Übersicht
Artikelbezeichnung: X-15A-2 „White Ablative Coating“
Maßstab: 1/32
Hersteller: Special Hobby
Material: Spritzguss, Fotoätz- und Resinteile, Decals
Preis: ca. € 65,–
Artikelnummer: SH32081
Produktlink: X-15A-2 „White Ablative Coating“
Download: Bauanleitung
Einleitung
Special Hobby, die tschechische Modellschmiede mit Sitz in Prag, ist ja dafür bekannt, viele ihrer Bausätze außerhalb des Mainstreams zu produzieren. Dafür gebührt ihr Respekt und Hochachtung! Was wäre das für ein Modellbauleben, wenn es am Markt nur Spitfires, Mustangs und Bf 109 geben würde – überspitzt ausgedrückt. So verhält es sich auch mit dem Rekordflugzeug X-15 von North American. Special Hobby ist der einzige Hersteller, der diese Legende der Luftfahrt mit einem Bausatz in 1/32 würdigt. 2007 erstmals aufgelegt, kommt die X-15A-2 heuer wieder in die Händlerregale.
North American X-15A-2
Box & Inhalt
Das schön gestaltete Deckelbild des praktischen Stülpkartons zeigt eine weiße X-15A-2, die sich gerade in den Weltraum schießt. Der Inhalt des Bausatzes setzt sich wie folgt zusammen:
7 Spritzgussrahmen aus grauem Kunststoff mit 93 Teilen
1 Klarsichtteil
186 Resinteile
1 Fotoätzteilplatine mit 53 Teilen
1 Acetatfilm
1 Decalbogen
1 Displayständer
20-seitige farbige Bau- und Bemalungsanleitung im Format A4
Geschichte des Originals
Das US-amerikanische Testflugzeug X-15 war ein raketengetriebenes Experimentalflugzeug für Höhen- und Hochgeschwindigkeitsflüge. Das Unternehmen North American Aviation (NAA) baute drei Exemplare dieses Musters. Bereits in den 1960er Jahren wurden mit dieser Maschine neue Rekorde für bemannte Flugzeuge aufgestellt. Es wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 7274 km/h (Mach 6,72) und eine Flughöhe von 107,96 km erreicht. Die gesammelten Daten dienten dem US-Raumfahrtprogramm wie etwa dem Apollo-Programm. Höhere Geschwindigkeiten und Höhen bemannter Flugzeuge wurden erst mit dem Space Shuttle ab 1981 erreicht.
Das einsitzige Flugzeug hatte eine Reihe technischer Besonderheiten, um den extremen Flugbedingungen gerecht zu werden. Die Struktur bestand aus Titan und Stahl mit einer Außenhaut aus Inconel-X, welches Temperaturen von bis zu 650 °C standhält. Der Grund dafür war, dass die Temperaturbeständigkeit ein größeres Problem war als der Leichtbau. Das Flugzeug wurde aus der Luft von einem umgebauten B-52-Bomber der NASA gestartet und landete mit seinem eigenen Fahrwerk. Neben den aerodynamischen Flächen zur Steuerung in der Erdatmosphäre war auch ein Reaction Control System eingebaut, um Manövrierfähigkeit außerhalb der Atmosphäre zu ermöglichen.
In knapp 3 Minuten verbrauchte das regelbare Thiokol-Einkammer-Flüssigkeits-Raketentriebwerk XLR99-RM2 von Reaction Motors der X-15A-2 etwa 15 Tonnen Raketentreibstoff. Dieser Treibstoff bestand aus Ammoniak und flüssigem Sauerstoff sowie aus Wasserstoffperoxid zum Antrieb der Hochleistungsturbopumpen, die diesen Treibstoff in die Brennkammer pressten. Das Raketenflugzeug legte dabei bei einem typischen Testflug eine Strecke von 450 km zurück. Damit es nicht in der Luft zerbrach, durften während des Fluges die maximalen Belastungen von −3,0 g beziehungsweise +7,33 g nicht überschritten werden. Für die schnellsten Flüge wurde ein weißer ablativer Hitzeschutz aufgetragen.
Im Juni 1964 erfolgte der erste Flug mit der X-15A-2. Mit ihr stellte William John Knight am 3. Oktober 1967 einen Geschwindigkeitsrekord auf: 7274 km/h in einer Höhe von 59 km. Der letzte Flug einer X-15 fand am 24. Oktober 1968 statt. Insgesamt wurden 199 Flüge durchgeführt. Das gesamte Projekt, Hard- und Softwarekosten zusammengerechnet, verschlang 300 Millionen US-Dollar. (Quelle: Wikipedia in Auszügen)
Alle Fotos der Originalmaschine wurden 2017 von Stefan Fraundorfer aufgenommen und zeigen die X-15 im National Air and Space Museum in Washington.
Bausatz & Teile
Doppelt so viele Resin- wie Spritzgussteile deuten ganz klar auf eines hin: Short-Run – was aber nicht zwangsläufig mindere Qualität bedeuten muss. 2007, als der Kit das Licht der Modellbauwelt erblickte, mussten kleinere Hersteller, zu denen Special Hobby damals noch gehörte, kostensparende Technologien anwenden. Werden von einem Bausatz nur kleinere Stückzahlen produziert, dann werden im Short-Run-Verfahren viele Bauteile aus Resin- oder Fotoätzteilen gefertigt, bei denen die Formkosten nicht so hoch sind. Die Kosten für die Spritzgussformen sind nämlich mit Abstand das Teuerste an einem Bausatz. Außerdem werden die Formen selbst oft aus nicht so hochwertigem Stahl gefertigt.
Ja, man merkt den Spritzgussteilen der X-15 stellenweise ihr Alter bzw. ihr Herstellungsverfahren an. Besonders die beiden Heckrumpfschalen bedürfen viel Nacharbeit, die Gussgrate sind in diesem Bereich enorm. Auf anderen Teilen sind auch einige Sinkstellen zu erkennen, die bereinigt werden sollten. Aber eines sei klar gesagt, die Spritzgussteile sind durchaus brauchbar und man wird damit ein imposantes Modell der X-15 mit fast genau einem halben Meter Länge bauen können. Die Oberflächendetaillierung ist mit versenkten Panellinien und Nietenreichen ansprechend ausgeführt. Die beiden riesigen Zusatztanks lagen dem Special Hobby Kit von 2007 noch nicht bei und sind – da neueren Datums – auch sehr sauber produziert.
Es sei auch erwähnt, dass die Teile auf den Rahmen nicht nummeriert sind. Das bedeutet, man muss jedes Mal in der Bauanleitung auf den Seiten 2 bis 4 nachsehen, wo sich das gerade benötigte Bauteil befindet. Etwas mühsam, aber die Spritzgussteile halten sich mit 93 Stück in Grenzen! Bei den Resinteilen sieht es da schon ganz anders aus. Diese sind sauber gegossen und sehr schön detailliert. Allerdings sind bei manchen die Verbindungen zu den Angussblöcken extrem wuchtig und massiv. Das Abtrennen und versäubern wird also einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand verursachen.
Der Bau beginnt mit dem Cockpit, das mit Fotoätz- und Resinteilen gut detailliert wird. Die Anzeigen der Cockpitinstrumente werden mit einem schwarz bedruckten Acetatfilm dargestellt. Das Gurtzeug besteht aus PE-Teilen aus Naturmetall. Dann kommt auch schon der Rumpf dran, der im Wesentlichen aus vier großen Teilen besteht. Das Modell kann entweder im Flug oder mit ausgefahrenem Fahrwerk gebaut werden, wobei das Heck bei der zweiten Option auf einem Rollwagen ruht. Zur Präsentation der X-15 im Flug liegt dem Bausatz ein schwarzer Displayständer bei, der in der Bauanleitung aber nicht erwähnt wird – außerdem fehlt eine Pilotenfigur.
Als weitere Optionen können die Luftbremsen und die Cockpithaube geöffnet oder geschlossen angebaut werden. Schließt man die Kanzel, wird man durch die zwei winzigen Fenster kaum noch etwas vom Cockpit sehen können. Die großen Zusatztanks werden mit vielen Resinteilen und Leitungen aus Draht (nicht in der Box enthalten) sowie der mehrfarbigen Lackierung zum Hingucker.
Bauanleitung, Decals und Markierungsmöglichkeiten
Die Bauanleitung ist typisch für Special Hobby durchgehend farbig gestaltet, wirkt aber bei manchen Bauabschnitten etwas überladen, speziell bei den Luftbremsen und den Zusatztanks. Auch die exakte Positionierung der Teile ist manchmal nicht ganz eindeutig, z.B. beim Schleudersitz und dem Bugfahrwerk. Auch bei kleinen Teilen ist angegeben, wie sie bemalt werden sollten – das erspart viele Recherchearbeit (Bauanleitung in Auszügen siehe unten). Als Farbreferenz bezieht sich der Hersteller auf das Sortiment von Gunze.
Der Decalbogen wurde sauber gedruckt, auch kleinste Aufschriften sind mit der Lupe noch lesbar. Der Trägerfilm scheint sehr dünn zu sein, aber der Rand bei den mit Silberfarbe unterlegten Stencils ist unscharf. Die Nassschiebebilder lassen nur den Bau einer Maschine zu:
X-15A-2, 56-6671, Pilot William „Pete“ Knight, Flug 2-53-97, 3. Oktober 1967
Fazit
Eines ist klar: Für Anfänger ist der Bausatz der X-15A-2 von Special Hobby nicht gedacht. Da muss schon der erfahrene Modellbauer ran. Einige Teile müssen zeitaufwändig nachbearbeitet werden und sehr viele Resin- bzw. Fotoätzteile gilt es zu verbauen. Sind diese Hürden aber genommen, wird man ein spektakuläres und mächtiges Modell dieses Rekord-Flugzeugs in die Vitrine stellen können.
Stefan Fraundorfer, November 2020