Jack´s Burma Bitch
Modell: Noordhuyn Norseman C-64
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/72
Verwendeter Bausatz: Matchbox (40150)
Zur Noordhuyn Norseman C-64
„Norseman“ bedeutet ja auf Englisch „Normanne/Wikinger“ und tatsächlich ist der robuste Hochdecker, wie gleich zu schildern sein wird, eng mit den harten Anforderungen des Fliegens im hohen Norden verbunden, ja, im Wortsinn daraufhin zugeschnitten. Die Geschichte dieses erfolgreichen „Buschflugzeuges“ ist aber natürlich zuallererst mit dem interessanten Schicksal seines Konstrukteurs, des Anglo-Niederländers Robert B. C. Noordhuyn verbunden.
Als Sohn eines Holländers und einer britischen Mutter war er sozusagen von Geburt an ein Kind zweier Welten. Ein Umstand, der sich wohl auch in einer ungeheuren beruflich/geografischen Mobilität niederschlug: schon in jungen Jahren ging er 1913 nach Großbritannien, um bei Sopwith als technischer Zeichner erste Erfahrungen in der noch jungen Kunst des Flugzeugkonstruierens zu machen. 1919 ging es zurück nach Holland, wo er beim ebenfalls in die Heimat zurückgekehrten Anthony Fokker als Konstrukteur Arbeit fand. Nachdem der geschäftlich erfolgreiche Fokker sich bald über volle Auftragsbücher freuen konnte und in die USA expandieren wollte, wurde der fließend Englisch sprechende Noordhuyn im Jahr 1921 in die neu errichtete Produktionsstätte Telerboro in New Jersey entsandt. Hier bestand seine Aufgabe vor allem in der Entwicklung und gleich auch dem Vertrieb der „Fokker Universal“, eines für die Buschfliegerei im kanadisch/amerikanischen Norden zugeschnittenen robusten einmotorigen Transportflugzeuges. Bedarf an einer solchen Maschine war gegeben, der Verkauf der sowohl mit Radfahrwerk wie Schwimmern auszurüstenden Fokker Universal lief gut – und Noordhuyn hatte den Wert und die Vorzüge der Buschfliegerei entdeckt.
1929 wechselte Robert Noordhuyn nach Kanada zum Hersteller Bellanca, der zu dieser Zeit schon Renommee für robuste Transportmaschinen gesammelt hatte. Noordhuyn konstruierte in der Folge mit der „Skyrocket“ eine entscheidende Verbesserung von Bellancas „Pacemaker“. Der abgestrebte Hochdecker, dessen Fahrwerk der vielfältigen Natur Kanadas entsprechend auf Radfahrwerk, Schneekufen oder Schwimmer umrüstbar war, erwies sich als viel gebauter Verkaufsschlager.
Vor diesem Hintergrund wagte Noordhuyn 1934 den Sprung in die Selbstständigkeit: mit der „Norseman“ präsentierte er ein speziell auf den kanadischen Markt zugeschnittenes Transportflugzeug, in dessen Auslegung alle bei Fokker und Bellanca gemachten Erfahrungen einfließen konnten. Im Jahr darauf, am 14. November 1935 erhob sich die Noordhuyn Norseman zum ersten Mal in die Luft.
Die Norseman konnte die zukünftige Kundschaft mit satten Leistungen beeindrucken: bei einer Leermasse von rund zwei Tonnen konnte eine Ladung von knapp 1.400 Kilogramm Gewicht aufgenommen werden. Der Rumpfquerschnitt war zur Beförderung sperriger Fracht optimiert, die Auslegung als Hochdecker erleichterte dabei das Be- und Entladen. Ein P&W R-1340 mit 600 PS ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h, die Reichweite wird mit beachtlichen – und für kanadische Verhältnisse beruhigenden – 1.851 Kilometern angegeben.
In den Jahren nach dem Erstflug sollten sich Träume von einem Verkaufsschlager allerdings nicht so recht erfüllen. Nur schleppend fanden bis 1940 gerade einmal 17 Exemplare der Norseman kaufwillige Interessenten. Ein Gutteil der Produktion ging dabei allerdings an die „Royal Canadian Mounted Police“. Die „Mounties“ schätzten die Vorzüge der Norseman offensichtlich von der ersten Stunde an.
Aufatmen konnte Noordhuyn erst, als nach Kriegsausbruch die kanadische Luftwaffe 38 Exemplare zur Funker-Ausbildung im Rahmen des Empire Training-Programms orderte. Ab Anfang 1943 lastete ein Großauftrag der USAAF mit einer Bestellung von über 800 Norseman die Bücher weiter aus. Die Produktion lief auch nach 1945 weiter, die letzte von schlussendlich 918 gebauten Norseman sollte erste Anfang 1960 das Werk verlassen.
Nicht nur aus nostalgischen Gründen sondern ebenso im alltäglichen Einsatz werden Noordhuyn Norseman auch heute noch in erstaunlicher Zahl geflogen. Mit Stand 2018 sind allein in Kanada noch 40 Maschinen zugelassen. Übrigens gilt das kanadische Städtchen Red Lake, Ontario mit einer Vielzahl noch geflogener C-64 heute als „Norseman Hauptstadt“.
Im Dienst der USAAF wurde die Norseman unter der Bezeichnung C-64 geflogen. Der Typ wurde ab der zweiten Kriegshälfte in so gut wie allen Einsatzgebieten als leichter Transporter und Verbindungs- oder Lazarettflugzeug aber auch, leicht modifiziert, zur Beförderung von VIPs genutzt.
In der populären Erinnerung ist die C-64 Norseman am ehesten mit dem ungeklärten Tod des weltbekannten Komponisten und Bandleaders Glenn Miller verbunden. Am 15. Dezember 1944 bestieg er eine Norseman, um für ein Konzert in das eben befreite Paris gebracht zu werden. Über dem Ärmelkanal verliert sich die Spur der Maschine, das Schicksal Millers wie der restlichen Besatzung konnte bis heute nicht aufgeklärt werden.
Das Vorbild meiner C-64 war dagegen zu diesem Zeitpunkt auf der anderen Seite des Globus stationiert. C-64/228152 „Jack´s Burma Bitch“ – die inkorrekte Namensgebung ist hoffentlich vor dem Hintergrund des damaligen Sprachgebrauchs entschuldbar – nahm im Frühjahr 1944 vom burmesischen Asansol aus an den dramatischen Kämpfen teil, die sich rund um „Operation Thursday“, des bis dahin größten Luftandeunternehmens der Geschichte, entwickelt hatten.
Die Markierungen entstammen dem Decal Bogen 72025 „Forgotten Operations: Thursday, March 1944“ von DP Casper. Dieser gut ausgestatte Bogen hat mir schon einmal gut gedient: vor einiger Zeit konnte ich eine Waco CG-4 von Italeri bauen, die mit Markierungen eines bei „Operation Thursday“ eingesetzten Lastenseglers ausgestattet worden ist. Dies ist nun das zweite Modell aus diesem Bogen, ein drittes, eine in Burma geflogene C-47 der „Air Commandos“ wird noch folgen.
Zum Bausatz
Ich habe mich ehrlich gefreut, als ich bei einem virtuellen Einkaufsbummel für ein ganz anderes Projekt auf diesen schönen alten Matchbox Bausatz gestoßen bin. Da ich den oben genannten DP Casper Decalbogen im Hinterkopf hatte und obendrein eine gewisse Vorliebe für alte, aber feine Bausätze kultiviere, war der Erwerb schnell beschlossen.
Der Inhalt der schon etwas vergilbten Schachtel löste dann auch gleich Freude aus: Qualitäten, wie recht annehmbar gegossene Plastikteile mit eher einfach ausgeprägten Details, ein völlig leerer Frachtraum und ein sparsamst detailliertes Cockpit, versprachen einen zügigen Bau, der aber doch ein wenig Improvisationsfreude fordern würde.
Die Passgenauigkeit kann ich nur loben! Zwar habe ich alle Klebenähte verschliffen und zumeist auch verspachtelt, an vielen Stellen entsprang das aber eher der Gewohnheit als wirklicher Notwendigkeit. Etwas Mehrarbeit machte allerdings das Nachdetaillieren. So habe ich das Auspuffende aufgebohrt, die beiden mächtigen Einstiegshilfen mittig am Rumpf (zum Teil) aus Draht etwas schlanker nachgebaut sowie dem Sternmotor eine Zündverkabelung spendiert.
Insgesamt hätte das also ein relativ unkomplizierter und zügiger Bau werden können, hätte nicht das eigene Ungeschick zugeschlagen: an nur einem Nachmittag habe ich es zuwege gebracht, alle Klarsichtteile mit Kleberresten an den Fingern so zu ruinieren, dass sie nicht mehr gerettet werden konnten. Das war umso bedauerlicher, als sie hervorragend gepasst hätten und auch wirklich qualitätvolle „Klar“-Teile waren.
Nach einigen Hin und Her habe ich mich entschlossen, alle Kabinenfenster mit passgenau zugeschnittener Klarsichtfolie zu ersetzen. Eingeklebt wurde dann mit äußerst vorsichtig dosiertem „Clear Fix“ von Revell. Nach einigem Üben ging das dann bei den letzten Fenstern schon recht gut.
Der Bau der Noordhuyn Norseman war wieder ein Projekt, das mich beeindruckt hat. Die Ausmaße dieser kleinen Maschine sind es nicht, sondern, wie so oft, die Geschichten und die Schicksale, die dahinter stehen sowie die Erfahrungen und Einsichten, die man in der handwerklichen Auseinandersetzung mit diesem Modell machen darf. Den Bausatz empfehle ich, so er noch aufzutreiben ist, uneingeschränkt!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer