Curtiss-Wright XP-55 Ascender
Modell: Curtiss-Wright XP-55 Ascender
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: Modelsvit (4808)
Die XP-55 „Ascender“ muss ein ungewöhnlicher Anblick gewesen sein, auch heute ist sie als Modell eine Seltenheit. Roland Sachsenhofer hat ein Exemplar aus dem neuen Bausatz von Modelsvit entstehen lassen und stellt das Ergebnis hier vor.
Es existieren Flugzeugtypen, deren Konstruktion soweit vom Gewohnten abweicht, dass man kaum an ihre Flugfähigkeit glauben möchte. Die XP-55 „Ascender“ gehört zweifelsohne in dieses Spektrum, wobei das „X“ im Namen schon auf dessen experimentelle Natur verweist. Dass der XP-55 immerhin ein Populärname verleihen worden ist, deutet aber auch auf die großen Hoffnungen hin, die mit dieser neuartigen Konstruktion verbunden waren. Nach vier Jahren intensiver Entwicklung, drei gebauten Testflugzeugen, 3,5 Millionen US-Dollar Kosten und zwei Toten musste man sich jedoch schlussendlich eingestehen, dass aus der XP-55 wohl niemals ein „Ascender“, also ein Aufsteiger, werden würde.
Die Ascender geht auf eine Ausschreibung der USAAF im November 1939 zurück, bei der schlussendlich drei eingereichte Projekte für die Weiterentwicklung ausgewählt wurden: Vultee mit der eleganten doppelrümpfigen XP-54, Northrop mit der XP-56 „Bullet“, deren Aussehen ihrem Namen alle Ehre machte – und Curtiss mit der XP-55.
Dass dieser Curtiss Entwurf keine Entenflügelkonstruktion war, die sich über eine fix angebrachte vordere Fläche mit kleinem beweglichem Ruder definiert, erschließt sich erst auf dem zweiten Blick. Der Pilot konnte die kleinen Flächen am Bug beim Abheben mittels der Trimmklappen in den Fahrtwind stellen, um den Bug anzuheben. Im Flug jedoch bewegten sie sich frei im Luftstrom.
Konstruktiv war die XP-55 also ein Nurflügelflugzeug; die Stabilität um die Querachse wurde dabei durch die auffallende Pfeilung der Tragflächen erreicht. Die Flugeigenschaften waren wohl beeindruckend, aber nicht überragend. Anlass zur Sorge geben konnte jedoch eine aerodynamische Unart, die zu haarsträubenden Unfällen und schließlich auch zum Verlust von Menschenleben führen sollte: die XP-55 hatte die unangenehme Eigenheit, ohne jede Vorwarnung in ein Flachtrudeln zu gehen und dabei sofort stark an Höhe zu verlieren. Tests zeigten, dass sie aus diesem plötzlich eintretenden Flugzustand nicht vor dem Verlust von 1000 Höhenmetern abzufangen war.
Curtiss-Testpilot Harvey Gray entging so nur knapp dem Tod, als es ihm erst nach langem Kampf gelang, aus dem in Rückenlage trudelnden ersten Prototypen auszusteigen. Im Mai 1945 ging der dritte Prototyp bei einer Flugvorführung aus demselben Grund verloren, ein Unbeteiligter sowie der Pilot kamen dabei ums Leben.
Um dieser für eine Serienmaschine unzumutbaren Eigenheit beizukommen, wurden die äußeren Tragflächen um die prominenten, außerhalb der Seitenleitwerke zu findenden Verlängerungen ergänzt. Leider ergab auch diese Maßnahme nur eine Verbesserung, aber keine Lösung des Problems. Schlussendlich erdachte man eine Neuerung, die in der heutigen Fliegerei weit verbreitet ist: für die XP-55 wurde der erste „stick shaker“ als eine mechanische Überziehwarnung bei Annäherung an kritische Geschwindigkeitsmarken, entworfen und eingebaut.
Diese Überzieheigenschaften in Gemeinschaft mit anderen, das Projekt begleitenden Schwierigkeiten wie einer zu langen erforderlichen Startstrecke, einem beständig überhitzendem Allison V-1710-95 Triebwerk und, last but not least, Flugleistungen, die immer hinter hochgesteckten Erwartungen blieben, führten Ende 1944 zur Einstellung jeder weiteren Erprobung.
Die zweite Testmaschine blieb erhalten und ist bis heute im Smithsonian Air and Space Museum in Washington zu sehen. Mein Modell zeigt diese Maschine. Entstanden ist sie aus dem neuen Bausatz von Modelsvit, dem es zu verdanken ist, diese seltene aber formschöne Maschine erstmals als niedrigschwelligen „Mainstream-kit“ bauen zu können.
Bei diesem Projekt, das für mich das zweite Mal eine Begegnung mit einem Modelsvit-Produkt brachte, gefielen mir neben dem lockenden Vorbild die gute Ausstattung: eine übersichtliche aber sinnvoll bestückte Ätzteil-Platine, problemlos brauchbare Maskierfolien und wirklich schön gemachte detailfreudige und passgenaue Kunststoffteile.
Also, was braucht man mehr! Vielleicht noch ein Bauplan, der wirklich hilft und nicht verwirrt? Oder zwei Klarsicht-Kanzelteile, eines geöffnet, das andere geschlossen? Ein reichhaltiger Decalbogen, der wirklich brauchbar ist? Auch das findet man im stabilen Karton. Die Decals sind übrigens auf bewundernswert zartem Trägerfilm gedruckt, der aber trotzdem gut vearbeitbar bleibt.
Ein Schatten auf all dieses Lob wirft allerdings der schlechte Sitz der Kanzel. Auf den bisherigen perfekten Sitz der Teile vertrauend habe ich ohne vorheriges Anprobieren bis zum Schluss mit der Montage gewartet. Nun, das Ergebnis seht Ihr auf den Baufotos. Nach wiedererlangter Gelassenheit und mit etwas Spachtelmasse war aber auch dies in kurzer Zeit aus der Welt zu schaffen – wenn auch bis heute einige Kratzspuren am Modell wie an der eigenen Modellbau-Eitelkeit von der eigenen übergroßen Sorglosigkeit erzählen.
Ein Fazit bleibt für mich klar: das ist ein wirklich satt ausgestatteter und gut gemachter Bausatz eines „seltenen Vogels“, den ich allen Interessierten wärmstens ans Herz lege!
Die letzten beiden Fotos zeigen den direkten Größenvergleich mit dem japanischen Jagdflugzeug Kyushu J7W1 „Shinden“.
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer