Karriere: Vom Wasserflugzeug zum Jäger
Modell: Kawanishi N1K1 Shiden „George“
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Hasegawa (SP447)
Die Finger einer Hand reichen aus, um die Vertreter einer äußerst seltenen Gruppe von Flugzeugen aufzählen zu können: jenen, die von einem Wasser- zu einem Landflugzeug umgearbeitet worden sind! Grenzt man diese Gruppe noch weiter auf diejenigen Konstruktionen ein, die an ihre Umrüstung auf ein Landflugzeug auch noch eine erfolgreiche Einsatzkarriere haben anschließen können, wird der Kreis nun wirklich klein. Die erstaunliche Kawanishi N1K1 Shiden ist einer dieser seltenen Vögel und schon allein wegen dieses Umstandes einen näheren Blick wert.
Zum Vorbild
Die Bezeichnung Kawanishi N1K bezeichnet drei eng miteinander verwandte Flugzeugtypen, die ab Mitte 1942 entwickelt worden sind. Die N1K1 Kyofu ist der Ausgangsentwurf dieses Tripletts. Als ein von Beginn an als Wasserflugzeug ausgelegtes Jagdflugzeug sollte es die Offensivoperationen des zu dieser Zeit aggressiv expandierenden japanischen Kaiserreichs in pazifischen Einsatzräumen unterstützen. Weitab von befestigten Flugplätzen hätten die japanischen Marinestreitkräfte so bei amphibischen Landeoperationen Unterstützung aus der Luft. Dieses Konzept schien in die Zeit zu passen, denn mit der Adaption der legendären A6M2 zum Wasser-Jagdflugzeug A6M2-N Rufe war ein hochwertiges und von befestigten Pisten unabhängiges Jagdflugzeug entstanden.
Der im Mai 1942 absolvierte Erstflug der neuen N1K1 Kyofu fand noch zur Hoch-Zeit der japanischen Erfolge statt. Das strategische Szenario sollte sich allerdings bis zur Truppeneinführung der N1K1 Shiden nachhaltig und für Japan entschieden nachteilig geändert haben. Zu diesem Zeitpunkt, also im Juli 1943, hatte sich das Blatt bereits gewendet, womit die Absicherung von Offensivoperationen in der Inselwelt des Pazifiks nun nicht mehr im Vordergrund stand. Was Japans Marineluftwaffe nun benötigte, waren zeitgemäß schwer bewaffnete, wendige und vor allem leistungsstarke Maschinen, die es mit der neuen Generation gegnerischer Trägerflugzeuge zumindest auf Augenhöhe aufnehmen konnten.
Auch wenn das ursprüngliche operative Konzept vom Lauf der Ereignisse überholt worden war, zeigte sich doch, dass man mit der N1K1 einen grundsoliden und vielversprechenden Entwurf realisiert hatte. Für dessen Qualität spricht übrigens auch die Tatsache, dass die rund 100 gebauten N1K1 Kyofu bis Kriegsende durchaus erfolgreich eingesetzt worden sind. In einer eigenen Einheit zusammengefasst, flogen sie zuerst von Borneo und später von einem See auf der japanischen Insel Honshu aus Abfangeinsätze.
Die offensichtlichen Vorzüge der N1K1 waren schon früh erkannt worden. Bemerkenswerterweise begann man noch in den Monaten unmittelbar nach dem Erstflug des Wasserflugzeugs Kyofu mit der Umarbeitung der Konstruktion zum Landflugzeug. Dass dies mit hoher Priorität betrieben worden ist, belegt der frühe Zeitpunkt des Erstflugs der N1K1 Shiden, wie die Landversion genannt worden ist: am 27. Dezember 1942 hob das gedrungen wirkende Jagdflugzeug auf den auffallend langen Fahrwerksbeinen zum ersten Mal ab.
Die nachfolgende Erprobung machte schnell klar, dass ein überragender Wurf gelungen war. Die Verbesserungen, die man an der Shiden gegenüber der Kyofu vorgenommen hatte, steigerten die Leistung der zugrundeliegenden Konstruktion noch weiter. So war der neuentwickelte Nakajima N9K Homare als Triebwerk ausgewählt worden, dessen 1.990 PS den bulligen Entwurf auf über 580 km/h beschleunigte. Die gewaltige Triebwerksleistung konnte die N1K1 in eine außerordentliche Wendigkeit übersetzen. Eine entscheidende Eigenschaft, deren Wert durch die Innovation von automatischen Klappen, die den Piloten im Luftkampf enorm entlasteten, weiter gesteigert wurde.
Im Pazifik kam der Reichweite ebenfalls hoher Wert zu. Auch hier brillierte die Shiden mit Werten von 1.432 Kilometern ohne beziehungsweise 2.335 Kilometern mit Zusatztank. Mit dieser Reichweite war sie anderen zeitgenössischen japanischen Konstruktionen wie etwa der J2M3 Raiden entschieden überlegen. Schlussendlich muss noch die enorme – und für japanische Verhältnisse ungewohnt hohe – Feuerkraft genannt werden, welche die N1K1 Shiden zum Tragen bringen konnte: zwei 7,7mm MG im Rumpf wurden durch vier 20mm Kanonen Typ 99 in und unter den Flächen zu einer Bewaffnung mit eindrucksvoller Feuerkraft ergänzt.
Angesichts derartigen Vorzüge und des darin verborgenen Potentials überrascht es nicht, dass die N1K1 Shiden in sofortige Serienproduktion gegeben wurde. Ab Juli 1943 wurde der neue Jäger in den Kawanishi-Werken in Osaka und Himeji gebaut, wobei bis Kriegsende insgesamt 1.007 Exemplare dieses formidablen Jagdflugzeuges hergestellt werden sollten.
Die Schnelligkeit, mit der man diese innovative Konstruktion produzierte und den Fronteinheiten zuführte, forderte allerdings auch ihren Preis: so wies die N1K1 eine konstruktive Schwäche auf, die sie Zeit ihrer Existenz plagen sollte – und noch mit ihrer Vergangenheit als Wasserflugzeug zu tun hatte. Als Erbe der Kyofu blieb der N1K1 Shiden die Auslegung als Mitteldecker erhalten. Die Leistung des gewaltigen N9K Homare machte eine große Vierblatt-Luftschraube notwendig, die wiederum lange Fahrwerksbeine zur Wahrung einer ausreichenden Bodenfreiheit einforderte. Die damit verbundenen technischen Probleme erwiesen sich als nicht bewältigbar und wurden erst mit einer Neuauslegung als Tiefdecker beseitigt.
Auch das Triebwerk selbst machte Schwierigkeiten. Allzu hastig hatte man den neuentwickelten Doppelsternmotor in Produktion gegeben, sodass die nicht behobenen Kinderkrankheiten des nicht ausgereiften Triebwerks die N1K1 Shiden zusätzlich zu den kollabierenden Fahrwerksbeine begleiteten.
Zumindest für das Fahrwerksthema fand man zu einer Lösung: fast genau ein Jahr, nachdem die N1K1 Shiden zum ersten Mal geflogen war, hob die neue Variante N1K2 zum Jungfernflug ab. Diese Shiden-Kai getaufte Konstruktion war nun ein Tiefdecker. Dies in Verbindung mit einer wesentlich vereinfachten Fahrwerksanlage löste das Dauerproblem der kollabierenden Fahrwerksbeine nun endgültig. Weiters hatte man den Rumpf um einen Meter verlängert sowie die Leitwerksform überarbeitet. Schlussendlich war mit rund zwei Drittel neuer Baugruppen ein im Wesentlichen neues Flugzeug entstanden, das allerdings in seinem Namen die enge Verwandtschaft mit dem ursprünglichen N1K1 Kyofu Wasserflugzeug verdeutlichte. Von der N1K2 Shiden-Kai konnten bis Kriegsende noch 428 Maschinen ausgeliefert werden.
Mein Modell zeigt eine N1K1-J Shiden der auf den Philippinen stationierten 341 Kokutai, 402 Hikotai aus dem Jahr 1944. Bis zur Rückeroberung der Inselgruppe flogen die Maschinen von Flugfeldern rund um Manila aus. Während der Kämpfe um die Insel nutzte man zum Teil auch die Boulevards und breiteren Straßen der Stadt als Behelfspisten, da die Flugfelder zerstört waren oder unter Beschuss lagen. Die hier vorgestellte Shiden mit der Kennung 341S-23 wurde übrigens nach Einnahme der Insel gemeinsam mit anderen japanischen Maschinen auf Clark-Field nahe Manila verlassen vorgefunden und von den Amerikanern übernommen. Im Sommer 1945 gehörte die „23“ zu jenen Maschinen, die auf den Philippinen von der Technical Air Intelligence Unit/South West Pacific flugerprobt werden sollte. Für die N1K1-J „23“ begann so ein zweites Leben, das allerdings ein dramatisch schnelles Ende nehmen sollte. Aber dies wird der Inhalt eines folgenden weiteren Beitrags!
Zu Bausatz und Bauprozess
Die Hasegawa N1K1 Shiden erfüllt alle positiven Erwartungen, die man an die gediegenen Bausätze dieses Herstellers knüpft: die Passgenauigkeit ist in beeindruckender Weise über alle Zweifel erhaben, die Oberflächenstrukturen sowie die Details im Inneren des Cockpits und den Fahrwerksbuchten sind, zumindest nach heutigen Erwartungen, zumindest noch gediegene modellbauerische Hausmannskost. Last but not least führt, die Bauanleitung in klaren Schritten durch einen angenehm logisch aufgebauten Bauprozess.
Im Cockpit finden sich Sitzgurte von Eduard, ansonsten wurde der Bau diesmal wirklich aus der Schachtel ohne weitere Zurüstteile ausgeführt. Einzig das Pitot-Rohr habe ich durch zwei passende, ineinander gesteckte Nadelkanülen ersetzt. Die Decals des Bausatzes wurden vertrauensvoll verwendet, wobei mit Zugabe von ausreichend Weichmachern ein gerade noch stimmiges Ergebnis erzielt werden konnte.
Die Gestaltung einer farbig einheitlichen Oberflächenfarbe ist immer eine Aufforderung, besonders aufmerksam ein lebendig wirkendes und in verschiedenen Schattierungen gehaltenes Gesamtergebnis zu versuchen. Gerade bei japanischen Maschinen kommt der Nachstellung von Lackabrieb sowie Gebrauchs- und Verschmutzungsspuren eine besondere Bedeutung zu. Ich habe hier getreu dem Motto „weniger ist mehr“ versucht, deutlich zu werden, ohne das Ergebnis durch übertriebene Effekte zu verderben. Dazu kam wieder aufgetupftes Maskol über eine Schicht Alclad „White Aluminum“ zur Anwendung, was, nebenbei gesagt, auch den schönen Effekt hat, dass dünn aufgehauchte Farbschichten auf einer metallisierten Oberfläche bei im Original metallenen Flugzeugrümpfen einfach schön stimmig aussehen.
Für mich war dieser Bau ein wirklich schönes, kurzweiliges und erkenntnisreiches Modellbauerlebnis, dessen Reiz noch dadurch erhöht worden ist, dass parallel dieselbe Maschine als US-Beute und TAI/SWP Testmaschine gebaut wurde. Ich freue mich schon, mit der Präsentation der zweiten Maschine das Thema N1K1 Shiden vorläufig einmal abschließen zu können!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer