F-104 Starfighter -
die "bemannte Rakete"
Modell: Lockheed TF-104G Starfighter
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Hasegawa (07240)
Eine kleine Vorrede:
Dieses Modell entstand als ein Abschiedsgeschenk für einen langjährigen Bekannten: er ist der Inhaber des vorletzten reinen Modellbaugeschäftes meiner Heimatstadt. In absehbarer Zeit wird er in Pension gehen und sein Modellbaugeschäft die Pforten für immer schließen. Ein klein wenig Wehmut muss ich eingestehen, denn der Name dieses Ladens hatte seit meinen Jugendtagen Klang und Rang und war für mich über die Jahre ein oft aufgesuchter Ort sehnsuchtsvoller Besuche, entspannten Stöberns, glücklicher Käufe und natürlich guter Gespräche.
Das damit nun bald Schluss ist, illustriert eine Entwicklung, die weder neu noch unbemerkt ist, denn die Welt des Maßstabsmodellbaus hat sich in jenen Jahren gewaltig verändert! Das gilt nicht nur für die Art des Vertriebs und des privaten Einkaufs, sondern auch für die unglaubliche Bandbreite des Angebotenen, ebenso aber auch für die gebotene Qualität und die im Einklang damit gestiegenen Ansprüche. Auch die Wege des Austausches und der Kommunikation haben sich dank weltweiter digitaler Vernetzung in wahrhaft ungeahnter Weise erweitert. Wenn also auch Vieles verloren scheint, so sind wir auch um Einiges, was wir nicht mehr missen möchten, reicher geworden. Aber wer weiß, vielleicht ergeben sich in Zukunft Wege, in der sich das Beste aus den digitalen wie den analogen Welten des Modellbaus zu etwas Neuem verbinden lässt? Modellbau ist eben stets auch ein Kind seiner Zeit – ein im Grunde positiver Gedanke, den ich mit Wilhelm Buschs schönen Worten „Eins, zwei, drei, im Sauseschritt eilt die Zeit, wir eilen mit…“ beende.
Zur TF-104G
Ein Kind seiner Zeit ist auch der F-104 Starfighter. 1954 zum ersten Mal geflogen, wurde die F-104 rasch dafür bekannt, das schnellste Jagdflugzeug des Westens zu sein: 2.259 km/h erreichte die „bemannte Rakete“ bei einem Rekordversuch im Mai 1958. Technische Schwierigkeiten und eine nur zögernd anlaufende Auslieferung sorgten jedoch dafür, dass andere Entwürfe der „century-series“ wie die F-101 oder die F-106 an der F-104 vorbeizogen: die USAF beschaffte weniger Exemplare als ursprünglich geplant, so dass Lockheed sich um neue Absatzmärkte des Superjägers umsehen musste.
Ende der Fünfzigerjahre war in den NATO-Luftwaffen Europas ein Generationenwechsel überfällig. Als Zugpferd zeigte sich dabei die bundesdeutsche Luftwaffe: hier war die F-84 Thunderjet deutlich am Ende ihrer Einsatzfähigkeit angelangt. Lockheeds Werben um ein Nachfolgemuster fiel nach entsprechenden Lobbying-Aktivitäten auf fruchtbaren Boden: eine auf die europäischen Verhältnisse optimierte, als F-104G (G für Germany) bezeichnete Variante sollte als tief- und schnellfliegender Kernwaffenträger insbesondere die nuklearen Möglichkeiten der Luftwaffe ausbauen. Neben einer strukturellen Verstärkung der Zelle bekam die neue Starfighter-Variante ein leistungsfähiges Autonetics-NASARR-F15A-41B Feuerleitradar sowie das Litton-LN-3-Navigationssystem. Leistungsgesteigert wurden auch Waffenrechner, der Autopilot und das Triebwerk: hier wurde auf die schubstarke J79-GE-11A Turbine umgerüstet. Eine Anpassung an die unwirtlichen Wetterbedingungen Europas fand sich in einer Vorrichtung zum Beheizen der Lufteinläufe, um Eisbildung zu verhindern.
Die so entstandene F-104G erwies sich als großer Erfolg: bis Mitte der Sechzigerjahre flogen die Luftwaffen von Deutschland, Belgien, Holland, Spanien, Griechenland, Norwegen, Dänemark und Italien die Mach 2 schnelle Maschine. Der Lizenzbau des in Europa meist als Allwetter-Jagdflugzeug und Jagdbomber verwendeten Musters fand in Westdeutschland, Holland, Belgien und Italien statt. Eine Modifikation, die Dänemark und Italien betraf, war der Einbau des Martin Baker CQ-7 Schleudersitzes.
In Italien wurde die F-104G ab 1963 als Jagdflugzeug und Jagdbomber eingesetzt, wobei die Maschinen der Aeronautica Militare meist aus italienischer Lizenzproduktion stammten. Ergänzt wurde der Bestand von 105 italienischen F-104G durch 30 Zweisitzer TF-104G, wobei zwölf aus italienischer und ebenso viele aus US-Produktion stammten. Sechs TF-104G wurden noch zusätzlich von Deutschland geliefert. Italien war übrigens das einzige Land, in dem eine eigene Version des Mach 2 schnellen Jägers entstehen sollte. Ab 1969 setzte die Aeronautica Militare eine große Stückzahl der bei Aeritalia entwickelten F-104S ein. Diese leistungsgesteigerte Starfighter-Variante blieb noch bis 2004 im Dienst, während die F-104G und TF-104G schon 1993 ausgemustert worden waren. Das hier gezeigte Modell stellt eine nach 1969 eingesetzte TF-104G dar, die bei der 4th Stormo, 20th Gruppo geflogen wurde.
Zu Bausatz und Bauprozess
Der dem Projekt zugrunde liegende Bausatz von Hasegawa, dessen aus dem Jahr 2000 stammenden Formen hier für diese Ausgabe 2006 verwendet worden sind, erfüllt alle Erwartungen, die ich mit einem klassischen Bausatz dieses Herstellers verbinde. Das sind, wenig überraschend, beinahe ausschließlich positive Aspekte, wie eine Passgenauigkeit, die sehr nah an die Beschreibung „perfekt“ heranreicht, eine glaubhafte Detailierung und Durchbildung der Oberflächenstrukturen und ein Maß an Details in Zonen wie Cockpit und Fahrwerk/Fahrwerksbuchten, dass schon aus einem aus der Schachtel gebauten Modell eine ansehnliche Modell-Schönheit entstehen lassen kann.
Der Bau gestaltete sich daher als ausgesprochen unproblematisch und vergnüglich, einzig die für heutiges Maß zu geringe Detailtiefe führte zu einem gewissen Mehraufwand: im Cockpit kam ein Eduard Ätzteilsatz zur Anwendung, in der gut einsehbaren Bucht des Hauptfahrwerks habe ich selbst mit Draht und Kabel für ein paar Details mehr gesorgt. Da die beiden Kabinenhauben geöffnet dargestellt werden sollten, mussten aus verschiedenen Draht- und Ätzteilresten das prägnante Innenleben der Cockpithauben angedeutet werden.
Die Decals, wiewohl schon mit einem ersten Stich ins Gelbliche versehen, ließen sich wunderbar verarbeiten und wiesen diesmal nicht einmal den Hasegawa-typischen zu dicken Charakter auf.
Zum Abschluss
Ich freue mich nun, die Trainervariante dieser „bemannten Rakete“ ihrem neuen Besitzer übergeben zu können. Vielleicht stoßen wir bei dieser Gelegenheit ja auch auf die Freuden des Modellbauens an – und zwar sowohl auf jene, die wir schon erlebt haben, wie auf solche, die die Zukunft für uns noch bereithalten wird!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer