Nikita Chruschtschows "njet"
zur Tu-91
Modell: Tupolew Tu-91 Byk
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/72
Verwendeter Bausatz: ModelSvit (72016)
Für ein Flugzeug, von dem gerade einmal ein Prototyp gebaut worden ist und das nie in Serie gehen sollte, hat die Tu-91 eine beträchtliche Anzahl von Beinamen aufzuweisen: “Byk” (Bulle) war von offizieller Seite angedacht, daneben etablierte sich aber auch der Name “Botshka”, was, auf das Äußere der wuchtigen Maschine bezugnehmend, “Tonne” bedeutet. Obwohl es bei nur einer Tupolew Tu-91 bleiben sollte, hatte der Entwurf selbst international so viel Resonanz erzeugt, dass sich die NATO mit der Bezeichnung “Boot”, also Stiefel, einen eigenen Codenamen hat einfallen lassen. Aufsehen hatte die Tupolew Tu-91 also tatsächlich erregt – und ihre Existenz sollte auch nicht ohne Folgen bleiben, wie noch zu zeigen sein wird.
Der Entwurf entstand Ende der Vierzigerjahre vor dem Hintergrund eines geplanten Ausbaus der sowjetischen Marine. In Reflexion der Rolle, welche US-Trägerschiffe im Pazifikkrieg gespielt hatten, forderte Stalin neben den Bau von Schlachtschiffen auch die Anschaffung einer eigenen sowjetischen Flugzeugträgerflotte. Zu den Konsequenzen dieser Forderung zählte natürlich auch die Entwicklung trägertauglicher Flugzeuge, ein in der Sowjetunion bis dato unbebautes Feld. Dem Konstruktionsbüro Tupolew fiel der Entwurf eines schiffsgestützten schweren See-Angriffsflugzeuges zu, Vladimir Chizhevski, Chefdesigner bei Tupolew, wurde die Leitung des Projekts übergeben.
Mit der Entwicklung trägergestützter Flugzeuge betrat die damalige Sowjetunion Neuland. So ist es doppelt interessant zu sehen, welche Wege zur Erschließung dieses Neulands eingeschlagen wurden!
In der im Mai 1955 erstmals geflogenen Tu-91 machte sich die erfolgreiche sowjetische Konzeption eines “fliegenden Panzers” bemerkbar: mit durch ausreichend Stahl und Panzerglas geschütztem Besatzungsraum sowie einer wirksamen Bewaffnung in Form von insgesamt drei 23-mm Afanasjew-Makarow AM-23 Maschinkanonen sowie 1.500 kg an Abwurfwaffen stand die Tu-91 in Tradition der „fliegenden Panzer“ Il-2 bzw. Il-10. Neben der angesprochenen Rolle als Schlachtflugzeug für den Einsatz gegen See- und Bodenziele war auch eine reine U-Jagd sowie eine ECM-Version geplant.
Als Antrieb diente eine 7.762 PS starke PTL-Kusnetzow TW-2M Propellerturbine, die der immerhin 14.000 kg wiegenden Konstruktion 650 km/h Marschgeschwindigkeit ermöglichte. So ausgerüstet sollte mit einer Reichweite von 2.400 Kilometern gerechnet werden können. Dass die Tu-91 als gepanzertes “Schlachtflugzeug” nicht nur Traditionen fortsetzte, sondern auch höchst innovative Merkmale aufwies, zeigt ein näherer Blick auf den Antrieb. Die gut siebeneinhalbtausend Pferdestärken der Turbine wurden über eine lange Welle, deren Wellenkanal das Cockpit längs zweiteilte, an zwei gegenläufige Propeller übertragen. Im Cockpitinneren wie in der Außenansicht bestimmte diese innovative Eigenheit das Aussehen der Tu-91.
Nach dem Tod Stalins sollten allerdings bald auch die Pläne für eine sowjetische Trägerflotte zu Grabe getragen werden. Die Arbeiten an der Tu-91 gingen trotzdem weiter, was wohl auch an den sich abzeichnenden günstigen Leistungsparamatern gelegen haben wird. Das Ende der Flugzeugträgerkarriere hatte für das ohnehin schwere Flugzeug gar gehörige Erleichterungen zur Folge: die Klappmechanismen der Tragflächen entfielen ebenso wie der Fanghaken am Heck der Maschine. Der kurze Weg, den die Tu-91 zu Start und Landung brauchte, blieb als Erbe der ursprünglichen Konzeption als Trägermaschine erhalten: nach gut 500 Metern hob die Maschine ab, um die 550 Meter brauchte sie bei der Landung auf.
Bei der Flugerprobung wurde die Tu-91 als überraschend wendig beschrieben, obwohl sie stabil in der Luft lag. Nachgerüstete Grenzschichtzäune an den Tragflächen waren die einzige Nachbesserung, die als Resultat der Flugerprobung als notwendig erachtet wurde. Nachdem auch die Tests am Boden zur Zufriedenheit verliefen, stand die “Byk” für das Anlaufen der Serienfertigung bereit. Die Montage sollte im Werk Nr. 31 im georgischen Tiflis stattfinden.
Mit diesem Stand der Dinge war die Tu-91 „Byk“ Teil einer Ausstellung der neuesten Militärflugzeuge, die Mitte 1956 für die sowjetische Führungsriege arrangiert wurde. Dabei soll sich Folgendes zugetragen haben: Nikita Chruschtschow dürfte sich angesichts der bulligen Formen über das seltsame Aussehen der Tu-91 lustig gemacht haben. Auf eine nachfolgende Frage, wozu diese seltsame Konstruktion denn gut sei, bekam er von den begleitenden Offiziellen die missverständliche Antwort, die Maschine könne die „Aufgaben eines schweren Kreuzers erfüllen“. Gemeint war dabei zwar, dass die Tu-91 die Feuerkraft eines schweren Kreuzers aufweist, Chruschtschow nahm die Antwort aber wortwörtlich – und formulierte ein Verdikt, das tatsächlich das Aus für die TupolevwTu-91 bringen würde: “Wir brauchen aber keine schweren Kreuzer mehr”.
So blieb es bemerkenswerterweise bei der einen gebauten und in der Flugerprobung eingesetzten Tupolew Tu-91 zusätzlich zu einer zweiten Maschine, die bei diesem unvorhergesehenen Ende des Projekts kurz vor der Fertigstellung gestanden hatte.
Zu Anfang des Textes hatte ich geschrieben, dass die Tu-91, obwohl nie in Serie gegangen, dennoch Wirkung zeigte. Tatsächlich reagierten die USA höchst alarmiert auf die Nachrichten über ein neues kampfstarkes sowjetisches Schlachtflugzeug. Verstärkt durch die Erfahrungen, die man in Korea und später in Vietnam machen musste, kam man zur Einsicht, dass ein schwer gepanzertes und massiv bewaffnetes Angriffsflugzeuge in zeitgenössischen und zukünftigen Konflikten eine Notwendigkeit sein würden. Diese gab Anstoß zur Entwicklung von Projekten wie der Northrop YA-9 und der in Folge in Serie gebauten Fairchild-Republic A-10. In der Sowjetunion setzte sich diese Entwicklungslinie über die nicht verwirklichte Il-40 bis zur heute noch geflogenen Suchoi Su-25 fort.
Zu Bausatz und Bauprozess
Modelsvit ist meines Wissens der einzige Anbieter dieses exotischen Vorbilds. Ich kenne nun schon einige Bausätze dieses Herstellers und kann sagen: dies ist nicht das schlechteste Angebot von Modelsvit! So wäre die Passgenauigkeit eigentlich recht gut, allerdings kommt diese Qualität erst zum Vorschein, wenn die Teile versäubert und von der vielen Fischhaut befreit sind. Dieses zeitkonsumierende Vorgehen benötigen leider so gut wie alle Bauteile. Hat man sich damit aber einmal arrangiert, gestaltet sich der Bau recht unkompliziert und stellt keine großen Herausforderungen.
Neben der vielen Fischhaut und dem durchgehend recht groben Guss der Teile ist mir nur ein weiterer Umstand negativ aufgefallen: die Klarsichtteile sind ebenfalls dick gegossen und dadurch leider auch nicht allzu transparent. Als Abhilfe wäre wohl nur ein selbst hergestelltes tiefgezogenes Kanzelteil in Frage gekommen, was ich aber hier nicht gemacht habe.
Aufpassen muss man auch bei der Montage der beiden unteren Bugfenster. Damit sollte man auf keinen Fall warten, bis die beiden Rumpfhälften geschlossen sind, denn man muss den Sitz der Fensterflächen gleichzeitig von innen und außen kontrollieren und korrigieren können, bis der verwendete Klarsicht- Kleber „angezogen“ hat.
Fazit
So wie in Wirklichkeit wird es wohl auch in meiner Sammlung bei einer einzigen gebauten Tu-91 „Byk“ bleiben – obwohl es einen Reiz hätte, das eigentümlichen Aussehen der „Byk“ fliegend, also mit eingezogenem Fahrwerk und drehenden Propellern zu inszenieren. Wenn ich so darüber nachdenke: wer weiß, vielleicht werde ich das so doch noch einmal umsetzen! Der Bausatz selbst hätte mir dafür auf jeden Fall gut genug gefallen!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer