cutting Edge. Die wenigen Schiebebilder ließen sich ohne Probleme und mit zufriedenstellendem Ergebnis verarbeiten.
Die Beschäftigung mit dem Thema „Beuteflugzeuge“ führt zu wirklich spannenden Geschichten! Auch wenn ich die Historie des „Zirkus Rosarius“ in groben Zügen schon gekannt habe, erfährt man am konkreten Beispiel doch Erstaunliches. So freue ich mich am Ende dieses Projekts nicht nur über ein wirklich ungewöhnliches Flugzeugmodell in der Vitrine, sondern auch über neue Einblicke in die Geschichte der Fliegerei.
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer