The Last in Line
Modell: Messerschmitt Bf 109G-10
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Eduard (82161)
Im Oktober 1953 standen sich in der nördlichen Adria rund um die Stadt Triest die Boden-, See- und Luftstreitkräfte Italiens und Jugoslawiens gegenüber, bereit, die Interessen ihrer Länder nötigenfalls mit Waffengewalt durchzusetzen. Triest besaß seit alters her sowohl für Italien wie für Jugoslawien höchste strategische wie wirtschaftliche Bedeutung – und 1953 schien es, als wäre man für diesen Wert auch bereit, Krieg zu führen. Mittendrin befand sich die hier gezeigte Bf 109G-10 der 83. LAP, einer Einheit der noch jungen jugoslawischen Luftwaffe. Pilotiert wurde sie von Hauptmann Franc Rupnik. Noch hatte die Diplomatie Kontrolle über die Situation, aber die Zeichen standen auf Krieg. Die Umstände, die zu dieser dramatischen Situation geführt haben, sind einerseits zeittypisch, andererseits aber auch sehr ungewöhnlich – und damit durchaus einen kurzen Blick wert!
1946 war von der UNO die Gründung eines neuen Staates, des „Freien Territorium Triest“ (FTT) – italienisch „Territorio libero di Trieste“ beziehungswiese slowenisch/kroatisch „Svobodno tržaško ozemlje/Slobodan teritorij Trsta“ beschlossen worden, um den alten Streit um den Besitz dieser bedeutenden Stadt mit einem neuen Ansatz zu beenden. Als Provisorium sollte vorerst die neue Republik FTT von zwei ungleichen Siegermächten des zweiten Weltkriegs verwaltet werden: die Briten hatten die nördliche Hälfte des Landes mit der Stadt Triest unter ihrer Verantwortung, im südlichen Landesteil traf das kommunistische Jugoslawien die Entscheidungen.
Allerdings: wie so manche Teilungspläne der jungen UNO sollte auch diese staatliche Neuschöpfung keine nachhaltige Befriedung eines Konfliktherdes darstellen. Nachdem sich 1948 Jugoslawien unter Tito mit Stalin endgültig entzweit hatte, ging es auch außenpolitisch selbstbewusst neue Wege. Das „Freie Territorium Triest“ dagegen zeigte sich auch zu Beginn der 50er Jahre noch als politisch nicht gefestigt. Der aufflammende kalte Krieg brachte eine neue, zerstörerische Dynamik in dieses instabile Gefüge. Angesichts des labilen Zustands der FTT sowie des Umstands, dass die westlich-demokratisch orientierten Briten und Italiener Titos kommunistisches Jugoslawien nun als Gegner betrachteten, hatten sich die alten nationalen Begehrlichkeiten neu entzündet und drohten nun, in einen Krieg zu münden.
Bf 109G -10, „Weiße 45“
Dass acht Jahre nach Ende des Weltkriegs noch Bf 109 bei Fronteinheiten verwendet wurden, kann durchaus erstaunen. Interessant ist ein Blick auf die Herkunft dieses Flugzeugtyps in jugoslawischen Beständen. Jene Exemplare, die Anfang der 1950er noch flogen, stammten überraschenderweise überwiegend aus Bulgarien. Jenem Land war durch den Friedensvertrag von Paris nur mehr eine stark reduzierte Luftwaffe gestattet, Jugoslawien konnte die auf diese Weise überzählig gewordenen Bf 109, überwiegend G und K, ankaufen.
Eine eigene Produktion wie etwa in der damaligen Tschechoslowakei gab es in Jugoslawien nicht, alle Bf 109 stammten daher aus deutscher Produktion. Das Aussehen der „Weißen 45“ gibt dazu sogar noch nähere Informationen: sie wurde im WNF-Werk in Wiener Neustadt produziert. Schnell erkennbar sind diese Maschinen an den langgezogenen Überwölbungen der Fahrwerksschächte in den inneren Bereichen der Tragflächen-Oberseiten.
Farbgebung wie Markierung von Hauptmann Rupniks 109 entsprechen weitgehend dem Standard der damaligen jugoslawischen Luftwaffe, nur die Tarnung mit den bei der Einheit selbst aufgebrachten braunen Flecken ist ungewöhnlich. In dieser Maßnahme, die man übrigens auch bei anderen Flugzeugen der 83. LAP findet, dürfte sich die besorgte Stimmung der in Bereitschaft gesetzten 83.LAP widerspiegeln. Von der aufgeheizten Atmosphäre erzählt aber wohl am eindeutigsten der bemerkenswerte Schriftzug, der auf die Oberseiten der beiden Tragflächen gepinselt worden war. Die Übersetzung des Spruchs lautet: „Wer unser Land angreift, wird darin umkommen“.
Die Praxis des Aufbringens von Schriftzügen mit mehr oder minder patriotischen Aussagen kennt man von sowjetischen Flugzeugen; hierin kommt die anfängliche Verbundenheit der beiden kommunistischen Staaten zum Ausdruck. Ausdruck dieser Nähe ist auch der organisatorische Aufbau der jugoslawischen Luftwaffe. Analog zum sowjetischen System sind auch hier die fliegenden Einheiten in Divisionen, Regimentern und Staffeln gegliedert. Die Bezeichnung 83.LAP, im Volltext „Lovački Aviacijski Puk – LAP“, übersetzt sich dementsprechend auch als „83. Jagdflugzeug Regiment“.
Noch im Jahr des oben geschilderten Höhepunkts der „Triest-Krise“ wurden die letzten Bf 109 aus dem Inventar der jugoslawischen Volksarmee gestrichen. Ersatzteilmangel und Überalterung der Zellen hatten bis Anfang 1954 zur Ausmusterung der letzten Exemplare dieses legendären Jagdflugzeugs geführt. Erstaunlich bleibt, wie lange Messerschmitts bemerkenswerter Entwurf in Einheiten der ersten Linie verblieben ist.
1953 war auch das Jahr, in dem sich das Schicksal des „Freien Territorium Triest“ entscheiden sollte. Schlussendlich fand man doch noch zu einer diplomatischen Lösung, die in den wesentlichen Punkten heute noch besteht: der nördliche Teil der FTT mit der Stadt Triest wurde Italien zugesprochen, allerdings unter der Auflage, der Stadt den Status eines Freihafens zuzubilligen. Der südliche Landesteil mit der Hafenstadt Koper fiel dagegen an Jugoslawien; das Experiment der „Freien Republik Triest“ war so ab 1954 Geschichte. Übrigens: ein Hinweis darauf, welche Sprengkraft dieses Gebiet auch heute noch besitzt, findet sich in den jüngsten massiven Streitigkeiten Sloweniens und Kroatiens um das Gebiet der Stadt Koper.
Zum Bau
Für die Verwirklichung dieser bemerkenswerten Bf 109G-10 habe ich auf den bewährten Bausatz von Eduard zurückgegriffen. Nicht nur dieser hat mich – wieder einmal – begeistert, sondern auch der exzellente und wirklich schön gemachte Decalbogen „The Last in Line – Messerschmitt Bf 109G-10 WNF“ aus dem Hause Exito. Die Schiebebilder ließen sich allesamt problemfrei und angenehm verarbeiten. Die hohe Qualität zeigt sich auch darin, dass selbst der markante Schriftzug von Rupniks Maschine, der ja in zwei großflächigen Stücken aufgebracht werden muss, ohne Probleme und mit gutem Ergebnis zu applizieren war.
Es ist wirklich erstaunlich, in welcher Vielfalt einem Messerschmitts Bf 109 gegenübertreten kann! Das Erstaunen wird umso größer, wenn man sieht, wie lange die 109 noch nach dem Krieg genutzt worden ist.
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer