Wedell-Williams Model 44
Modell: Wedell-Williams Model 44
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/32
Verwendeter Bausatz: Williams Brothers (32-121)
No country for old men
Welche Assoziationen fallen Ihnen ein, wenn Sie das Stichwort „USA um 1930“ hören? Tauchen Bilder zur Weltwirtschaftskrise und „Great Depression“, zu Prohibition und Gangstern wie Al Capone oder „Bonnie and Clyde“ auf? Oder sind es frohere Bilder voll Technikaffinität und anpackenden Zukunftsvisionen, die besser in ein Amerika von Roosevelts „New Deal“ passen würden? Ob Dust Bowl oder Hoover-Damm: es scheint eine gewaltbereite und gierig-schnelllebige Zeit gewesen zu sein, in der Geschwindigkeit verehrt, selbsterworbener Erfolg geachtet und Versagen nicht geduldet wurde. Es wird im Folgenden interessant zu sehen sein, wie gut die Biografien von Jimmy R. Wedell und Harry P. Williams, den beiden Männer, die hinter dem Original des hier gezeigten Rennflugzeuges stehen, in das eben ausgemalte Szenario passen!
Die Wedell-Williams Air Service Corporation
Die Bezeichnung „Wedell Williams Model 44“ nimmt Bezug auf die von den beiden im Jahr 1929 gegründete Wedell-Williams Air Service Corporation. Das Unternehmen sollte eine erste regelmäßige Flugverbindung von New Orleans nach Houston anbieten, daneben übernahm man auch Postflüge und betrieb zuletzt, als die Geschäfte gut liefen, sogar eine eigene Flugschule.
Die Unternehmensgründer, die beiden Wedell-Brüder Jimmy und Walter sowie Harry P. Williams, hatten sich Mitte der 20er Jahre über die Faszination am Fliegen kennen gelernt. Jimmy Wedell war zu diesem Zeitpunkt nicht nur schon ein bekannter Rennpilot, sondern hatte sich auch als Flugzeugkonstrukteur einen Namen machen können. Er hielt mehr Rekorde als jeder andere Pilot seiner Zeit, unter anderem so renommierte Bestmarken wie den 1933 aufgestellten Geschwindigkeitsweltrekord für Landflugzeuge.
Harry P. Williams, 1889 geboren und damit etwas älter als Wedell, hatte dagegen ein Vermögen in der – in Louisiana bedeutsamen – Hummerzucht gemacht, war aber auch in seinen Geschäften mit Öl- und Mineralienpachtverträgen sehr erfolgreich. Als Selfmade-Millionär fand er Verbindung zur Politik und saß bald in den Vorständen einflussreicher Firmen der Immobilien- und Zuckerindustrie. Verheiratet mit einer der damals bekanntesten (Stumm-)Filmschauspielerinnen gehörte er zum Jetset seiner Zeit. Harry Williams und Jimmy Wedell lernten sich über ihre gemeinsame Begeisterung für das Fliegen kennen: inspiriert von Lindberghs Atlantikflug hatte sich Williams einen Ryan Eindecker besorgt, um damit das Fliegen zu lernen, als Fluglehrer wurde Jimmy Wedell engagiert. Aus dieser geschäftlichen Verbindung entstand eine Freundschaft, die ihr beider kurzes Leben anhalten sollte.
Das Model 44
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass ab 1929 bei der Wedell-Williams Air Service Corporation eine Reihe interessanter Flugzeugentwürfe entstanden. Das Wedell Williams Model 22 machte den Anfang – bekannt wurde es übrigens unter der aus der Firmen-Abkürzung entstandenen pfiffigen Bezeichnung „We Will“. Ein wirklich überragender Wurf gelang allerdings mit dem Nachfolgemodell „44“, einem mit dem Pratt & Whitney R1690 Sternmotor ausgestatteten abgespannten Tiefdecker. Die überlegenen Leistungen des Model 44 sollten für einige Jahre alle großen Luftrennen der USA dominieren. Die drei gebauten Exemplare des Model 44 fanden sich verlässlich auf den Siegerpodesten der Bendix-Trophy von 1932, 33 und 34 sowie 1934 bei der Thompson und Shell Trophy. Das rund 1.000 PS leistende Triebwerk beschleunigte die gerade einmal 1.200 Kilogramm wiegende Konstruktion auf 532 km/h. Mit einem versierten Piloten an Bord konnte einer Model 44 die Konkurrenz eine ganze Zeit lang nicht das Wasser reichen.
Für den legendären Rennflieger Roscoe Turner fand sich Wedell-Williams sogar bereit, ein Model 44 auf Anfrage zu bauen. Der von Jimmy Wedell höchst selbst durchgeführte Testflug der neugebauten Maschine hätte allerdings beinahe in einer Tragödie geendet. Unter hoher g-Belastung klappte eine der Tragflächen ein und brach weg, Wedell konnte sich aber noch knapp mit dem Fallschirm retten. Als Reaktion darauf wurden die Flächen sowie deren Verspannung verstärkt, eine Maßnahme, die bei den bereits gebauten Maschinen nachgerüstet wurde. An Roscoe ging dann eine zweite 44 mit dem überarbeiteten Tragwerk, die er in Folge intensiv genutzt hat.
Der Wedell-Williams Air Service Corporation sollte trotz aller Erfolg ihrer Rennflugzeuge und bei allem Unternehmergeist und tatkräftigem Wagemut ihrer Gründer keine lange Existenz vergönnt sein – vielleicht gerade auch deshalb. Innerhalb zweier Jahre sollten alle drei Firmengründer in den Trümmern ihrer Flugzeuge den Tod finden. Jimmy Wedell verlor im Juni 1934 sein Leben, als er mit einer Gipsy Moth Flugstunden gab. Der unerfahrene Flugschüler überlebte, Pilotenlegende Wedell aber war tot. Ein Jahr später verunglückte sein Bruder Walter Wedell bei einem Absturz, dessen nähere Umstände nicht geklärt werden konnten: seine Maschine ging über dem Golf von Mexiko ohne jede Spur verloren. Noch im folgenden Jahr starb Firmengründer und Finanziere Harry P. Williams in den Trümmern einer von ihm pilotierten Beechcraft Staggerwing, die unmittelbar nach dem Start abschmierte und auf den Boden aufschlug. Er und der mitfliegende Werks-Chefpilot John Worthen waren auf der Stelle tot. Diese Kette tragischer Vorfälle überlebte auch das Unternehmen nicht lange. Williams Witwe Marguerite Clark Williams verkaufte 1936 die Firma an Eddie Rickenbacker – ebenfalls kein unbekannter Name in der Luftfahrt – in seiner Funktion als Vorstand und Repräsentant von Eastern Airlines.
Roscoe Turners in Goldfarbtönen gehaltene Model 44/NR61Y ist heute das einzige erhaltene Original und kann im Crawford Museum in Cleveland, Ohio bewundert werden. Das Louisiana State Museum zeigt dagegen vorzügliche Nachbauten der drei gebauten Model 44, die hier gezeigte Maschine, „Miss New Orleans“ mit der schwarzen 92, ist eine davon. Mary Hazlip, eine der damals bekanntesten und besten Pilotinnen, flog diese Model 44 mit der zivilen Kennung NR536V mit großem Erfolg und zu einigen Siegen. Es ist ein Glücksfall, dass das Internet eine ganze Menge Filmmaterial zu dieser Maschine bereit zu halten scheint. Man sollte sich wirklich die schnittigen Linien der „Miss Louisiana“ in Bewegung ansehen, um sich eine Vorstellung vom rasant-kraftvollen Erscheinungsbild des Originals machen zu können!
Eine Filmquelle, in der neben NR536V auch Mary Hazlip zu sehen ist, findet man hier: https://www.youtube.com/watch?v=LmVDRBAmnXc
Zu Bausatz und Bauprozess
Was mir bei den Bausätzen von Williams Brothers immer wieder gut gefällt, sind die Bauanleitungen. Grafisch gelungen aufbereitet werden hier alle drei möglichen Model 44 dargestellt und die großen und kleinen Differenzen, worin sich „Miss Patterson, „Miss New Orleans“ und Turner 44 unterscheiden, klar bezeichnet. Für die hier dargestellte „Miss New Orleans“ gibt es etwa Bauteile für ein eigenes Fahrwerk und die Hinweise, das Höhenleitwerk relativ weit hinten anzubringen sowie einen eigenen kleinen „Buckel“ auf der Oberseite der Motorverkleidung anzubringen. Ich habe diese stromlinienförmigen Verkleidungen übrigens mit einem per Zahnstocher aerodynamisch geformten Tropfen „Kristal Klear“ gestaltet.
Die Bausatzteile sind von brauchbarer Qualität und mit dem notwendigen Mindestmaß an Detaillierung ausgestattet. Der Cockpitinnenraum verlangt jedoch nach etwas mehr Details: hier kamen nach etwas Rund- und Flachdraht auch Sitzgurte aus Eduard-Ätzteilen zum Einsatz. Die Verspannung der Tragflächen und des Heckleitwerks wurden in gewohnter Weise mit flachem Draht von „SBS Production“ durchgeführt, was sich für mich bei einem Eindecker als Novum dargestellt hat, sich dabei aber als eine erfreulich unkomplizierte Sache herausstellte.
Dem Aufbringen der Decals habe ich mit einer gewissen Spannung entgegengesehen, nachdem ich da bei der Super Solution eine böse Überraschung erlebt hatte. Überrascht wurde ich hier auch – allerdings von der hohen Qualität und der robusten Natur der schön gemachten Schiebebilder! Ein einziges wirkliches Manko beklage ich mit der Qualität des Klarsichtteils für die Kabinenhaube/ Windschutzscheibe. Zum einen wäre eine zweiteilige Darstellung eine wünschenswerte Sache gewesen, zum anderen erwies sich die Transparenz des „Klarteils“ als ausbaufähig. Wahrscheinlich wäre hier der Einsatz der hauseigenen Tiefziehmaschine angesagt gewesen. So aber habe ich das Bauteile nur so gut es ging durch Polieren transparent gemacht, um es dann wie es war zu verwenden.
Mein Fazit kann ich wieder einmal mit der Bemerkung einleiten, wie sehr ich die Bausätze von Williams Brothers schätze. Nicht nur sind die Modelle im angenehm großen Maßstab und erweisen sich bisher stets als wirklich gut zu bauen – das eingeforderte Improvisieren mancher Bestandteile muss ja kein Nachteil sein – sondern sie bieten darüber hinaus allein schon durch die Vorbildauswahl Einblicke und Zugänge in Flugzeugwelten, die man sonst nur schwerlich betreten könnte. In diesem Sinn freue ich mich schon auf das nächste Projekt mit einem WB-Bausatz!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer
Well done model of this aircraft. You inspired me to get the kits (have two) and start to work. Maybe with luck they“ll be as good as your’s. One small correction on your history of Harry Williams. Hary Williams father was Frank B. Williams who became a wealthy lumberman, mining the vast cypress forest in south louisiana. After serving in WW1 he started working for his father’s business. Sorry, but the only lobsters found in Louisiana would be in the fish market or grocery. For a short time the Wedell-Williams Air Service had a small air field outside of New Orleans near the location of the Huey P. Long Bridge. Mr. Williams and his wife purchased an impressive mansion on St. Charles Ave. The mansion was designed by the noted firm of Favrot & Livaudais for the Isaacs family. It was purchased by Frank Williams in 1912. After his death in 1936 his wife, Marguerite Clark Williams sold the house. After changing hands a few times. In 1948 the mansion was donated to the city to become a library, Milton H. Latter LIbrary. I lived in the Lakeview area and at one time there was a small monument honoring the Wedell-Williams Air Service at the intersection of Canal St. and Canal Blvd. After Hurricane Katrina in 2005 the area under went changes for a small transit hub. Plans were to relocate the monument. I don’t know if this every happen.
Hallo Christian, das freut mich natürlich sehr zu hören! Im großen Bereich des außermilitärischen Flugzeug-Modellbaues gibt es ja tatsächlich wahre Schätze zu heben- und: wie Du sagst, langsam scheinen ein paar Hersteller da auch aufzuwachen… Zu Mrs. Mary Hazlip: mich hat erstaunt, wie verhältnismäßig viele versierte und großartige Pilotinnen es in früheren Zeiten schon gegeben hat!
Von Deinen Worten bestärkt kann ich auf jeden Fall ankündigen, dass da in diesem Bereich noch einiges kommen wird….
Liebe Grüße
Roland
Schön, hier immer wieder auch Flugzeuge abseits vom Militär-Mainstream zu sehen. Gerade Rennflugzeuge und Flugzeugrennen sind faszinierend, stehen aber leider zu sehr im Schatten der Warbirds. Auch wenn es langsam etwas besser wird.
Danke für die Präsentation dieses interessanten Typs, vor allem in Ausführung einer charmanten Pilotin.
Herzliche Grüße, Christian