Heller 30705 - Renault Taxi Type AG 1/24
Box & Bausatzinhalt
- rundum farbig bedruckte, oben öffnende Klappdeckelbox
- 5 graue Spritzrahmen mit 87 Teilen
- 1 Klarsichtrahmen mit 8 Teilen
- 5 schwarze Vinylreifen
- 24-seitige, farbige Bau- und Lackieranleitung
Vorwort
Was wäre ein französischer Modellbauhersteller, ohne die für dieses Land so einzigartigen und in der Technik wegweisenden Klassiker, der frühen Tage der motorisierten Fortbewegung? Ein typisches Beispiel hierfür ist der Renault AG, für welchen die ukrainische Firma ICM kürzlich einen beeindruckenden Bausatz herausbrachte. Somit konnte man bei Heller auf eine eigene Entwicklung verzichten und verpackte den Klassiker mit neuem Decalbogen im auffallenden gelben Heller-Gewand.
Vorbild / Historie:
Der Renault Type AG war ein frühes Personenkraftwagenmodell von Renault. 1907 wurde daraus der Renault Type AG-1. Beide wurden auch 8 CV bzw. 8/9 CV im Jahre 1909 bzw. ab 1910 9 CV genannt. Mehrere tausend Exemplare wurden als Taxi eingesetzt. Das Modell löste 1905 den Renault Type Z in der Variante Type Z (b) ab. Varianten stellten der Renault Type AL und der Renault Type AN dar. Nachfolger wurde 1919 der Renault Type FD. Die nationale Zulassungsbehörde erteilte am 26. September 1905 seine Zulassung. Ein wassergekühlter Zweizylindermotor mit 75 mm Bohrung und 120 mm Hub leistete aus 1060 cm³ Hubraum 8 PS. Die Motorleistung wurde über eine Kardanwelle an die Hinterachse geleitet. Die Höchstgeschwindigkeit war je nach Übersetzung mit 34 km/h bis 46 km/h angegeben. Bei einem Radstand von 262 cm und einer Spurweite von 126 cm war das Fahrzeug 360 cm lang, 155 cm breit und 215 cm hoch. Das Fahrgestell wog 540 kg, das Komplettfahrzeug 1050 kg. Die Karosserieversion Landaulet ist überliefert. Das Fahrgestell kostete 5700 Franc. Diese Ausführung erhielt am 18. November 1907 seine Zulassung von der nationalen Zulassungsbehörde. Die Bohrung war auf 80 mm erhöht, sodass sich ein Hubraum von 1206 cm³ ergab. Die Leistung war nun mit 7 PS angegeben. Steuerklasse und Geschwindigkeit blieben unverändert. Der Radstand betrug zunächst 255 cm, ab 1910 253 cm, ab 1911 258 cm und ab 1913 258,5 cm. Die Spurweite maß 132 cm. Das Fahrzeug war zunächst 351 cm lang und ab 1911 oder 1913 375 cm. Die Breite betrug zunächst 155,6 cm, 162,5 cm ab 1910und 160 cm ab 1911 oder 1913. Das Fahrgestell kostete zunächst ebenfalls 5700 Franc. Im Dezember 1907 oder 1909 stieg der Preis auf 5900 Franc und 1913 sank er auf 5600 Franc. Ab 1912 war die Ausführung G 3 für die Taxigesellschaft Compagnie Générale des Voitures à Paris mit Linkslenkung erhältlich. Die Taxis waren üblicherweise als Landaulet karosseriert. Daneben gab es Ausführungen als Limousine, Phaeton, Doppelphaeton und Kastenwagen. Renault gründete im März 1905 die Taxi-Gesellschaft Compagnie Française des Automobiles de Place. Diese Gesellschaft nahm 1905 250 Fahrzeuge, 1906 1000 Fahrzeuge und 1909 erneut 1500 Fahrzeuge ab. Daneben gab es zwei weitere Pariser Taxigesellschaften, die bevorzugt dieses Modell abnahmen. Die Fahrzeuge dieser drei Gesellschaften erhielten unterschiedliche Kennzeichen, die auf G 2 (für die Taxigesellschaft Kermina Métropole), G 3 und G 7 endeten. Von den rund 10.000 Taxis, die 1914 in Paris existierten, waren über 80 % von diesem Modell.
Taxi de la Marne: Zu Beginn des Ersten Weltkriegs fuhren rund 1300 dieser Taxis französische Soldaten an die Front zur Ersten Schlacht an der Marne. Daher stammt der Name „Taxi de la Marne“. (Quelle Wikipedia)
Der Bausatz
Im Inneren der rundum farbig und mit Informationen bedruckten Klappdeckelschachtel befinden sich die grauen Spritzrahmen zusammen, mit nochmals zusätzlich eingetüteten Klarsichtteilen und Vinylrädern, in einer wiederverschließbaren Folie. Mit der in Farbe gedruckten Bauanleitung und dem kleinen Decalbogen ist der Inhalt dann auch schon komplett.
Die Glasteile sind hochtransparent und ohne erkennbare Mängel, sehr sauber abgespritzt. Fünf Vinylreifen sind in schwarz, ohne Haut und mit einem leichten Profil versehen. Eine Nacharbeit ist hier nicht nötig, man kann sie direkt verbauen. Filigran und ebenfalls ohne erkennbare Mängel abgespritzt, zudem mit einer vorbildlichen Reproduktion der Fahrwerksteile nebst kleinen Zweizylinder Motor versehen, versprechen die Plastikteile eine gute Passgenauigkeit und somit einen zügigen Baufortschritt. Die benötigten Auswerfermarken sind weitestgehend an die jeweiligen Innenseiten verlegt und falls sichtbar, leicht zu bereinigen.
Für die weitere Beschreibung des Bausatzes darf ich Autorenkollege Guido Veik zitieren: „Die auf dem Rahmen E angebrachten Räder mit 12 Speichen haben ein kleines Ventil und die hinteren davon 6 Verschraubungen für die Trommelbremse. Bei gerade einmal 10-12 PS reicht eine Bremsanlage an der Hinterachse aus. Aber auch 1060 kg wollen bei einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h sicher zum Stillstand gebracht werden. Ein interessantes Detail ist das Ersatzrad. Da die Felgen untereinander nicht austauschbar waren, musste der „Kutscher“ bei einer Reifenpanne Mantel und Schlauch von der Felge abziehen und komplett neu aufziehen. Die vordere Achse erlaubt dem Modell, durch die Konstruktion am Original (nach einem kleinem Umbau) ein Einschlagen der Räder. An den Verschraubungspunkten können Spezialisten noch Schraubenköpfe und Muttern links und rechts am Differenzial anbringen, nach Vorlagen noch einzelne Kabel im Motorraum hinzufügen; was angesichts einer kompletten Verkleidung der Unterseite des Motors wenig Sinn ergibt, sofern man nicht die Motorhaube abnehmbar macht. Diese Verkleidung schützte zum einem den Antriebsstrang samt Ölwanne vom Motor, zum anderen diente sie dem Auffangen von Motoröl. So gut wie kein Motor dieser Epoche war dicht. Keinesfalls kann man auch die Straßen von damals mit den heutigen Verhältnissen vergleichen. Allein die Gesamtkonstruktion gleicht mehr einer Kutsche denn der eines Automobils. Wortwörtlich kann man auch die Kotflügel nennen. Gleichermaßen fuhren Pferdegespanne samt Kutschen und die ersten Autos nebeneinander her. Pragmatisch schützten die „Flügel“ über den Reifen die Insassen vor den Hinterlassenschaften der Pferde. Apropos Antriebstrang: es befindet sich zwischen Motor und Differenzial ein Getriebe welches über dem rechts vom Fahrer angebrachten Schaltstock über eine Handkupplung betätigt wurde. Zwei vor dem Fahrer links und rechts montierte Petroleumleuchten müssen dem Modell wie auch dem Original genügen. Den hinter dem Motor angebrachten Kühler finde ich kurios, einen Einfüllstutzen für den Benzintank fand ich nicht. Ich vermute ihn unter der Fahrersitzbank. Sei es drum, dem mir zur Verfügung stehenden Bildern zum Vergleich das Design-Team sehr gute Arbeit geleistet und das Modell hervorragend umgesetzt.“
Decalbogen
Der Decalbogen ist mit satten Farben, exakt und auf dünnem Träger gedruckt. Die dem Original geschuldeten sehr wenigen Markierungen beinhalten drei verschiedene Paare an Kennzeichen.
Bauanleitung
Die Bauanleitung ist vorbildlich, in Farbe gestaltet und führt in überschaubaren 48 Schritten zum fertigen Modell. Alle Baustufen sind in angenehmer Abbildungsgröße dargestellt und mit Farbnummern zum Heller- und Humbrol-System versehen. Lobend erwähnen sollte man die ausführliche Information zum Original, was bei vielen Herstellern heutzutage gerne vergessen wird. Eine Kleinigkeit wäre da aber doch, wie bei der Original Bauanleitung von ICM wurde auch hier der Einbau der Pedale (Beiteil C16) vergessen.
Fazit
Heller traf die richtige Entscheidung und übernahm den bereits vorhandenen, sehr guten ICM-Bausatz. In puncto Auslegung und Machart ist dieser allen Bastlern zu empfehlen, auch der absolute Neuling sollte -auch der durchdachten Bauanleitung wegen- ohne Probleme einen tollen Hingucker auf die Räder stellen können. Das schlagendste Argument für den neuen Heller Kit ist allerdings der Preis! Satte 10 Euro weniger im UVP als das Original aus der Ukraine.
Diesen sehr empfehlenswerten Bausatz erhalten Sie im gut sortierten Fachhandel.
Happy Modelling,
Thomas Schneider
(Januar 2021)