Übersicht
Artikelbezeichnung: He 111Z-1 „Zwilling“
WWII German Glider Tug
Maßstab: 1/48
Hersteller: ICM
Material: Spritzguss, Decals
Preis: UVP € 99,99
Artikelnummer: 48260
Produktlink: He 111Z-1 Zwilling
Vertrieb: Glow2B
Einleitung
Die Heinkel He 111Z „Zwilling“ hat mich schon immer fasziniert. Alleine die Idee, zwei komplette Bomber mit einem gemeinsamen Tragflächen-Mittelstück zu verbinden, um daraus ein Schleppflugzeug für Lastensegler zu bauen, finde ich schon extrem abenteuerlich. Dank der ukrainischen Firma ICM ist es nun möglich, dieses Ungetüm in 48facher Verkleinerung zu bauen. Bisher war man in diesem Maßstab auf Umbausätze angewiesen, wollte man dieses Projekt realisieren.
Heinkel He 111Z-1 Zwilling
Box & Inhalt
Wie man sich bei so einem Monster vorstellen kann, hat die Box schon eine ordentliche Größe. Sie ist 54 cm lang, 27 cm breit und 12 cm hoch. Wie bei ICM üblich, umhüllt ein dünnwandiger Hochglanzstülpdeckel eine praktische, stabile und wiederverschließbare Klappdeckelschachtel – in diesem Fall sind es gleich zwei. Beide sind bis zum Rand mit Spritzgussrahmen gefüllt, viel Luft hat da nicht mehr Platz.
26 Spritzgussrahmen in grauem Kunststoff mit 490 Teilen
4 Rahmen mit 58 Klarsichtteilen
1 Decalbogen
32-seitige Bau- und Bemalungsanleitung im Format A4
Geschichte des Originals
Die Zwilling bestand aus zwei He 111H-6, die über ein Tragflächenmittelstück miteinander verbunden waren. An der Kopplungsstelle wurde ein fünftes Triebwerk eingebaut. Ab 1942 wurde mangels anderer starker Flugzeuge eine kleine Anzahl dieser Maschinen zum Schleppen großer Lastensegler (wie beispielsweise die Me 321 Gigant) gebaut. Dadurch wurde das gefährliche „Troika“-Schleppverfahren mit drei einzelnen Messerschmitt Bf 110 ersetzt.
Die fünf flüssigkeitsgekühlten Zwölfzylinder-V-Motoren der He 111 Z lieferten zusammen eine Startleistung von 6.700 PS, was ausreichte, einen Lastensegler vom Typ Me 321 oder drei Go 242 zu schleppen. Bei Überlaststarts waren dennoch Raketen-Starthilfen notwendig. Zum Schleppen der Me 321 wurde ein Stahlseil von 150 m Länge und 16 mm Durchmesser verwendet. Beim Schlepp mit zwei Go 242 kam für einen Segler ein 60 m und für den anderen ein 40 m langes Stahlseil zum Einsatz. Es wurden zwei Versuchs- und zehn Serienmaschinen gebaut. (Quelle: Wikipedia)
Die Zwilling hatte eine Spannweite von 35,2 m und eine Länge von 16,4 m. Die Flügelfläche betrug 147 m² und die Startmasse lag bei max. 28.400 kg. Die Schleppgeschwindigkeit mit eine Me 321 lag bei 219 km/h, alleine erreichte sie immerhin 435 km/h in 8000 m Höhe.
Bei dem hier präsentierten Modell handelt es sich nicht um die 48er Version der He 111Z-1 von ICM, sondern es ist im Maßstab 1/72 gehalten. Die Fotos zeigen aber gut die Größenverhältnisse der Maschine im Vergleich mit dem Opel Blitz Lastwagen. Gebaut und in Szene gesetzt wurde das Modell meisterhaft von Thomas Schneider.
Alle Bilder: Stefan Fraundorfer
Bausatz & Teile
Allein das Öffnen der beiden Kartons und das Betrachten der Teile auf den Spritzgussrahmen macht schon großen Spaß und man bekommt sofort Lust, mit dem Bau der Zwilling zu beginnen – zumindest erging es mir so. Die Rahmen sind in wiederverschließbaren Folien verpackt und äußerst ordentlich in den Schachteln verstaut.
Die Bauteile machen einen hervorragenden Eindruck. Sauber und akkurat gravierte Panel Lines zieren die Oberflächen. Fischhaut, Formversatz oder nennenswerten Gussgrat konnte ich nicht erkennen. Auch die produktionsbedingten Formtrennlinien, die besonders an runden Teilen ärgerlich sein können, halten sich in Grenzen. Minimale Sinkstellen gilt es hier und da zu bereinigen, z.B. bilden sich die Passzapfen am Rumpf nach außen hin ab. Relevante Auswerfermarken gilt es unter Umständen im Innenbereich zu versäubern. Notwendige Ausbesserungs- und Versäuberungsarbeiten werden sich also im überschaubaren Rahmen halten.
Alle Teile stammen aus modernem, CAD generiertem Formenbau und lassen in Sachen Passgenauigkeit keine Wünsche offen. Lediglich bei den Motoren, möchte man diese nicht offen zeigen, ist sehr exaktes arbeiten notwendig, um die Verkleidungen auch schließend anbauen zu können. So lauten zumindest einige Erfahrungsberichte. Durch den B-Stand hätte man auch einen Einblick in den Funkraum der Heinkel. Hier hat sich ICM eine detailreiche Inneneinrichtung gespart und nur das Notwendigste umgesetzt. Wer möchte, wird hier bei Eduard fündig und kann diesen Bereich sehr detailliert beleben.
Ein Thema, das vielfach bei ICM‘s He 111 – und somit auch bei der Zwilling – diskutiert wurde, sind die (vermeintlich) fehlenden Nietenreihen. Wer sich aussagekräftige Fotos der He 111-Oberflächen genauer ansieht, oder die Möglichkeit hat, die verbliebene H-20 in England oder H-16 (CASA 2.111B) in Oberschleißheim zu betrachten, der wird folgendes feststellen. Die feine Vernietung der nicht abnehmbaren Paneele und Segmente sind bei direkter Draufsicht so gut wie nicht zu erkennen. Sind diese doch so flach, dass sie nach dem Farbauftrag fast nur noch bei Streiflicht zu sehen sind. Möglicherweise hat dies auch mit Heinkel´s patentierter Sprengniettechnik zu tun.
Eine Umsetzung im Modell, mit entsprechender Betonung durch Washings, wäre also fraglich. Natürlich wäre es gerade am großflächigen Modell der He 111Z schön anzusehen und die vielen glatten Bereiche würden belebt werden (genau aus diesem Grund hätte ich mir persönlich auch Nietenreihen gewünscht). Viel sinnvoller, und dadurch bei weitem realitätsnäher, als mit kaum sichtbaren Nieten, wären gestresste Paneele und Bereiche! Die Oberfläche der He 111 hätte in dieser Disziplin einiges zu bieten. Wartungsbereiche mit Verschraubungen wurden von ICM übrigens korrekt umgesetzt. Zu diesem Thema siehe Fotos weiter oben der ausgestellten Maschine in Oberschleißheim.
Ich gebe offen zu, dass ich kein Experte der He 111Z bin. Daher zitiere ich hier Matthias Böcking von der IPMS Deutschland, der zwei markante Fehler an diesem Bausatz entdeckt hat:
1.ICM hat seinen Zwilling leider mit der frühen Pilotenkanzel ausgestattet. Die Maschinen wurden zwar aus Rümpfen der H-6 zusammengefügt, die Kanzeln waren jedoch diejenigen der Baureihe H-11, was die Sichtverhältnisse verbesserte und zu größerem Komfort bei Langstreckenflügen führte. Bei der H-6 war oberhalb von Flugzeugführer und Navigator die Verglasung unterbrochen, da sich dort das Instrumentenbrett befand. Ab der H-11 war die Kabine dann vollverglast. Dadurch ist in der Kanzel des Bausatzes die Instrumentierung nicht stimmig und auch die äußere Form ist nicht korrekt. Sämtliche Bilder von historischen Vorbildern, auf denen die Kanzeln erkennbar sind, zeigen meines Erachtens die vollverglaste Konfiguration und auch den stromlinienförmigeren A-Stand. Ein kleines Trostpflaster: Zumindest für die falsche Instrumentierung wird Eduard sehr bald Abhilfe schaffen, denn die für das Cockpit des Zwillings vorgesehenen Ätzteile (FE1090 bzw. 491090) stellen dieses Manko ab. Was die Verglasung der Kanzel angeht, muss der geneigte Modellbauer aber entweder die Kanzel polieren und nachgravieren, oder auf alternative Teile des Zurüstmarktes zurückgreifen. Ärgerlicher ist dieser Fehler umso mehr, als dass ICM die korrekten Teile bereits in seinem Baukasten für die He 111-Bausätze hat, zum Beispiel für die Version H-16.
2.Die Auspuffstutzen sind viel zu vereinfacht dargestellt, es fehlen die markanten Kühlrippen an den Seiten vollständig, die auch bei allen mir bekannten Fotos von Zwillingen feststellbar sind. Wer sich ebenfalls daran stört, der muss auch an dieser Stelle entweder selbst Hand anlegen – was bei fünf Motoren schon etwas Arbeit nach sich ziehen wird – oder aber auf die Zurüstindustrie hoffen. Leider gibt es diese Teile noch nicht!
An dieser Stelle sollte noch angemerkt werden, dass es sich bei ICM´s Zwilling um einen reinen Basiskit handelt. Der ernsthafte Modellbauer wird dieses Modell – der exzellenten Einsicht wegen – kaum ohne Upgrades, zumindest in Form von Gurtmaterial, bauen. Wenn auch sicherlich nicht die beste Lösung, aber vielleicht sollte ICM in Betracht ziehen, neben den Instrumenten, auch Gurte auf dem Decalbogen zu drucken. Dann wäre der Bausatz komplett.
Bauanleitung, Decals & Markierungsmöglichkeiten
Die Bauanleitung im schwarz/weiß/roten Design ist übersichtlich und verständlich aufgebaut, sowie exakt gezeichnet und führt in 114 Abschnitten zum fertigen Modell. Dabei ist kein Bauabschnitt überladen, wobei natürlich zu bedenken ist, dass viele doppelt ausgeführt werden müssen. Bei den meisten Teilen des Innenraums ist angegeben, wie sie lackiert werden sollten. Als Farbreferenz verweist ICM auf die Angebote von Revell und Tamiya. Damit ihr euch einen Eindruck über die Bauanleitung machen könnt, habe ich sie teilweise fotografiert.
Der Decalbogen ist sauber und gestochen scharf gedruckt. Bei einem Wartungshinweis haben sich jedoch Schreibfehler eingeschlichen. Die Nassschiebebilder ermöglichen zwei Markierungsoptionen der Deutschen Luftwaffe:
He 111Z-1, DG+DY, Ostfront, Winter 1942/43
He 111Z-1, TH+ZI, Ostfront, Frühjahr 1943 (wobei Matthias Böcking meint, dass hier ICM ein kleiner Fehler unterlaufen sein dürfte, weil es diese Kennung anscheinend nicht gegeben hat. Wahrscheinlich ist die TH+ZL (Werknummer 2697) gemeint. Wer diese Maschine bauen möchte, der kann ohne viel Aufwand die Balken der „L“ aus der Kennung der anderen Variante anfertigen.)
Rohbau einer Heinkel He 111Z-1 Zwilling von ICM in 1/48
Bildquelle: ICM
Fazit
ICM beschert uns hier ein wirklich außergewöhnliches Modell, das in der Vitrine (falls es Platz hat) und auf Ausstellungen ein echter Hingucker sein wird. Klar ist aber auch, dass sich Bau, Lackierung und Alterung nicht einfach gestalten werden. Wir reden hier immerhin von einer Länge von etwa 34 cm und einer Flügelspannweite von 74 cm! Da wird das Handling schon sehr umständlich, und der Platz am Bastel- und Lackiertisch muss auch erst einmal reichen. Ich werde die Zwilling aber trotzdem bauen, weil sie einfach ein unglaublich faszinierendes Flugzeug ist und als Modell richtig geil aussehen wird.
Stefan Fraundorfer, Juni 2020