Waco CG-4
Modell: Waco CG-4
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/72
Verwendeter Bausatz: Italeri (1118)
Zum Vorbild
Sieht man sich diese aus Sperrholz und Leinwand gefertigte Konstruktion an, kann man kaum ahnen, welches Bündel von erstaunlichen Fakten mit diesem ikonischen Lastensegler verbunden ist. Dazu eines gleich vorneweg: mit über 13.900 produzierten Exemplaren zählt die Waco CG-4 zu den meistgebauten Flugzeugtypen der Geschichte. Dies bleibt ein erstaunlicher Umstand, auch wenn die alliierte Strategie des massenhaften Einsatzes von „assault gliders“ in großmaßstäblichen Luftlandeunternehmen wie etwa der Invasion in der Normandie oder der Operation „Market Garden“ zur Erklärung dieser gewaltigen Produktionszahl hilft.
Die im Vergleich zur bekannteren Airspeed Horsa etwas kleinere GC-4 wurde aber auch in weniger aufwendigen Kommandounternehmen verwendet. Bemerkenswert ist, dass die Waco gerade bei solchen Operationen nicht nur als Verlustgerät angesehen wurde. Die CG-4 zählt zu jenem wirklich exklusiv kleinen Kreis von Flugzeugen, die mit einem „Kaltstart“ von einem vorbeifliegenden Schleppflugzeug aufgenommen und in die Luft katapultiert werden konnten. Dies dürfte ein in allen Aspekten buchstäblich haarsträubendes Unternehmen gewesen sein!
Das Schleppseil der für den Rückflug beladene CG-4 – etwa mit Verwundeten oder für die Evakuierung bestimmtem Personal – wurde dabei von einer langsam und in einem flachen Winkel zur Längsrichtung des Seglers vorbeifliegenden C-47 aufgefischt. An der C-47 wurde dabei ein in der Schleppseiltrommel montiertes Bremssystem aktiv, dass die schlagartig auftretende Zugkraft abmilderte. Den Schilderungen der Piloten folgend, war der so erfolgte Start für die Besatzungen beider beteiligter Flugzeuge ein „unvergessliches“ Erlebnis, das System selbst aber durchaus alltagstauglich und bei einigen Gelegenheiten angewendet.
Besondere Bekanntheit erreichte die auf diese dramatische Weise bewerkstelligte Rettung der Überlebenden der in den unzugänglichen Bergen Neu-Guineas verunglückten C- 47 „Gremlin Special“ im Mai 1945. Das Ausfliegen der Besatzung der Unglücksmaschine erfolgte mittels dreier Flüge einer CG-4, die dabei von einer Dakota in beschriebener Weise vom Boden „aufgefischt“ wurde.
Eine weitere bemerkenswerte Möglichkeit, die CG-4 vom Boden zu bekommen, war die zeitweilige Montage von zwei Hilfsmotoren, die zwischen dem Strebewerk unterhalb der Tragflächen eingehängt werden konnten und dem Lastensegler Eigenstartfähigkeit verliehen. Dieses Verfahren wurde vor allem für Überführungsflüge von den zahlreichen im Land verteilten Produktionsstätten der CG-4 zu den Depots oder Einsatzflugplätzen der US Army Air Force verwendet. Wer sich den erstaunlichen Anblick von mit diesen „Flautenschiebern“ ausgestatteten CG-4 gönnen möchte, wird nach kurzer Suche im Internet schnell fündig.
Die relative Kleinheit der Waco erwies sich schnell als großer Vorteil. Mit einer Leermasse von 1769 Kilo und dreieinhalb Tonnen maximalem Abfluggewicht benötigte die Maschine wesentliche kürzere Landezonen als die größere Airspeed Horsa. Dementsprechend fand die CG-4 nicht nur in den großen Luftlandeunternehmen Verwendung, sondern wurde bevorzugt für kleinere Operationen eingesetzt.
Der Lastensegler brachte bis zu 13 vollausgerüstete Infanteristen ins Gefecht, alternativ konnte Gerät wie ein Jeep Willys oder eine 75mm Haubitze transportiert werden. Das an langen Streben montierte Fahrwerk konnte nach dem Start abgeworfen werden, die Landung erfolgte dann auf mehreren Kufen, deren Bremswirkung die Landestrecke verringern half. Für eine rasche Entladung wurden die seitlichen Türen entriegelt und die gesamte Bugsektion, Pilotensitze und spartanisches Cockpit inklusive, hochgeklappt. Angesichts der damaligen recht hemdsärmeligen Verhältnisse wundert es nicht, dass zur Arretierung desselben einfach ein mitgeführter Holzpflock unter das hochgewuchtete Bugteil geklemmt werden sollte.
Ihre Feuertaufe erhielt das Muster im Juli 43 bei der alliierten Landung in Sizilien. In den folgenden Jahren konnte man der CG-4 auf allen Kriegsschauplätzen begegnen. Über Europa und Afrika hinaus, konnte die Waco ihre Qualitäten vor allem in China, Burma, Indien und dem Südwestpazifik unter Beweis stellen.
Eine der bis dahin größten alliierten Luftlandeoperationen des Krieges war die am 5. März 1944 in Burma anlaufende „Operation Thursday“. Das operative Ziel bestand in der Anlandung mehrerer Brigaden weit hinter den japanischen Linien, die eine alliierte Offensive im Raum um die von den Japanern gehalten nordburmesische Stadt Indaw unterstützen sollten. Das Unternehmen startete mit dem Lufttransport der 77th (indischen) Brigade in der Landezone „Broadway“, die aber beinahe im Desaster endete: um möglichst schnell die gesamte Einheit abzusetzen, wurden je zwei CG-4 Gleiter von einer C-47 gezogen. Diese Überlast im heißen und feuchten Tropenklima führte aber zu überhitzten Motoren, die erforderlichen Flughöhen konnten teils nicht erreicht werden – und in Folge gingen zahlreiche der 54 CG-4 der ersten Welle verloren.
Die wenig später stattfindenden Landungen in den Zonen „Chowringhee“ und „Aberdeen“ verliefen dagegen erfolgreicher. Bis Ende März waren 10 000 Mann angelandet. Zur Unterstützung ihres Vormarsches im unwegsamen Dschungel waren zudem auch 1000 Esel beziehungsweise Maultiere mit den Lastenseglern eingeflogen worden – eine Novität im Einsatz luftmobiler Einheiten. Im Zuge von „Thursday“ wurde auch das Ausfliegen von Verwundeten im eingangs geschilderten Verfahren erstmals im großen Maßstab praktiziert.
Zum Modell
Mein Modell zeigt eine der bei „Thursday“ eingesetzten Waco CG-4 der 1.ACG (Air Commando Group). „Old Crow“ war zum Zeitpunkt der Aktion im burmesischen Lalagath stationiert. Die Decals dazu entstammen dem umfangreichen und sehr empfehlenswerten Bogen „Forgotton Operations Thursday March 1944“ (No. 72025) von DP Casper. Der Bogen enthält übrigens Markierungen für einige weitere alliierte wie japanische Maschinen, die bei „Operation Thursday“ eingesetzt worden sind. Dieses Konzept könnte für manche Modellbauer durchaus interessant sein!
Ich war nach Erwerb des Italeri Bausatzes einige Zeit auf der Suche nach brauchbaren Schiebebildern – und vor allem einem interessanten Vorbild. Die Original-Decals sind nach der langen Zeit, die der Bausatz auf dem Buckel hat, einfach nicht mehr brauchbar. Meine Ausgabe dürfte aus den Tiefen der Achtzigerjahre stammen. Der ohnehin etwas spärlich ausgestatte Decalbogen signalisierte schon durch seinen fest eingerollten Zustand und die heftige gelbliche Verfärbung der Markierungen, dass er nicht mehr verwendet werden wollte.
Die Kunststoffteile an sich sind recht brauchbar, wenn auch an einigen zentralen Stellen ein paar kräftige Korrekturen unbedingt nötig sind. Vor allem betrifft dies das Cockpit. Die Italeri Version sieht hier zwei Sitze, zwei Steuerknüppel und ansonsten Leere vor. Dies ist in allen Punkten nicht korrekt.
Das gut einsehbare Innere einer CG-4 ist im Original derart voll von Verstrebungen und Verkabelungen, dass man kaum daran vorbei kommen wird, dieses Fachwerk in den wesentlichen Teilen nachzubauen. Ich habe dies mit passenden Messingrohren getan, die mit einigen Ätzteilen zu einem meinen Ansprüchen genügenden vorbildnahen Innenraum zusammengefügt worden sind. Stolz darf ich sagen, dass ich sogar die an der oberen Cockpitverglasung entlang laufenden Steuerseile nachgestellt habe. Weiters wurden in die Konstruktion zwei selbstgefertigte Steuerräder integriert, „sticks“ hatte die CG-4 nicht.
Der Bau selbst blieb so bis zum Schluss äußerst spannend, denn die Frage, wie all diese Bemühungen rund um das Innere des gut einsehbaren Cockpits schlussendlich aussehen und wirken würden, konnte ich erst nach dem finalen Abnehmen der Klarsichtmasken beantworten.
So gut wie alle Streben, Verspannungen und Ruderbalancegewichte sowie das Pitotrohr beziehungsweise das sie tragende Gerüst wurden scratch von mir selbst gebaut. Falls überhaupt im Bausatz vorhanden, waren die Italeri Teile dafür viel zu grob oder ungefüge, um verwendet werden zu können.
Abschließend kann ich sagen, dass dieser Bau zu einigen neuen modellbauerischen Erfahrungen und vielen mir neuen und durchaus interessanten historischen Fakten geführt hat. Das Thema „Lastensegler“ entpuppt sich mit jedem Projekt faszinierender, als zu Beginn vermutet!
Als kleinen Nachsatz möchte ich noch eine schöne Anekdote zum Thema „Schwerter zu Pflugscharen“ nachschicken. Angesichts abertausender nach dem Krieg zum Verkauf stehender CG-4 stellte sich schnell ein seltsames Phänomen ein: das geräumige Innere und die gute Verarbeitungsqualität verhalfen den nutzlos gewordenen Lastenseglern zu einem zweiten, zivilen Leben: Zahllose CG-4 Rümpfe bevölkerten im umgebauten Zustand als Wohnwagen, Garten-, Jagd oder Fischerhütte bald die Straßen, Seen und Wälder der USA. Ein würdiges, weil friedliches Ende für eines der meistgebauten Flugzeuge der Geschichte!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer