Die weiße Rakete
Modell: Northrop T-38A Talon
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Wolfpack (WP10012)
Elegante, schön geschwungene Formen mit hohem Wiedererkenungswert, eine brachiale Leistungsfähigkeit, die in faszinierendem Gegensatz zu ihrem grazilen Aussehen zu stehen scheint und eine langjährige Einsatzgeschichte, in der sie sich in so manchen Bereichen der westlichen Militärluftfahrt unentbehrlich gemacht hat, sichern der T-38 Talon den Status einer Ikone der Luftfahrt. Vor diesem Hintergrund ist es umso interessanter, dass die hier gezeigte Maschine mit der Seriennummer 60-0551 als eine der berühmtesten T-38 Talon gelten darf – und das aus guten Gründen, wie im Folgenden zu zeigen sein wird!
Zur T-38 Talon
Mit der ab 1960 in Serie gebauten T-38 Talon stand den US-Streitkräften erstmals ein überschallschneller Trainer zur Verfügung. Ein fantastisches Schub/Gewichts-Verhältnis ermöglichen 1.380 km/h Höchstgeschwindigkeit und eine beachtliche Steigleistung, was auch auf den doppelten Einbau des GE J85-JA Triebwerks zurückgeht. Deren gewaltig zupackende Schubkraft – zweimal 13,1 kN ohne und zweimal 17 kN mit Nachbrenner – brachte dem Entwurf schnell den passenden Beinamen „The White Rocket“ ein. Die beeindruckende Leistungsfähigkeit der T-38 kommt nicht von ungefähr: der Entwurf war als Trainervariante des seit Mitte der Fünfzigerjahre projektierten Lightweight Fighter Project abgeleitet worden. Das LF-Projekt mündete in der F-5 Freedom Fighter, der nicht nur in seinen Formen sondern auch konstruktiv der T-38 sehr nah beziehungsweise deckungsgleich war. Nachdem sich die USAF jedoch für die F-16 als zukünftiges leichtes Jagdflugzeug entschieden hatte, wurde die F-5 von Northrop für den Exportmarkt optimiert und vor dem Hintergrund des an vielen Stellen heiß gewordenen kalten Kriegs auch recht erfolgreich verkauft.
Die T-38 Talon, deren 1.187 zwischen den Jahren 1961 und 1972 gebauten Exemplare sie zum meist gebauten Jettrainer machten, wurde ebenfalls in einigen Luftwaffen der westlichen Welt verwendet: Deutschland, Taiwan, Türkei und Portugal flogen und fliegen den potenten Jet-Trainer, teils auch in bewaffneter Form. Hauptabnehmer der T-38 blieb aber die USAF. Derzeit sind noch gut 500 T-38 in den USA im Einsatz, die meisten in der jüngsten Variante T-38C.
Zum Original
Das Vorbild der hier gezeigten T-38A 60-0551 gehört dagegen der ersten Generation der Talons an. Im Mai 1961 war sie als Northrop Company Demonstrator in Le Bourget bei der Pariser Luftfahrtmesse zum ersten Mal auf großer Bühne zu sehen. Wenig später, im Oktober desselben Jahres, schrieb dieses Flugzeug Geschichte: Pilotinnenlegende Jaqueline „Jackie“ Cochran gelangen an Bord der 60-0551 sagenhafte neun Höhen- und Geschwindigkeits-Weltrekordflüge! Der Ort dafür war die bekannte Edwards AFB. Cochran gehörte seit den späten Dreißigerjahren zu den bekanntesten Pilotinnen der USA. Ihre Ruf als „Speed Queen“ geht noch auf die Zeit zurück, als sie als erste Frau das Bendix Rennen gewann. „Geschwindigkeit“ blieb weiter ein Stichwort, das man mit Cochran verband: so war sie die erste Frau, die 1953 die Schallmauer durchbrach. Mit dieser Leistung war aber nicht Schluss: mit zahlreichen weiteren „Erstmals“ und Weltrekorden verdiente sich Jaqueline Cochran eine in den Staaten bis heute anhaltende Berühmtheit, vielen gilt sie als Amerikas beste Pilotin.
Auch für die 60-0551 ging es weiter steil nach oben – und das nicht nur im übertragenen Sinn: ab 1962 diente die bewährte Maschine als Testflugzeug für zukünftige Astronauten des Mercury-Programms. Deke Slayton und Walter Schirra, zwei Astronauten der „Mercury Seven“, bereiteten sich mit dieser Talon auf ihre Aufgaben als Astronauten und die bevorstehenden Raumflüge vor. Die Maschine war zu dieser Zeit von der NASA übernommen worden und in Cape Canaveral stationiert. Am 3. Oktober 1962 wurde Walter Schirra der fünfte US-Astronaut und neunte Mensch, der den Erdorbit erreichte.
Die Maschine hatte zu dieser Zeit das hier gezeigte Aussehen angenommen: hatte Cochran die 60-0551 noch mit breiten orangen Markierungen an Bug, Heck und den Flächenspitzen geflogen, war im Dienst der NASA vom „fluoriscent orange“ nur mehr der Bereich am Bug geblieben.
T-38 Talons und die NASA sollten seit diesen Tagen eine lang anhaltende Verbindung eingehen. Im überschallschnellen Zweisitzer fand die „National Aeronautics and Space Administration“ ein ideales Übungsflugzeug, Testplattform und „chase plane“. Die schnelle Talon eignete sich hervorragend, um die verschiedenen X-planes und anderes fliegende Testgerät zu begleiten und optisch zu überwachen – zumindest solange sich diese in der Erdatmosphäre aufhielten!
Bis heute sind die T-38 Talons bei NASA-Missionen mit dabei und erfreuen sich beim fliegenden Personal größter Beliebtheit. Eine Bemerkung, wie es sich anfühlt, in einer T-38 den Himmel zu stürmen, hat mir besonders gefallen: „es fühlt sich an, als wäre man in einen Sportwagen gestiegen – einer, der Mach 1.3 schnell ist!“
Die T-38A mit der Seriennummer 60-0551 ist bis heute erhalten: sie steht in der Smithsonian Institution, Steven F. Udvar-Hazy Center. Sie zeigt nicht mehr die Markierungen von 1962, sondern ist in den Farben des Sacramento Air Logistics Center der McClellan Air Force Base gehalten.
Zu Bausatz und Bauprozess
Selten findet man einen Bausatz, der zwar die üblichen drei Markierungsoptionen zeigt, diese aber ein und demselben Flugzeug zugehören! Wolfpack hat sich in diesem 2017 erschienen Bausatz für diese reizvolle Idee entschieden und dem Modellbauer damit drei attraktive Alternativen rund um die ereignisreiche Einsatzzeit einer der bekanntesten Northrop T-38 zur Wahl gestellt.
Die Formen stammen von Wolfpack selbst, diese wurden 2013 zum ersten Mal veröffentlicht. Ich erlaube mir, meine Bemerkungen kurz zu halten: dem Besitzer dieses Bausatzes erwartet gediegene Gussqualität, sehr gute Passung und ein Maß an Detailierung, mit dem man durchaus leben kann. Überragend ist die Detailtiefe jedoch nicht.
Positiv aufgefallen ist mir die passgenaue und fein herausgearbeitete Darstellung des komplexen Scharniers für die vordere und hintere geöffnete Cockpithaube. Ein Vergleich mit anderen Herstellern, etwa Trumpeter, fällt sehr günstig aus.
Nachdem es mich hier gereizt hat, ein zur Eleganz der T-38 Formen passendes „Schmuckstück“ zu versuchen, kam ich nicht umhin, ein wenig bei den Details nachzulegen: so sind hier ein Ätzteilsatz von Eduard für das Cockpit verbaut, die Bremsklappen wurden ebenfalls aus Ätzteilen aufgebaut und das gesamte Heck hinter der Seitenruderkante, nozzles inklusive, stammt von ResKit.
Den Erwerb des Bausatzes kann ich auch im Hinblick auf die interessanten Vorlagen wärmstens empfehlen, ebenso auch den Einsatz des einen oder anderen Nachrüstteils. Die Auswahl für die T-38 ist diesbezüglich ja ohnehin recht groß. Wolfpacks Darstellung der T-38A 60-0551 ermöglicht jedenfalls eine anregende Begegnung mit faszinierenden Aspekten der Testfliegerei in den USA, sei es als Air Force Maschine oder im Einsatz der NASA!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer