B-24 Liberator,
die Geißel der U-Boote
Modell: Consolidated B-24 Liberator GR.Mk.VI
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/32
Verwendeter Bausatz: HobbyBoss (83211)
Ein Zitat aus Paul Kennedys Buch „Engineers of Victory“ soll diesen Beitrag eröffnen: „Closing the air gap did not happen because some great person decreed it. There was a group of chiefly Canadian air engineers who in early 1943 pulled one bomb bay from a B-24 Liberator, replaced it with extra fuel tanks, and at last created an aircraft that could reach the transatlantic gap.“ Canadian Warplanes 3: Consolidated B-24 Liberator (silverhawkauthor.com)
Die Eigenschaften der B-24 Liberator prädestinierten sie tatsächlich für einen Einsatzzweck, bei dem spätestens ab 1941 erhöhter Bedarf bestand: mit ihrer beeindruckenden Reichweite und der hohen Zuladung gab die Liberator ein hervorragendes Seeraum-überwachungsflugzeug ab, mit deren Einsatz in den Staffeln des britischen Coastal Command es ab Mai 1943 gelang, den „Black Pit“, das „Schwarze Loch“ im Mittelatlantik zu schließen, in dem bis dahin deutsche U-Boote ungestört außerhalb der Reichweite alliierter Flugzeuge operieren konnten.
Eine der Staffeln, die für diesen Zweck aktiviert worden sind, war die 10. (BR) Squadron der Royal Canadian Air Force. Im September 1939 in Nova Scotia ins Leben gerufen, war die Einheit zuerst noch mit Westland Wapitis ausgerüstet, bevor sie im Mai auf die Douglas Digby umsattelte. Vom April 1943 bis zu ihrer Auflösung im Mai 1945 flog die Staffel dann die Mk.II, Mk.IV und GR.Mk.VI Varianten der B-24 Liberator. In deren Logbüchern sind 22 Angriffe auf deutsche U-Boote vermerkt, drei führten zur Versenkung der gegnerischen Fahrzeuge: im Oktober 1942 fiel der 10. Squadron U-520 zum Opfer, ein Jahr darauf, im September und Oktober 1943 versenkten die Liberator der 10. Squadron U-341 und U-420.
Das hier dargestellte Modell zeigt eine im Jahr 1945 verwendete Liberator GR.Mk.VI mit der Kennung „A“ und der Baunummer 3742. An dieser Maschine sind einige Modifikationen vorgenommen worden. Die zu dieser Zeit schon fehlende Bedrohung durch feindliche Jagdflugzeuge ließen den gewichtssparenden Ausbau des zentralen Kugelstands wie des oberen vorderen Waffenstands zu, investiert wurde dafür in den Einbau einer ASV („Air Sea Vessel“) Radaranlage zum Aufspüren feindlicher U-Boote sowie einer Waffenlast zu deren Bekämpfung in Form von Bomben, Wasserbomben und Torpedos. Kanadische Liberator brachten im Zusammenspiel mit dem ASV Radar auch die „Leigh-Light“ Scheinwerfer zum Einsatz.
Die fotografisch gut dokumentierten Maschinen der 10. Squadron lassen die weite Verbreitung von Verzierungen in Form von „Haifischgebissen“ erkennen. Die Vorbildmaschine meines Modells trägt ebenfalls ein solches. Wenn ich nicht irre, zeigt eine der gefundenen Originalaufnahmen der „3742“ eine später (oder früher?) angebrachte Variation dieses Motivs: der gesamte vordere Bugbereich wurde großflächig in einer Farbe, so vermute ich: gelb, gefasst und mit zwei aufgemalten Augen versehen, sodass sich das aufgepinselte Gebiss in den größeren Zusammenhang eine Raubtierkopfes einfügte.
Zu Bausatz und Bauprozess
Auch ohne Raubtierkopf war diese Liberator „3742“ für mich spannend genug, um sie als Darstellungsziel meiner „großen“ B-24 Liberator von Hobby Boss auszuwählen! Nun bereitet es keine Überraschung, wenn ich sage, dass bei der Beschreibung des Modells einer viermotorigen B-24 im Maßstab 1:32 oftmals Superlative verwendet werden müssen und die schiere Größe des Modells eine Herausforderung für sich darstellt. Schon die Dimensionen der Bausatzschachtel beeindrucken, einmal geöffnet erblickt man Teile, die Spannweiten aufweisen, wie ich sie persönlich noch nie gehandhabt habe.
Viel Licht….
Das Maßband muss gleich einmal auf über 60 Zentimeter ausgezogen werden, um den aus zwei durchgehenden Halbschalen bestehenden Rumpf von Bug bis zum Heck abzumessen. Kombiniert man diese Länge mit der im rechten Winkel dazu abstehenden Flügelspannweite von rund 100 cm, so hat man ein gewaltig raumgreifendes Objekt in Händen, dass mit Bedacht über den „Luftraum“ des Werktisches bewegt werden will!
Größe beweist der Bausatz aber nicht nur von seinen Dimensionen, sondern auch vom Grad an Detaillierung her. Das beziehe ich vor allem auf das Innere des Rumpfes. So hat man schon einiges zu tun, um die Vielzahl an Bauteilen zu verbauen, die vom Bugstand über das Cockpit und den Bombenschacht bis zu den beiden Schützenständen sowie dem Waffenturm im Heck keine Zone unbehandelt lassen.
An meinem Modell habe ich zur Verfeinerung des Cockpitbereichs das empfehlenswerte Eduard Ätzteilset genutzt, die beiden Drehtürme wurden dagegen aus der Schachtel gebaut und mit den Details aus dem Bausatz ausgestattet. Nachdem bald klar war, dass ich den Rumpf weitgehend geschlossen bauen würde, blieb eine Menge der genannten Details des Rumpfteils hinter den Tragflächenholmen unverbaut. Damit war nicht nur Zeit gespart – sondern vor allem Gewicht!
Das sollte sich schon bald als ein großer Vorteil erweisen: ein ernstzunehmendes Thema bei der B-24 Liberator – übrigens jeden Maßstabs, wie ich inzwischen sagen kann – ist die Frage, wie man einen massiven „tailsitter“ vermeiden kann. Selbst mit weitgehend leerem Heck brauchte ich eine Menge Bleigewichte sowie ein gerütteltes Maß an Einfallsreichtum, um die inzwischen ganz schön schwer gewordenen Maschine stabil auf das Bugrad zu bringen. Die Baufotos geben eine Vorstellung, wo ich überall Blei verbauen musste, um dieses Ziel zu erreichen – schlussendlich bleiben selbst die Vorderenden der Motorgondeln vor gewichtiger „Verbleiung“ nicht sicher!
Die Passgenauigkeit der akkurat und ohne Fischhaut gegossenen Kunststoffteile ist durchgehend beeindruckend und erleichtert dadurch den aufwendigen Bauprozess erheblich. Vorteilhaft ist natürlich auch, dass für diese B-24 inzwischen eine gute Auswahl von Ätz-, Resin- und Metallteilen greifbar ist, die das gute Maß an Details noch weiter heben. An diesem Modell sind neben dem Cockpitset noch Resin-Reifen von Eduard sowie aus Messing gedrehte MG-Rohre von Profimodeller zu sehen. Über die Qualität der vertrauenswürdig erscheinenden Decals kann ich nichts sagen, da ich den Bogen „B-24 Liberator in RAF/RCAF/RAAF Service“ von DK Decals verwendet habe. Diese ließen sich hervorragend verarbeiten.
…und ein wenig Schatten!
Bei viel Licht gibt es auch Schatten: ein Manko des Bausatzes besteht zweifellos in den wenig eleganten Klebenähten, die sich bei Bug- und Heckstand gut sichtbar über die Mitte der jeweiligen Klarsichtteile ziehen. Einzige Lösung dafür ist der Austausch gegen ein durchgehendes Klarsichtteil, das ein Hersteller inzwischen anbietet. Ich habe mich bei meinem Modell allerdings dazu entschlossen, mit dem unschönen Detail zu leben – und mich mit dem Potential des eindrucksvollen „ball turrets“ zu trösten. Nachdem an meiner Vorbildmaschine dieser bauchseitig angebrachte kugelförmige Drehturm nicht angebracht war, konnte ich mir hier die Freiheit nehmen, ein „Modell im Modell“ zu versuchen.
Auf einem aus Draht improvisierten Gestänge gelagert, dient dieser Kugelstand nun als kleiner Blickfang. Details wie Hydraulikleitung und Verkabelung wurden noch hinzugefügt, weiters tragen noch die aus Messing gedrehten MG-Läufe das Ihrige dazu bei, das Modell mit vorbildnahem Leben zu füllen. Als Anmerkung: bei der Auseinandersetzung mit dem Waffenstand wurde mir auch klar, dass George Lukas hier genau hingesehen haben musste: wer könnte leugnen, dass sich am Design das Kugelstands von Sperry so manche Gestaltung aus dem „Star Wars“ -Universum ein Vorbild genommen hat?
Zum Schluss möchte ich noch einmal auf das weiter oben kurz angesprochene Thema der ausgesprochen raumgreifenden Dimensionen des Modells zu sprechen kommen. Dieses wird schlagend, sobald die Flächen am Rumpf montiert sind. Die Bauanleitung fordert die fixe Verbindung von Flächen und Rumpf sehr früh im Bauprozess und stellt dies als eine unbedingte Notwendigkeit dar. Hierzu habe ich eine Erfahrung machen können, die ich als durchaus hilfreich ansehe: anscheinend gibt es hier eine Alternative! Nach der Bauanleitung werden die beiden Hälften eines Flügels so verklebt, dass sich zwei an der Innenseite der Teile befindlichen Zapfen unlösbar in eine am Tragflächenholm befindliche Öffnung schieben. Als Ergebnis sind Rumpf und Flächen anschließend stabil und unlösbar miteinander verbunden. Ich konnte nun der Versuchung nicht widerstehen, auszuprobieren, was rauskommen würde, wenn nun diese beiden Zapfen abgesägt werden…
Um es kurz zu machen: mit abgenommenen Verbindungszapfen kann man die Tragflächen ganz unkompliziert vom Holm ziehen und wieder aufschieben. Weder leidet die Festigkeit der Tragfläche darunter, noch ist der Sitz der Tragflächen weniger fest und stabil. Der Kräfteverlauf des fest und schwer auf den Rädern stehenden Modells fixiert die aufgeschobenen Flächen sogar am Rumpf.
Das sind nun natürlich äußerst gute Nachrichten! Zum einen erleichtert sich der Bau dieses Leviathans entscheidend, zum anderen lassen sich so aber auch Lagerung oder Transport der B-24 wesentlich leichter bewerkstelligen. Die angefügten Bilder können diese Punkte illustrieren.
Abschließend kann ich sagen, dass die B-24 Liberator von Hobby Boss meine Erwartungen erfüllt hat: man muss ein großes Quantum an Zeit, Energie, Ausdauer und, last but not least, wohl auch Manövrierplatz beim Bau wie Stellplatz für das fertige Modell einberechnen, bekommt aber „Großes“ zurück. Der Bausatz ist – bis auf das angesprochene Thema bei den Drehtürmen – komfortabel und sinnvoll aufgebaut, gut ausgestattet und punktet mit hervorragender Passgenauigkeit. Garantiert ist, dass die massiven Dimensionen der fertig gestellten Liberator die Erinnerung an das Vergnügen noch lange und unübersehbar wachhalten werden!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer