Delta Lily
Modell: Heinkel He 111H-6
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Revell-Monogramm (85-5522)
Zum Vorbild He 111H-6 „Delta Lily“, 260. Squadron RAF
Zwei Fragen haben sich mir unmittelbar gestellt, als ich von dieser besonderen He 111 „Delta Lily“ erstmals erfahren habe: zum einen hat mich verwundert, warum die Briten einen nicht unerheblichen Aufwand getrieben haben, um diese übernommene He 111 für sich fliegen zu lassen. War denn so wenig eigenes Flugmaterial vorhanden, dass sich der durchaus riskante Betrieb – die grelle Farbgebung und übergroßen Kokarden zeugen von der Gefahr, von eigener Seite vom Himmel geholt zu werden – eines derart markant-feindlichen Flugzeuges lohnen würde?
Mein zweites Anliegen war schneller zu lösen, denn auf die Frage, wo ich Decals für diese interessante Markierungsvariante, die ich unbedingt bauen wollte, herbekommen könnte, hielt der Hersteller Exito eine gelungene Antwort in Form eines schönen Decalbogens „In Enemy Hands“ bereit.
Die Quellen, auf die ich gestoßen bin, verraten ein paar der wesentlichen Eckdaten zur „Delta Lily“. Ursprünglich zählte die Maschine zum Bestand der III./KG 4, die Kennung zeigte H5+GR. Eingesetzt in Libyen, wurde die Maschine unter mir nicht bekannten Umständen Mitte 1942 von britischen Truppen erbeutet. Sie taucht wenig später im Bestand der 260. Squadron auf, die sie anschließend für die eigene Verwendung adaptierte.
Der Umbau hinterließ deutliche Spuren: schnell zu bemerken ist die Entfernung aller Waffen, ins Auge fällt aber natürlich auch die neue Lackierung. Das Tarnmuster der Vorbesitzer blieb unangetastet, allerdings wurden zwei gelbe Heckbänder hinzugefügt und die Balkenkreuze mit improvisierten britischen Kokarden übermalt. Interessanterweise blieben dabei manche Partien so transparent, dass die alten Markierungen durchscheinen. Dies ist etwa bei den Kokarden am Rumpf der Fall, ebenso zeigt der neue „fin flash“ am Seitenleitwerk in seinem blauen Teil noch einen Rest der alten Markierung. Ob die Maschine auch in ihrer Ausrüstung wie Funkgeräten oder Instrumentierung auf britischen Standard gebracht worden ist, entzieht sich leider meiner Kenntnis.
Im Dezember 1942 ging das Flugzeug ins Arsenal der No. 211 Group, welche die nun „Delta Lily“ getaufte Maschine für Transportaufgaben verwendete. Die fordernden klimatischen Bedingungen sowie eine offensichtlich rege Benutzung durch die neuen Besitzer hinterließen deutliche Spuren, die nicht nur die alte Farbgebung weiter verbeichen ließ, sondern auch die neu aufgetragenen Kennungen sichtlich beanspruchten.
Dies kann so detailliert besprochen werden, da „Delta Lily“ offensichtlich ein recht beliebtes Fotomotiv dargestellt hat. So sind erstaunlich viele qualitätvolle Aufnahmen erhalten, die eine He 111 zeigen, die, bei allen angesprochenen Verwitterungsspuren, recht gut in Schuss gehalten zu sein scheint.
Erstaunlich auch, dass diese He 111 trotz ihrer wechselvollen Geschichte den Krieg anscheinend in einem Stück überstanden hat: ein letztes Fotodokument aus dem Jahr 1947 zeigt „Delta Lily“ auf einem Schrottplatz im ägyptischen Fanara, einem Ort nahe des Suez-Kanals. Sie wird wohl bald darauf dem Schneidbrenner zum Opfer gefallen sein.
Zum Abschluss möchte ich zur Ausgangsfrage zurückkehren: was machte die He 111 H5+GR für die neuen Besitzer interessant genug, sie für die eigene Seite wieder in Dienst zu stellen? Von ihrem Leistungsspektrum her zählte eine He 111H-6 zu diesem Zeitpunkt schon eher zum alten Eisen. Als ein H-Modell wurde „Delta Lily“ von zwei 1.200 PS starken Junkers Jumo Motoren angetrieben. Ohne Zuladung waren damit knappe 400 km/h möglich. Als maximale Nutzlast konnte die H-6 zwar 2,5 Tonnen schleppen, allerdings hatte dies massive Auswirkungen auf die Steigleistung wie die Höchstgeschwindigkeit. Zum Zeitpunkt ihres Umbaus war die He 111 dem Gegner auch schon hinlänglich bekannt; der bloße Neuigkeitswert dürfte die Briten jedenfalls nicht zur Reaktivierung dieses Flugzeuges gebracht haben.
So bleibt für mich als Erklärung eigentlich nur der Umstand, dass ein wirklicher Bedarf an Transportflugzeugen bestanden hat. Dies, gemixt mit der gewissen Exotik des Ungewöhnlichen sowie dem Triumph des Siegers, ein erbeutetes Flugzeug selbst zu verwenden, wird wohl zu dieser besonderen He 111 geführt haben. Falls die geschätzten Leser dieser Zeilen jedoch weitere Informationen zum Thema haben, wird es mich sehr freuen, Neues zu lernen und mehr über „Delta Lily“ zu erfahren!
Zum Bauprozess
Für dieses Projekt habe ich den nun schon etwas betagten, aber nicht ohne Grund mit gutem Ruf ausgestatteten Bausatz von Revell-Monogramm verwendet. Mit Blick auf dessen Erscheinungsjahr 1994 sind zwei Bemerkungen angebracht: zum einen müssen die Formen vor dreißig Jahren punkto Details und Feinheit der Strukturen als ansprechend gut empfunden worden sein, zum anderen machen heutige Erwartungen und Möglichkeiten ein paar Verbesserungen unumgänglich.
Trotzdem: die Verwendung von Ätzteilen hat sich im Wesentlichen auf das gut einsehbare Cockpit beschränkt. Dafür bietet Eduard ausgezeichnetes Material an, dessen Einsatz bei dem voll verglasten Bug durchaus Sinn macht. Darüber hinaus habe ich die Rückseiten diverser Instrumentenbretter zusätzlich verkabelt sowie Ätzteile aus der Restekiste zu weiteren Detaillierungen eingesetzt.
Was ich bei diesem Bauschritt noch nicht wissen konnte: beim anschließenden Schleifen hat sich wegen der damit verbundenen „ruppigen“ Behandlung des Modell-Rohbaus der Pilotensitz im Inneren des schon sorgsam verschlossenen und verspachtelten gläsernen Bugs gelöst. Nachdem er nun bei jeder Bewegung „Amok“ lief und weitere Teile loszuschlagen drohte – und eine Reparatur ohnehin unumgänglich war – musste ich den Glasbug aufsägen, den Sitz neu befestigen – diesmal besonders stabil! – und das ganze neuerlich verkleben, spachteln und schleifen. Die Baufotos geben Zeugnis von dieser Aktion, auf die ich durchaus gerne verzichtet hätte.
Die Passgenauigkeit der Teile kann ich leider nicht loben. Gerade rund um die mehrteilig aufgebauten Motorgondeln, aber auch bei den Anschlüssen der Tragflächen an die Rumpfunterseite gab es grobe Ungenauigkeiten, die zu einem entsprechenden Mehraufwand geführt haben.
Ansonsten ging der Bau unkompliziert von der Hand. Außen habe ich einzig noch die Auspuffanlagen gegen neue aus Resin ausgetauscht, dasselbe geschah auch mit den Reifen. Beides kann ich als durchaus lohnende und das Erscheinungsbild eindeutig verbessernde Investition empfehlen. Anschließend wurde noch das Pitot-Rohr gegen ein solches aus zwei ineinander geschobenen Spritzenkanülen ausgetauscht.
Die Decals von Exito waren wunderbar zu verarbeiten. Deckkraft, Farbton und Präzision des Drucks überzeugten, ebenso die Qualität des Trägerfilms: auch bei großflächigen Schiebebildern war jede Tendenz zum „Silbern“ schnell abgewendet.
Auch wenn ich für zukünftige He 111 Projekte auf die Bausätze von ICM zurückgreifen werde, haben mir die altehrwürdigen Formen von Revell-Monogramm große Freude und eine ganze Menge neuer Modellbauerfahrungen bereitet. Dem Thema „Beuteflugzeuge“ werde ich auch nach dieser britischen He 111 treu bleiben. Wo sonst bekommt man schon vermeintlich Altbekanntes in höchst ungewöhnlichen und farbenfroh-neuen Kleidern serviert?
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer