Übersicht
Artikelbezeichnung: Pz.Kpfw.IV Ausf. J Nibelungenwerk
Late Prod. (Jan – Feb 1945), Interior Kit
Maßstab: 1/35
Hersteller: MiniArt
Material: Spritzguss, Fotoätzteile, Decals
Preis: ca. € 60,–
Artikelnummer: 35342
Produktlink: Panzerkampfwagen IV Ausf. J
Download: Bauanleitung
Einleitung
Es freut mich sehr, in diesem Bericht einen wirklich genialen Bausatz der ukrainischen Modellschmiede MiniArt vorstellen zu dürfen, der Ende 2020 in die Händlerregale kam. Dabei handelt es sich um den Panzerkampfwagen IV Ausf. J, der Anfang 1945 im Nibelungenwerk hergestellt wurde. Dieses Panzer-Montagewerk lag im niederösterreichischen St. Valentin. Eines der Highlights dieses Kits ist die vollständige Inneneinrichtung, die dem Modellbauer viele Möglichkeiten bietet, z.B. können damit Wartungsszenen in Dioramen authentisch umgesetzt werden.
Pz.Kpfw.IV Ausf. J


Box & Inhalt
Den praktischen, aber etwas dünnwandigen Stülpkarton ziert eine detailreiche Grafik eines Panzer IV, der gemeinsam mit Grenadieren im Kampfeinsatz steht. Die Box ist randvoll mit unterschiedlich großen Spritzgussrahmen. Wer sie aus der umschließenden Zellophanverpackung nimmt, wird sie garantiert nicht mehr darin unterbringen können.
68 unterschiedlich große Spritzgussrahmen in grauem Plastik
1 Rahmen mit transparenten Teilen
2 Fotoätzteilplatinen
1 Decalbogen
44-seitige, teilweise in Farbe gedruckte Bauanleitung im Format A4
Geschichte des Originals
Die Geschichte des Panzerkampfwagens IV, von dem in allen Varianten über 8.500 Stück gebaut wurden, ist in der Literatur und im Internet sehr gut dokumentiert. Daher beschränke ich mich hier nur auf ein paar Worte zur Ausführung J:
Im Februar 1944 erschien mit der „Ausführung J“ die letzte Serie des Panzerkampfwagens IV. Unter dem Aspekt der Ressourcenverknappung lag die Priorität auf einer Produktionsvereinfachung. Als taktischer Nachteil galt der Wegfall des elektrischen Turmschwenkwerkes, wodurch der Turm nun per Hand gedreht werden musste. Stattdessen wurde ein zusätzlicher Tank zur Reichweitenerhöhung eingebaut. Die Seitenschürzen bestanden größtenteils aus einem Drahtgeflecht (Thoma-Schürzen), was deren Wirkung aber nicht einschränkte. Statt vier Stützrollen hatte das Fahrgestell ab Dezember 1944 nur noch drei; diese hatten aus Mangel an Buna serienmäßig keine Gummibandagen mehr. Der große außen angebrachte Auspuffendtopf wurde ab September 1944 durch zwei einfache, nach oben gerichtete Rohre ersetzt. Dieses Modell wurde anfangs noch von VOMAG, später nur noch vom Nibelungenwerk – faktisch bis zum Kriegsende – produziert. (Quelle: Wikipedia)
Die Originalfotos zeigen den Panzer IV in unterschiedlichen Ausführungen und wurden 2011 in England im Tank Museum Bovington und bei der War and Peace Show, sowie 2019 in der Normandie aufgenommen.
Bausatz & Teile
Beim Betrachten der unzähligen Teile auf den vielen, unterschiedlich großen Spritzgussrahmen möchte man am liebsten sofort mit dem Bau des Modells beginnen. Die hervorragende Qualität und die Fülle an Details sind unglaublich. Schon bei der ersten Durchsicht fällt sofort auf, dass die Wanne und der Turm nicht in einem Stück gegossen wurden, wie es bei vielen Panzerbausätzen anderer Hersteller üblich ist. Beim Pz.Kpfw. IV von MiniArt wird praktisch das gesamte Modell aus Einzelteilen aufgebaut. Das mag auf so manchen Modellbauer abschreckend wirken – bedeutet es doch, dass sehr exakt gebaut werden muss, um später keine Spalten und/oder Verzug korrigieren bzw. hinnehmen zu müssen. Diese Auslegung hat aber dafür den Vorteil, dass man für den Einbau der Inneneinrichtung genügend Platz zum Arbeiten hat, bevor die Seitenwände angebaut werden.
Der Bau des Panzers beginnt mit der Unterwanne, die mit Details geradezu vollgestopft wird. Ich bin nicht der große Panzerexperte, aber für mich sieht es so aus, als ob MiniArt alles umsetzt, was auch am Original vorhanden war – zumindest kann da nicht mehr viel fehlen, so voll wird es z.B. im Fahrerraum. Am besten schaut ihr euch weiter unten die Bilder von der Inneneinrichtung an und ihr werdet sehen, was ich meine. Das dominante Getriebe zwischen Fahrer- und Funkerplatz mitsamt den Lenkgetrieben ist eine Wucht. Auch die Halterungen für die Munition und die Granaten selbst dürfen natürlich nicht fehlen. Letztere liegen in vier Ausführungen bei und Decals sorgen hier für den letzten Schliff.
Auch der Maybach-Motor wird super detailliert aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt und mit diversen anderen Gerätschaften im Motorraum verbaut. Erst im Abschnitt 38 beginnt der eigentliche Zusammenbau der unteren Panzerwanne. Auch der obere Teil der Wanne, also der Panzeraufbau, besteht aus mehreren Einzelteilen. Wie schon erwähnt, ist auch hier sauberes und genaues Arbeiten notwendig. Eine Inneneinrichtung macht natürlich nur dann Sinn, wenn man davon auch etwas sehen kann. Daher ist es nur logisch, dass MiniArt sämtliche Luken so konstruiert hat, dass sie auch geöffnet angebaut werden können.
Auch das Laufwerk ist in Punkto Detaillierung kaum zu überbieten. So sind z.B. auf den Rollwagen die Produktionsnummern und auf den Gummiauflagen der Laufrollen die Herstellerbezeichnung „Continental“ aufgeprägt. An Stützrollen stehen fünf verschiedene Versionen zur Verfügung und bei den Leiträdern kann man aus zwei Arten wählen. Hier stellt sich mir zwar die Frage, welche Version denn nun für das Nibelungenwerk typisch war, kann mir aber auch vorstellen, dass zu Kriegsende einfach angeschraubt wurde, was gerade verfügbar war. MiniArt gibt hier keine Antwort. Übrigens kann die Aufhängung der Laufrollen beweglich gestaltet werden. Die beiliegenden Ketten wurden natürlich auch sehr detailliert produziert. An manchen Gliedern muss etwas Fischhaut entfernt werden, dafür sind feine Produktionsnummern aufgeprägt. Die Gleisketten können mit den beiliegenden Bolzen, die von zwei Seiten eingeschoben werden, beweglich gebaut werden. Dem Kit liegt auch eine Lehre bei, die den Zusammenbau der Ketten vereinfacht.
Der Turm wird mit der Kanone und allem anderen drum und dran zu einer weiteren Detailorgie. Durch geöffnet angebaute Luken wird man davon auch einiges sehen können. Das Kanonenrohr ist einteilig ausgeführt, was eventuell entstehende hässliche Klebenähte von vornherein ausschließt. Bei der Mündungsbremse kann man aus vier Modellen wählen, die sich allerdings nur minimal voneinander unterscheiden. Auch der Staukasten am Heck des Turms kann geöffnet dargestellt werden und man kann ihn so mit diversem Gerödel füllen. Die Thoma-Schürzen werden aus Fotoätzteilen aufgebaut und werden am fertigen Modell super aussehen.
Bauanleitung, Decals und Markierungsmöglichkeiten
Dass sich ein Panzermodell mit hunderten Teilen nicht in wenigen Schritten bauen lässt, ist selbstredend. Daher ist die Bauanleitung klar in 147 (!) Abschnitte strukturiert. Die sehr exakten Zeichnungen sind in schwarz, weiß und grau gehalten. Damit ihr euch ein Bild von der Bauanleitung machen könnt, zeigen wir sie hier in Ausschnitten. Als etwas nervig könnte sich beim Zusammenbau die hohe Anzahl an Spritzgussrahmen herausstellen, da kann man schnell den Überblick verlieren.
Sehr lobenswert finde ich auch, dass vor allem im Innenraum praktisch alle Einzelteile bzw. Baugruppen mit einem Farbcode versehen wurden, man muss also nicht laufend recherchieren, welche Farbe man auftragen soll. MiniArt bezieht sich bei der Farbangabe gleich auf sechs Hersteller, nämlich Vallejo, Mr. Color, AK RC, Tamiya, AMMO MIG, und Mission Models.
Der Decalbogen hält Markierungen für fünf verschiedene Versionen bereit. Der Nassschiebebilder wurden von der ukrainischen Firma Decograph gedruckt und macht einen recht guten Eindruck. Der Trägerfilm sieht sehr dünn aus und der Überstand ist nicht besonders groß. Nur unter der Lupe sind minimale Unsauberkeiten zu erkennen.
Auf Seiten 2, 3, und 42 – 44 der Bauanleitung findet man die fünf farbigen Markierungs- und Bemalungsmöglichkeiten im 4-Seiten-Riss. Durch die gut gemachte farbige Illustration hat man auch schon einen ersten Ansatz, wie man den Panzer altern könnte. Folgende Optionen stehen zur Auswahl:
31. Panzerregiment, 5. Panzerdivision, Ostpreußen, März 1945
Nicht definierte Einheit, Jedwabne, Polen, Frühling 1945
Nicht definierte Einheit, Deutschland, Frühling 1945
Nicht definierte Einheit, Deutschland, Frühling 1945
11. Panzerdivision, Deutschland, Mai 1945
Gebautes Modell eines Pz.Kpfw. IV Ausf. J von MiniArt in 1/35
Bildquelle: MiniArt
Inneneinrichtung eines Pz.Kpfw. IV Ausf. J von MiniArt in 1/35
Bildquelle: MiniArt
Fazit
Der Panzerkampfwagen IV Ausf. J in 1/35 von MiniArt ist ein phänomenaler Bausatz! Mit den scheinbar unendlich vielen Teilen ist der Bastelspaß für eine ganze Weile sichergestellt. Die unglaubliche Qualität macht diese Zeit dann auch noch zu einem echten Vergnügen. Die im Bausatz befindlichen Fotoätzteile lockern das Plastikkleben auf, sind allesamt sinnvoll und erhöhen den Realismus. Aufgrund der hohen Teileanzahl, der Einzelgliederkette und der teilweise recht filigranen PE-Teile, empfehle ich diesen Bausatz dem erfahrenen Modellbauer – aber auch dem muss klar sein, dass der Zeitaufwand bis zum fertigen Modell recht hoch sein wird und sich der Zusammenbau inklusive der Bemalung der Inneneinrichtung als ziemlich komplex herausstellen wird.
Das Prädikat „overengineered“ trifft auf diesen Kit teilweise sicher zu, aber wollen wir nicht alle Details, Details und nochmal Details? Und genau das liefert uns MiniArt!
Aber das ist derzeit leider nur Nebensache. Ich hoffe, dass die Mitarbeiter von MiniArt und ihre Angehörigen den durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieg Putins den Umständen entsprechend gut überstehen und sie nachher nicht unter der Knechtschaft Russlands leiden müssen.
We stand with Ukraine!
We stand with MiniArt!
Stefan Fraundorfer, April 2022