Supermarine Spitfire PR Mk IV
Modell: Supermarine Spitfire PR Mk IV
Gebaut von: Werner Scheibling
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Airfix (A05126)
Vorspann
Die Inspiration zum Bau dieser photo reconnaissance – Spitfire, also einer unbewaffneten Fotoaufklärer- Variante, ereilte mich auf eher ungewöhnliche Weise: Als ich mal wieder in meinem Bücherregal nach einem lesenswerten Flugzeugbuch stöberte, fiel unbeabsichtigt ein dünnes Heftchen zu Boden: Ein ‚On Target‘- Profile, ganz den PR-Versionen der berühmten Supermarine Spitfire gewidmet.
Ich erinnerte mich: das Büchlein hatte ich vor einigen Jahren recht billig auf einem Modellbau-Flohmarkt in England erworben; dort führte es in der ‚chuck-out-box‘ (zu Deutsch etwa: ‚der alles-muss-raus-Karton‘) des Händlers ein angestaubtes Dasein. Zu Unrecht, wie ich immer noch finde. Auf Seite sechs fand ich eine interessante farbige Risszeichnung einer ‚Spitfire Type PR Mk. ID Trop‘ mit der Werksnummer ‚BR 416‘, den verlängerten Tragflächenrandbögen der serienmäßigen HF (High Flyer)-Modelle, fast ganz in Weiß und mit azurblauen Oberseiten. Die wollte ich bauen!
Wie es aber nun mal meine Natur ist, macht es mir Vergnügen, meine Modellbauprojekte so gründlich, wie es Referenzliteratur und das Internet heute eben zulassen, zu recherchieren. Dabei fand ich recht schnell heraus, dass von meinem Objekt der Begierde zwei durchaus aussagekräftige zeitgenössische Fotos im Internet kursieren. Ich kam aber auch zu dem eher erstaunlichen Ergebnis, dass es sich bei der Maschine sicher nicht um eine PR Mk ID handelte, die (mit allergrößter Wahrscheinlichkeit) auch nicht die Werksnummer BR 416 trug, weder oberseitig azurblau lackiert war und auch nicht die serienmäßigen HF-Tragflächenrandbögen trug. Wie ich zu diesen kühnen Behauptungen komme, werde ich im nächsten Abschnitt versuchen zu erläutern.
Historisches
Aus Gründen des Copyrights möchte ich die nachfolgend von mir beschriebenen historischen Fotos lieber nicht in meinen Artikel einbauen. Sie sind aber per Google-Recherche mit den Suchbegriffen ‚Spitfire PR Mk IV‘, ‚photo reconnaissance‘ und ‚BR 416‘ relativ leicht zu finden. Die beiden eben erwähnten Fotos wurden offensichtlich kurz hintereinander aus leicht variierenden Blickwinkeln aufgenommen, wie die Anwesenheit desselben Piloten auf beiden Bildern suggeriert. Die Örtlichkeit ist eindeutig identifizierbar: Im Hintergrund des ersten Fotos ist ein unverwechselbares Bauwerk zu erkennen. Die Briten nennen es heute noch ‚Marble Arch‘, der Marmorbogen.
Erbaut hatten diese Monstrosität einst die italienischen Kolonialherren auf Anordnung des Generalgouverneurs von ‚Italienisch-Libyen‘, Italo Balbo. Der ‚Arco dei Fileni’ stand genau auf der Grenzlinie zwischen den antiken Provinzen Tripolitanien und Cyrenaika, wo er die in Ost-West-Richtung verlaufende Küstenstraße, den heutigen ‚Libyan Coastal Highway‘ überspannte. Im Jahr 1973 ließ der libysche Diktator Muammar Al-Gaddhafi das verhasste Monument aus der Kolonialzeit dem Erdboden gleichmachen. Aber ich glaube, ich schweife ab…
Leider sind beide Fotos nicht sonderlich scharf durchgezeichnet. Das muss nicht unbedingt die Schuld des zeitgenössischen Fotografen sein, sondern kann auch an einem Scan mit zu geringer Auflösung liegen oder an einem mehrfachen Abspeichern des Scans im JPEG- Modus. JPEG ist ein äußerst tückisches Bildformat und z.B. in den Vereinigten Staaten für forensische Zwecke nicht zugelassen. Durch den Komprimierungsmodus des JPEG-Bildformats entstehen Abbildungsungenauigkeiten, die bei einem Urlaubsschnappschuss unbedeutend sind, aber bei feinen Bilddetails zu irreführenden Artefakten führen können; vor allem dann, wenn diese feinen Details vertikale oder horizontale Linien sind.
Meines Erachtens ist von der Werknummer die Zeichenfolge BR 41(x) relativ unstrittig erkennbar, aber die letzte Ziffer könnte außer einer 6 auch eine 0, 3, 5, 8 oder eine 9 sein. Morgan und Shacklady listen in ihrem Kompendium über die Spitfire (s. letztes Kapitel, Referenzmaterial) sämtliche je an Spitfire aller Marks vergebenen Werknummern auf. Demnach waren alle Spitfire der Serie BR ab 410 bis einschließlich 419 Fotoaufklärer vom Typ ‚PR Mk IV tropicalised‘. Diese Maschinen liefen sämtlich im Zeitraum April / Mai 1942 vom Band.
Nach der Einnahme des Flugfelds am Arco dei Fileni durch britische Truppen am 17. Dezember 1942 wurde daraus der ‚Landing Ground Marble Arch‘ der britischen Desert Air Force, sodass die beiden historischen Fotos wahrscheinlich um diese Zeit entstanden sind.
Warum bin ich nun der Meinung, dass die Kennung BR 416 für diese Maschine unzutreffend ist? Ich stieß bei meinen Internetrecherchen auf zwei weitere Fotos, die Maschinen mit dieser Bezeichnung zeigen (sollen). Die Maschinen unterscheiden sich aber in technischen Details, bzw. in der Lackierung vom Vorbild meines Modells. Ein Foto zeigt zweifellos, da gestochen scharf, die wahre BR 416. Sie ist im Unifarbton ‚Royal Blue‘ lackiert und unterscheidet sich z.B. an den Auspuffstutzen und den Tragflächenrandbögen von unserer Maschine. Das Bild soll am Mariyut Airfield in der Nähe von Alexandria/Ägypten entstanden sein. Außerdem trägt diese Maschine den weißen Kennbuchstaben X hinter der Rumpfkokarde.
Das nächste Foto zeigt ebenfalls eine PR Mk IV, wobei die Werknummer auch hier BR 416 sein könnte. Man sieht sehr schön, dass der Rumpf der ab Werk ‚Royal Blue‘ lackierten Maschine nachträglich in einem weißlichen Farbton teilweise überlackiert wurde. An der Demarkationslinie am Rumpfrücken kam offensichtlich eine wellenförmig zugeschnittene Schablone zum Einsatz. Im Bereich des Rumpftanks blätterte diese Farbe bereits ab (wahrscheinlich angelöst durch übergelaufenes Benzin aus dem Haupttank), wodurch das ursprüngliche ‚Royal Blue‘ wieder zum Vorschein kam. Die Oberseite der linken Tragfläche ist in einem Farbton gehalten, der von der Graustufe her zu urteilen nicht weiß, aber sehr viel heller als ‚Royal Blue‘ war.
Das Vorbild meines Modells wurde hingegen ohne Schablone mit der Spritzpistole weißlich überlackiert, was am weichen Farbübergang zum dunkelblauen Rumpfrücken und zu den dunkelblauen Tragflächenoberseiten erkennbar ist. Der Lackierer hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Propellerblätter am Übergang zum Spinner abzudecken.
Eine definitive Schlussfolgerung möchte ich an dieser Stelle nicht ziehen; dafür hätte ich noch erheblich länger recherchieren müssen. Der geneigte Leser, Hobbyhistoriker und Modellbaufreund möge meine Gedanken als Anregung für eigene, weiterführende Überlegungen aufgreifen.
Technische Besonderheiten der PR Mk IV
Der Fotoaufklärer Spitfire PR Mk IV entstand aus der ursprünglichen PR Mk ID (sprich: Eins D). Wie bei Supermarine üblich, bezeichnete der Zusatzbuchstabe hinter der Mark-Nummer die Art der verwendeten Tragfläche (mit verschiedenen standardisierten Bewaffnungskombinationen oder auch ganz ohne Bewaffnung).
Die ‚D‘-Tragfläche (Super Long Range) zeichnete sich durch je einen in die Flügelnasen integrierten Kraftstofftank mit einem Fassungsvermögen von je 66,5 Gallonen (302,3 Liter) Flugbenzin aus. Addiert man die 85 Gallonen Fassungsvermögen der beiden serienmäßigen Rumpftanks, konnte die PR Mk IV also mit 218 Gallonen (991 Liter) Flugbenzin / 100 Oktan betankt werden, was ihr zu einer Reichweite von rund 2000 Meilen verhalf. Die PR Mk IV hatte daher bei ihren Besatzungen sehr schnell den Spitznamen ‚the bowser‘ (‚der Tankwagen‘) weg.
Um die Ölversorgung des Triebwerks bei derartigen Langstreckenflügen sicherzustellen, war im Hohlraum des Waffenschachts der linken Tragfläche ein zusätzlicher Öltank mit einem Fassungsvermögen von 18 Gallonen (81,8 Liter) eingebaut. Die markante tropfenförmige Ausbuchtung an der Unterseite der Tragfläche schuf Platz für die Ölpumpe des Trockensumpfs. Im Hohlraum des Waffenschachts der rechten Tragfläche war bei den Trop-Versionen ein Survival-Kit mit einem kleinen Schlauchboot und Trinkwasser eingebaut.
Alle PR Mk IV der BR-Serie liefen zusammen mit Mk V- Jägern vom Band und waren mit einem Rolls-Royce Merlin 46 von 1415 bhp Nennleistung ausgerüstet. Die Funkausrüstung bestand aus einem Sender-/Empfängerset vom Typ TR 1133 im VHF-Band. Für diese Anlage genügte ein Antennenstab, der in den hohlen Spitfire-Antennenmast integriert war. Diese Maschinen hatten also keinen vom Mast zum Seitenruder verlaufenden Antennendraht mehr. Man erkennt diese Konfiguration ganz einfach, da der Ankerpunkt auf dem Seitenruder fehlt. Bei der PR MK IV verzichtete man auch auf die IFF-Funkanlage (Freund-Feind-Erkennung). Daher findet man bei diesen Maschinen auch keine von den Rumpfseiten zu den Höhenflossen gezogenen Antennendrähte.
Maschinen in ‚Trop‘-Ausführung waren ab Werk mit dem bauchigen ‚Vokes‘-Ansaugluftfilter ausgerüstet, was diesem eleganten Flugzeug das Aussehen eines vollgefressenen Pelikans verlieh (meine ganz persönliche Meinung). Jetzt kommt das Stichwort ‚Aboukir‘ ins Spiel.
Nordöstlich von Alexandria/Ägypten findet sich auch heute noch auf einer kleinen Landzunge der Flecken Aboukir oder Abu Qir. Dort unterhielten die Briten eine große Wartungs- und Instandsetzungseinheit für ihre Desert Air Force, die 103 MU (Maintenance Unit 103). Es müssen dort seinerzeit einige begnadete Techniker und Mechaniker Dienst verrichtet haben. In Eigeninitiative entwickelten und bauten sie in Handarbeit einen deutlich eleganteren, strömungsgünstigeren und genauso effektiven Ansaugluftfilter, der bei der RAF nur der ‚Aboukir-Filter‘ genannt wurde. Nach und nach wurden Spitfires in diesem Frontabschnitt auf den neuen Filtertyp umgerüstet. Beim Betrachten zeitgenössischer Fotos fiel mir auf, dass sich die Filter in der äußeren Formgebung durchaus geringfügig unterschieden. Es war wohl jeder Filter ein Einzelstück.
Doch damit nicht genug. Die Techniker der 103 MU entwickelten und bauten auch vergrößerte Tragflächenrandbögen, die sie einigen Spitfires, die besonders hoch fliegen mussten, angedeihen ließen (wenige Spitfire Mk VC zum Abfangen des in ca. 12000 m Höhe fliegenden Höhenaufklärers Junkers Ju 86 P-2 sowie diverse PR Mk IV). Diese Umrüstung ist bei Morgan und Shacklady auf Seite 157 belegt (Zitat: ‚Finally, extended wing tips of local manufacture were added’).
Im Unterschied zu den später bei Supermarine verbauten, vergrößerten Randbögen der HF-Modelle hatten die ‚Aboukir-wing tips‘ eine gekrümmte, der Spitfire-Tragflächenkontur folgende Formgebung und keine Positionsleuchten. Dies ist das auffälligste Unterscheidungsmerkmal.
Natürlich wurde auch der Rolls-Royce Merlin 46 mit allen klassischen Tuningtricks überarbeitet: Leichte Erhöhung der Kompressionsrate, Polieren von Brennräumen, Ein- und Auslasskanälen und Ventilen. Damit ließ sich das Aggregat noch einige Extra-PS entlocken. Diese verliehen der PR-Spitfire, zusammen mit der vergrößerten Spannweite, ein paar km/h mehr Höchstgeschwindigkeit bei maximaler Dienstgipfelhöhe.
Bei manchen PR Mk IV wurden sogar die Blechstöße gespachtelt und geschliffen, um den Luftwiderstand so niedrig wie möglich zu halten. Bereits ab Werk war die PR Mk IV mit einer einteiligen, rahmenlosen Frontscheibe und einer Cockpithaube mit tropfenförmigen, seitlichen Ausbuchtungen ausgestattet. Dem Piloten sollte so die bestmögliche Rundumsicht ermöglicht werden. Die vorgesehenen Kamera-Bestückungsvarianten wurden als W-, X- oder Y-Installation standardisiert.
Die universellste Variante war die X-Installation (wie auch in meinem Modell dargestellt): Zwei F24-Motorkameras mit je einem 14-Zoll-Objektiv ( = 355,6 mm Brennweite) fotografierten senkrecht nach unten; allerdings waren die Kameras um je 8 ½ Grad zur Vertikalen nach links und rechts außen gerichtet (‚split vertical‘). Hierdurch wurde ein erheblich größerer Bildausschnitt möglich und zwei zusammengehörige Fotos konnten in einem Stereoskop dreidimensional ausgewertet werden. Eine weitere F24-Kamera fotografierte im rechten Winkel zur Flugrichtung schräg nach links unten. An diese Kamera war entweder ein 14-Zoll-Objektiv oder ein 8-Zoll Objektiv (=203,2 mm Brennweite) angesetzt.
Der Bausatz
Da in meinem Ersatzteillager ein ‚New Airfix‘- Bausatz der Spitfire Mk I, eine nie vollendete Tamiya-Spit Mk V trop aus den 90ern und dazugehörige Resin-Zurüstteile dümpelten, dachte ich, ich könne mir die Geldausgabe für den neuen High-End-Bausatz von Tamiya sparen. Diese meine schwäbische Sparsamkeit hat mir im Laufe dieses Projekts allerdings mehrfach die Laune verhagelt…
Airfix wollte mit seinem neuen Kit beweisen, dass die ultimative 1:48er Spitfire Mk I nur aus dem United Kingdom kommen kann. Das ist leider nur ansatzweise gelungen. Seit der britische Modelleisenbahn-Gigant Hornby die Traditionsmarke Airfix wieder zu neuem Leben erweckte, folgt eine faszinierende Bausatz-Neuheit auf die nächste. Die Design-Teams an ihren CAD-Computern arbeiten offensichtlich hochmotiviert an ihren Projekten. Leider meinte Hornby/Airfix, den Spritzgussformenbau aus Kostengründen nach Indien auslagern zu können (das Commonwealth lässt grüßen).
Was auch immer die Gründe sein mögen – das fertige Produkt kommt an den heute üblichen Standard, der in Japan, China und der Tschechischen Republik gesetzt wird, nicht ansatzweise heran. Die Teile meines Airfix-Bausatzes waren zwar überwiegend fehlerfrei gespritzt, wenn auch die Oberflächendetaillierung Inkonsistenzen aufwies: Alle Blechstöße waren sehr markant und tief eingraviert, während einige punktförmige Details so schwach ausgeprägt waren, dass sie fast verschwanden. Immer wieder stieß ich auf leichte Sinkstellen und Oberflächen-Unebenheiten.
Generell gesagt, mussten eigentlich alle Teile (teils mühsam) nachgearbeitet werden, um später überzeugend auszusehen. Das CAD-Design setzt eine Passgenauigkeit der Baugruppen im Zehntelmillimeterbereich voraus, was der Airfix’sche Formenbau aber nicht leisten kann. Deshalb musste ich alle Kontaktflächen und Klebekanten schleifen und den Passsitz trocken überprüfen. Seid gewarnt: Will man sich diese Arbeit sparen, passt nichts richtig zusammen.
Dort, wo knackige Details mit scharfen Konturen gewünscht wären, herrscht oft eine gewisse Unschärfe bzw. Schwammigkeit vor. Auch wirken manche Kleinteile, wie z.B. Ruderpedale, Steuersäule und Einstiegsklappe etwas grobschlächtig. Hier habe ich mich immer wieder an den Teilen der alten Tamiya-Spit bedient.
Die ‚New-Airfix‘ Spitfire Mk I ist, was Formgebung und Maße angeht, zweifellos recht gelungen, hat aber drei ernstzunehmende Design-Schwächen:
- Das sattelartige Bauteil, welches die Verkleidung des Rumpftanks darstellen soll und am hinteren Ende die Frontscheibe trägt, ist deutlich zu flach ausgefallen. Hier muss der Übergang zum Rumpf mit Kunststoff-Profil aufgefüttert werden – nachdem vorher möglichst mit der Schieblehre Maß genommen wurde. Hinterher ist dann Schleifen und Gravieren angesagt. Leider ist die Kontur des vorderen oberen Rumpfteils – seitlich gesehen – immer noch nicht ganz so, wie sie sein sollte.
- Zwischen Tragflächenoberseiten und dem jeweiligen Rumpfanschluss gähnt eine deutliche Lücke: Auch hier wird am besten mit Kunststoffprofil aufgefüttert und dann satt verklebt. Spachtelmasse allein sorgt nicht für die nötige Stabilität. Wiederum angesagt: Schleifen, Nachgravieren.
- Die Schnellverschlüsse der Motorenverkleidungssteile (sog. DZUS-Fasteners oder Quarter-Turn-Fasteners) werden von Airfix als erhabene Plastikkringel dargestellt. Im Maßstab 1 : 1 entspräche solch ein Kringel etwa dem Format eines Donuts…
Selbstverständlich waren diese Schnellverschlüsse in Natura bündig in die Verkleidungsbleche eingesetzt. Ich habe daher die ‚Donuts‘ allesamt abgeschliffen und mit einem aus einer Injektionsnadel angefertigten Prägewerkzeug nachgebildet. - Um das Hauptfahrwerk im ausgefahrenen Zustand nach Plan einzubauen, haben sich die Airfix-Designer etwas ganz Seltsames einfallen lassen: Das Fahrwerkbein soll an das Fahrwerkgelenk mittels einer stumpf zu verklebenden Verbindung angesetzt werden. Diese Verbindung würde man im Holzbau ‚stehendes Blatt‘ nennen. Die Klebefläche ist aber höchstens zwei Quadratmillimeter groß und soll später das Gewicht des fertigen Modells tragen! Gleichzeitig soll das Fahrwerkbein frei schwebend 113° zur Horizontalen nach vorn und 3° zur Vertikalen (wie die Bauanleitung explizit ausführt) nach außen ausgerichtet und in dieser Lage fixiert werden, bis der Klebstoff ausgehärtet ist. Und die Achsschenkel sollen auch noch im rechten Winkel zur Flugrichtung stehen. Und das Ganze, bittschön, in zweifacher Ausfertigung und exakt spiegelbildlich übereinstimmend. Ich frage mich, ob der Mensch, der sich dies ausgedacht hat, jemals ein Flugzeugmodell gebastelt hat…
Auf der Habenseite ist zu vermerken, dass der Modellbauer für zwei Drittel des Tamiya-Preises einen Bausatz erhält, aus dem sich ‚out of the box‘ eine sehr authentische Spitfire Mk I bauen lässt – wenn man gewillt und handwerklich in der Lage ist, sehr viel zusätzliche Detailarbeit zu leisten.
Wie aus einer Mk I eine PR Mk IV wird
Sehr, sehr viele Stunden musste ich investieren, um aus meinen drei Hauptquellen (Die Bücher von Morgan/Shacklady, Price und Humphreys, s. Anhang) diejenigen übereinstimmenden Detailinformationen heraus zu destillieren, damit ich die Umbauarbeiten überhaupt erst in Angriff nehmen konnte.
Viel Arbeitsaufwand verursachte die Tragfläche; hieß es doch, die mit den Waffensystemen korrespondierenden Blechstöße, Wartungsklappen und Waffenmündungen zu verschließen, zu füllen und zu verschleifen. Bei der Tiefe der Airfix’schen Gravuren musste ich schon einiges an Spachtelmasse und Mr. Surfacer verarbeiten.
Die Lage der neuen, PR IV-typischen Blechstöße, Wartungsklappen und -verschlüsse habe ich nach bestem Wissen und Gewissen (und Augenmaß) eingraviert, da hierzu (meines Wissens) keine verlässlichen, maßstabsgetreuen Risszeichnungen existieren. Meine Informationen bezog ich von Faksimilenachdrucken aus Supermarine-Technik-Handbüchern, die in den o.a. Referenzmaterialien zu finden sind.
Da die PR Mk IV – wie im Abschnitt ‚technische Besonderheiten‘ erwähnt – mit dem Mk V – Jäger weitgehend identisch war, galt es auch, die ‚stoffbespannten‘ Querruder des Airfix-Bausatzes durch Schleifen und Gravieren in ‚metallbeplankte‘ Querruder zu verwandeln. Zur Mk V gehörten auch zwei parallel verlaufende Verstärkungsrippen auf der Tragflächenoberseite über dem Radhaus. Hierzu transplantierte ich kurzerhand das entsprechende Tragflächensegment der alten Tamiya Mk V in die Airfix Tragfläche: Passte wie angegossen.
Jetzt musste ich der Tragfläche noch die verlängerten Randbögen à la Aboukir ansetzen. Auch hier gibt es keine genauen Risszeichnungen und Maße. Ich musste mich ganz auf die Interpretation zeitgenössischer Fotos und mein Augenmaß verlassen. Die Grundform der Randbögen sägte ich aus 3 mm starkem Polystyrol-Plattenmaterial aus, passte die Teile mit Metallstiften in die vorbereiteten Airfix-Tragflächen ein. Dann wurde satt verklebt und in ‚liebevoller Kleinarbeit‘ geschliffen, bis die Randbögen sich nahtlos anfügten. In den Maßstab 1 : 1 umgerechnet, bedeutet dies etwa 60 cm mehr Spannweite für die gesamte Tragfläche. Das könnte hinkommen.
Dann kam der Moment, als ich fast die weiße Flagge hissen wollte: Die vakuumgeformte Cockpitverglasung des Pavla-Umbausatzes stellte sich als beinahe unbrauchbar heraus. Das Material ist sehr dünn und brüchig. Durch die unvermeidliche Belastung des flexiblen Materials beim Herausarbeiten aus der Trägerfolie bildeten sich unzählige Mikrorisse im Klarsichtmaterial. In kürzester Zeit war die Cockpithaube von Krähenfüßen durchzogen, die das Teil völlig unbrauchbar machten. Da half auch das Bad in ‚Johnson’s Klear‘ nichts. Glücklicherweise legt Pavla zwei Cockpithauben bei. Beim zweiten Versuch war ich daher vorgewarnt und hatte die Cockpithaube mit einer leicht zu entfernenden Gipsfüllung stabilisiert, bevor ich mit dem Herausarbeiten begann.
Die Formgebung der Frontscheibe ist bei Pavla leider auch ziemlich danebengegangen: sie ist auf allen drei Ebenen gekrümmt, was leider nichts mit der Realität zu tun hat. Ich verzichtete daher gleich darauf, das Skalpell anzusetzen. Was tun? Mir blieb nichts anderes übrig, als auf Basis eines Airfix-Teils (ungepanzerte Frontscheibe der frühen Mk I) mit Spachtelmasse und viel Schleif- und Polierarbeit einen eigenen, realitätsgetreuen Master anzufertigen und eine neue Frontscheibe tiefzuziehen. Es war eine zeitintensive Arbeit, die aber glücklicherweise zu einem guten Ende führte.
Die drei Kameraports nachzubilden, war dann schon einfacher: Nachdem ich Größe und Lage der kreisrunden Ausschnitte bestimmt und die Öffnungen gesetzt hatte, bildete ich die Objektivschächte aus Polystyrol-Rundmaterial nach. Wenn man keine offenen Wartungsklappen darstellen möchte, ist dies völlig ausreichend, da beim fertigen Modell nichts mehr vom Innenleben hinter dem Cockpit zu sehen ist.
Nachdem das Modell fertig bemalt und gealtert war, stanzte ich aus 1 mm starkem Klarsichtmaterial drei runde Scheiben, die ich ganz exakt in die Kameraports einpasste und dann mit Humbrol Klarlack (glänzend) ‚verklebte‘. Der ‚Aboukir‘-Ansaugluftfilter stammt aus dem alten Tamiya Mk V trop-Kit und sieht m.E. etwas naturgetreuer aus als das Resin-Teil des Pavla-Umrüstsatzes (trifft die Form des Originals aber auch nicht ganz).
Dann noch Fünf-Speichen-Räder, Fischschwanz-Auspuffe, Rotol-Propeller (Metallblatt, breit) mit Spinner sowie Pilotensitz mit Sutton-Gurtzeug von Ultracast – und schon ist die PR Mk IV fertig. Bis auf Farbe und Decals, natürlich. Ach ja, und das Fahrwerkproblem löste ich, indem ich die fein detaillierten Fahrwerksbeine von Tamiya mit Metallstiften in die Airfix-Gelenke einsetzte und mit Zwei-Komponenten-Epoxy verklebte. Damit die Winkel stimmten, fertigte ich mir zuvor eine Lehre aus Polystyrol-Plattenmaterial an. Anders wäre das wohl nichts geworden.
Farbgebung / Decals
Die im Jahr 1942 vom Band gelaufenen PR Mk IV in Trop-Ausführung waren uni im Farbton ‚Royal Blue‘ lackiert. Was soll man sich darunter vorstellen? Der Farbton war offensichtlich sehr dunkel. Auf schwarz-weiß-Fotos deckt sich der Grauwert fast mit dem Schwarz der Propellerblätter.Bei meinen Recherchen im Internet stieß ich auf diverse, nicht verifizierbare Angaben nach dem (amerikanischen) FS-Standard, die aber deutlich voneinander abweichen und m.E. alle zu hell ausfallen.
Ein Modellbaukollege auf ‚Britmodeller‘ zitierte im Jahr 2013 aus einer Publikation namens ‚SAM Combat Colours 2‘: „Royal Blue wurde aus fünf Gallonen der Grundfarbe Bosun Blue von ICI, drei Pfund schwarzem Pigment und 16 Pfund Zink sowie Terpentin gemischt. Der daraus entstehende Farbton war geringfügig dunkler als FS 35109.“ Das lasse ich jetzt mal unkommentiert so stehen. Meine Recherchen zu ‚Bosun Blue‘ verliefen jedenfalls im Sand und die Firma ICI, einst der Stolz der britischen Industrie, ist schon lang Geschichte und kann auch nicht mehr befragt werden…
Ich habe als Grundfarbton das sehr dunkle ‚Vallejo Signal Blue‘ gewählt, das ich dann mit diversen Filtern aus der Airbrush unregelmäßig aufhellte. Die polnische Firma ‚Hataka‘ bietet ein Acryl-Farbenset mit den Farbtönen der britischen photo reconnaissance des Zweiten Weltkriegs an. Dort findet sich auch der Farbton ‚Royal Blue‘. Ich habe diese Farbe nur als Aufhellungsfilter verwendet, da sie mir viel zu hell erschien – fast wie das besser fotografisch dokumentierte ‚PRU blue‘. Der helle Farbton der Überlackierung wird gemeinhin als ‚weiß‘ beschrieben. Ob dieses Weiß in irgendeiner Weise abgetönt war, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe hier mit sehr stark verdünntem Reinweiß von Vallejo Air gearbeitet, das ich in unterschiedlichen Deckungsgraden auftrug.
Die Decals von ‚Model Alliance‘ konnte ich über Hannants in England beziehen. Trotz ihres Alters waren sie von sehr brauchbarer Qualität, reagierten aber nicht sonderlich gut auf ‚Micro Sol‘. Ich musste den Weichmacher mindestens achtmal auftragen, bis sich eine Reaktion zeigte. Da ich – wie anfangs beschrieben – davon überzeugt bin, dass es sich beim Original meines Modells nicht um die Werknummer BR 416 handelte, trennte ich die ‚6‘ des Decals einfach ab und brachte sie um 180° gedreht an – jetzt ist mein Modell eben die BR 419.
Mir ist bewusst, dass ich mit dieser pragmatischen Art der Problemlösung auch daneben liegen könnte – aber irgendwie musste die ‚6‘ weichen. Existiert hat eine BR 419 jedenfalls, das ist verbrieft. Gealtert habe ich mein Modell mit Pastellkreide-Stäuben in diversen Farbtönen und stark verdünnten Künstler-Ölfarben.
Schlusswort
Ich bin sehr froh, dass ich den Bau dieses Modells doch noch zu einem guten Ende bringen konnte. Streckenweise sah es gar nicht danach aus. So ansprechend, wie sich der Airfix-Bausatz mit seinem schönen Karton, der gut gemachten Bauanleitung und den sauber gedruckten Decals auf den ersten Blick darbietet, so ärgerlich ist die schwankende Pass(un)genauigkeit einzelner Baugruppen. Manchmal dachte ich, dass an diesem Modell ein A-, B- und C-Team im Formenbau tätig war.
Eigentlich wollte ich mich auch noch an der Boulton-Paul Defiant versuchen, aber das stelle ich lieber auf unbestimmte Zeit zurück. Ich würde mich aufrichtig freuen, wenn Airfix/Hornby etwas mehr Zeit und Geld in den Formenbau und die Qualitätskontrolle investieren würde. Erst dann wäre die britische Traditionsmarke wirklich in der angestrebten Oberliga angekommen.
Empfehlenswertes Referenzmaterial
- Spitfire – The History von Eric B. Morgan und Edward Shacklady
Key Publishing Ltd, Stamford, England, 1987
ISBN 0-946219-10-9
(meine ganz persönliche Meinung: Die Spitfire-Bibel…) - The Spitfire Story von Alfred Price
Arms and Armour Press Ltd, London, 1988
ISBN 0-85368-861-3 - The Supermarine Spitfire Part 1: Merlin Powered,
A comprehensive guide for the modeller, Modellers’ Datafile No. 3
von Robert Humphreys
SAM Publications, Bedford, England, 2000
ISBN 0-9533465-2-8 - The Royal Air Force of World War Two in Colour
von Roger A. Freeman
Arms & Armour Press, London, 1993
ISBN 1-85409-185-9 - Photo Reconnaissance Spitfires in Worldwide Service,
On Target Profiles No. 8 von Jon Freeman
The Aviation Workshop Publications Ltd, Wantage, England, 2005
ISBN 1-904643-15-9 - Spitfire in action von Jerry Scutts
Squadron/Signal Publications, Aircraft Nr. 39, Carrolton, Texas, USA, 1980
ISBN 0-89747-092-3 - Spies in the Sky – The secret battle for aerial intelligence during World War II
von Taylor Downing
Abacus Books, London, 2012 (englische Taschenbuchausgabe)
ISBN 978-0-349-12340-0
(Wer gerne mal ein technisch und historisch gut recherchiertes sowie spannend geschriebenes Buch zu diesem interessanten Thema lesen möchte, ist hier goldrichtig. Allerwärmstens empfohlen!)
Im WWW:
Bausatz und Zurüstteile
- Airfix, Bausatz Nr. A05126, 1:48, Supermarine Spitfire Mk. I
- Pavla, Resin-Umbausatz Nr. U 48-58, 1:48, Spitfire PR.Mk. Ia, PR.Mk. IV, PR.Mk. VII
- Ultracast, vier Resin-Zurüstsätze, alle 1:48
– Rotol metal wide blade prop & spinner for Supermarine Spitfire Mk. V, Nr. 48114
– Exhausts (fishtail) for Supermarine Spitfire Mk. V, Nr. 48041
– 2 Seats with Sutton harness for Supermarine Spitfire, Nr. 48020
– 5-spoke wheels for Supermarine Spitfire, Nr. 48066 - Model Alliance Decals, MA-48131, Photo Reconnaissance Spitfires Part 1 – 15,
Early Merlin Schemes
© Modell, Bilder und Text: Werner Scheibling