Gebaut und erprobt, aber nie geflogen
Modell: Piaggio Pegna PC.7
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/48
Verwendeter Bausatz: AMP (48011)
Achtung: ich werde gleich zu Beginn ein paar Dinge über die Piaggio Pegna PC.7 verraten, die man des Spannungsbogens wegen und um das Interesse des Lesers wach zu halten, gerne erst zum Schluss präsentieren würde. Wieso ich das mache? Das ist schnell erklärt: es tauchen angesichts dieses ungewöhnlichen Modells verlässlich folgende drei Fragen auf:
Frage Nummer eins: „Fiktion oder Realität: ist dieses Flugzeug wirklich je gebaut worden?“
Frage Nummer zwei: „Wurde dieses Flugzeug tatsächlich real erprobt?“
Frage Nummer drei: „Ist dieses Flugzeug je geflogen?“
Die kürzeste Antwort auf diese drei Fragen lautet: „Ja, ja und nein“.
Wichtiges wird damit über dieses erstaunliche Konzept und das daraus entwickelte Flugzeug natürlich nicht verraten, sondern eher der Anlass für weitere Fragen gegeben!

Wer etwa glaubt, dass hier der sprichwörtliche verrückte Einzelgänger am Werk war, irrt: der offizielle Startpunkt für die Entwicklung der PC.7 war ein Auftrag des italienischen Luftfahrtministeriums zur Entwicklung eines Renn-Wasserflugzeuges zur Teilnahme an der Schneider-Trophy des Jahres 1929. Dieser Auftrag erging auch nicht an irgendjemand, sondern brachte eine der anerkanntesten Persönlichkeiten der italienischen Luftfahrtindustrie ins Spiel: Giovanni Pegna hatte zu diesem Zeitpunkt als Leiter der Entwicklungsabteilung bei Piaggio ein gediegenes Maß an Erfahrung im Flugzeugbau allgemein und in der Entwicklung von Wasser-Rennflugzeugen im Besonderen vorzuweisen. Der Flugzeughersteller Piaggio dagegen war damals eher für große und meist mehrmotorige Konstruktionen bekannt und sollte im Weiteren eine Reihe bemerkenswerter Bomber und Transportflugzeuge entwickeln.
Zur Frage Nummer 1: Fiktion oder Realität: ist dieses Flugzeug wirklich je gebaut worden?
Über Konstruktion und Bau der Piaggio Pegna PC.7:
Giovanni Pegna fand nach intensiven Untersuchungen, die teils experimentell in Wassertanks, teils an den Entwurfstischen durchgeführt worden waren, zu einem höchst innovativen Vorschlag für das geforderte neue Rennflugzeug, der auch das Luftfahrtministerium umgehend zu überzeugen wusste: im März 1928 wurde der Bau zweier Maschinen mit den Kennungen MM126 und MM127 bei Piaggio in Auftrag gegeben. Die Bezeichnung „PC. 7“ bezog sich dabei, wie in Italien üblich, zum einen auf Pegnas Namen als verantwortlichen Konstrukteur beziehungsweise auf den Hersteller Piaggio, zum anderen stand das folgenden „C“ für „Corsa“ und bezeichnete somit das Einsatzgebiet der geplanten Konstruktion als Rennmaschine.
Giovanni Pegna glaubte mit seinem ungewöhnlichen Ansatz eines „Rennboot-Flugzeugs“ eine Thematik voran zu bringen, die sich bei den Renn-Wasserflugzeugen jener Tage immer deutlicher als Problem abzuzeichnen begann: die Schwimmer sowie das dafür notwendige Strebewerk grenzten die zu erzielenden Höchstgeschwindigkeiten ein. Auch die Alternative eines Flugbootes setzte mit dem voluminösen Rumpfquerschnitt den erzielten Leistungen Grenzen. Pegnas Ansatz war nun, den Querschnitt der Maschine so gering als möglich zu halten, indem der gesamte Flugzeugrumpf beinahe vollständig eintauchen sollte, um als Auftriebskörper genutzt werden zu können. Auf Schwimmer konnte somit vollständig verzichtet werden. Die hoch angesetzten Tragflächen des Schulterdeckers würden auf der Wasseroberfläche aufliegen und den Apparat stabilisieren.
Um die zum großen Teil unter Wasser befindliche Konstruktion in Fahrt zu bringen, war im Heck eine Schiffschraube installiert, die per Fernwelle vom 800 PS leistenden Isotta Fraschini Asso 500 V-12 Reihenmotor angetrieben wurde. Nahm damit die PC.7 genügend Fahrt auf, würde sie auf ihren beiden Hydrofoils soweit aus dem Wasser steigen, bis der Zweiblattpropeller – bis dahin durch eine Automatik horizontal gehalten – vom Wasser freikam. War dieser Zustand erreicht, sollte die Schiffschraube aus- und der Propeller eingekuppelt werden, sodass dessen gewaltige Zugkraft den Vortrieb übernehmen konnte. Die auf diese Weise über die Wellen gischtende Maschine sollte so in kurzer Zeit die notwendige Geschwindigkeit aufbauen, um abheben zu können – um in Folge so gut wie jedes Rennen zu gewinnen! Denn eines schien sich als berechenbares Faktum abzuzeichnen: die aerodynamisch schlanke und schwimmerlose Gestalt, kombiniert mit der gewaltigen Kraft des hochgezüchteten Reihenmotors, würde in bis dato unerreichte Geschwindigkeitsbereiche vorstoßen: für die Piaggio Pegna PC.7 wurde eine Höchstgeschwindigkeit von damals – wie heute – höchst respektablen 600 km/h errechnet!
Die Wasserung sollte bei noch immer rasanten 165 km/h erfolgen. Bevor die Hydrofoils die Wasseroberfläche berühren durften, musste allerdings der Propeller im Flug sukzessive verlangsamt werden, um dann wieder durch die Automatik in horizontaler Ausrichtung fixiert werden zu können. Eine ohne Zweifel heikle Prozedur, die – kann man von Glück sprechen? – nie in der Realität erprobt werden musste.
Der Rumpf der Piaggio Pegna PC.7 war aus zwei Lagen Sperrholz gefertigt, eine zwischen diese Schichten eingeleimte Lage imprägnierten Textils sorgte mit dafür, dass der Rumpf wasserdicht blieb. Aus Holz bestanden ebenfalls Flächen, Leitwerk, die Ruderanlage unter dem Heck und die Konstruktion der beiden Hydrofoils am Bug wie jene eine unter dem Heck. Der Tank wurde in der Rumpfmitte zwischen dem IF Asso 500 Reihenmotor und dem eng gehaltenen Cockpit auf Höhe der Tragflächen eingebaut.
Besonderes Augenmerk war auf die Auslegung als „Tauchboot“ zu legen: so befanden sich die Auspuffanlage auf der Oberseite, während die Ansaugöffnung des Vergasers bei Start und Wasserung von einem gummierten Deckel verschlossen wurde. Dieser wurde in den entsprechenden Flugphasen automatisch gegen die Öffnung presste, um sie wasserdicht zu halten. Für ein Rennflugzeug typisch kurz waren die Spannweite von 6,6 m bei einer Länge von 8,86 m. Voll beladen brachte die PC.7 allerdings 1.686 kg auf die Waage (Leergewicht 1.416 kg)
Wurde dieses Flugzeug tatsächlich real erprobt? Ist es je geflogen?
Die Erprobung der Piaggio Pegna PC.7:
Die Flugversuche fanden mit der MM126 ab Oktober 1929 in Desenzano am Gardasee statt. Ein Blick auf dieses Datum macht allerdings auch eines klar: die PC.7 hatte die im September abgehaltene Schneider-Trophy das aktuellen Jahres knapp verpasst. Die „Roll“-Versuche wurden trotzdem mit Interesse durchgeführt, wobei die langwierige Suche nach einem Piloten der Reparto Alta Velocità RAV, der tatsächlich bereit war, dieses ungewöhnliche Konstrukt zu erproben, ebenfalls zu dieser Verzögerung beigetragen haben könnte. Schlussendlich wurde allerdings mit Tommaso Dal Molin ein Testpilot gefunden, der bereit war, sich auf dieses ungewöhnliche Abenteuer einzulassen. Die RAV war 1928 als Organisation mit einer exklusiven Gruppe von Testpiloten ins Leben gerufen worden, um den Hochgeschwindigkeitsflug zu erforschen und gleichzeitig eine erfolgreiche Teilnahme an den Rennen der Schneider-Trophy vorzubereiten. Sie hatte etwa im „High Speed Flight“ der Briten ein Gegenstück.
Tatsächlich gelang es Dal Molin die MM126 soweit im Wasser zu beschleunigen, dass sich der Propeller weit genug vom Wasser entfernt hatte, um ihn einzukuppeln – allerdings sollte es dazu nicht kommen: Wasser war inzwischen in den Rumpf eingedrungen und hatte die Kupplung zwischen Fernwelle und Heckpropeller so schlüpfrig werden lassen, dass dessen Leistung abfiel. Außerdem zeigte sich, dass die PC.7 während der Fahrt auf den Hydrofoils beunruhigend instabil wurde und kaum auf Kurs gehalten werden konnte.
Bei den anschließenden Reparaturversuchen der Kupplung erwies sich die kompakte Konstruktionsweise des Rumpfes ohne Wartungsklappen als ein entscheidendes Hindernis: um an die defekte Kupplung heran zukommen, wäre ein kompletter Neuaufbau des Rumpfes notwendig geworden. Nachdem sowohl Piaggio wie das Luftfahrtministerium zu diesem Zeitpunkt aber schon das Interesse an dem Konzept zu verlieren begannen, wurde die MM126 in Desenzano vorerst einmal eingelagert, schlussendlich, wie sich zeigen sollte, ohne je wieder instand gesetzt oder flugfähig gemacht zu werden. Nach wenigen Jahren wurde die zu diesem Zeitpunkt schon desolate Zelle abgebaut.
Die zweite PC.7 MM127 war währenddessen nach Guidonia Montecelio bei Rom gebracht worden. Hier wurden noch einige Zeit Geschwindigkeitsversuche in einem großem Wassertank durchgeführt, wobei aber auch hier schon die Erforschung der Hydrofoils im Vordergrund stand. Flugversuche wurden allem Anschein nach mit der zweiten PC.7 keine gemacht. Die bald darauf eingelagerte Maschine wurde 1944 bei einem Luftangriff zerstört.
Zu Bausatz und Bauprozess:
Auch wenn kein Original dieser spektakulären Experimentalmaschine erhalten geblieben ist, scheinen sich doch Geschichten und Materialien genug erhalten zu haben, um den Hersteller AMP vor wenigen Jahren zu bewegen, einen wunderbar gestaltete Kunststoff-Bausatz dieser Flugzeug-Raritäten auf den Markt zu bringen. Ein höchst begrüßenswerter Umstand, mit dem bis zum Jahr 2019 wohl die wenigsten gerechnet hätten!
Wer schon die Freude hatte, einen Bausatz von AMP in Händen gehalten zu haben, wird vom Inhalt des Bausatzes „Piaggio-Pegna PC.7 Schneider Trophy series“/ Nr. 48011 nicht überrascht sein: passgenaue und mit Sinn für feine Details ausgeführte Kunststoffteile werden durch eine kleine Ätzteilplatine ergänzt, auf der man das Gurtzeug und das einfache Instrumentenbrett findet. Die feinen Lamellen der Oberflächenverdampfung, die sich auf weiten Bereichen von Flächen und Rumpf finden, sind präzise und fein gegliedert wiedergeben. AMP schafft es auch, den Bausatz so zu verpacken, dass an diesen sensiblen Partien keine Beschädigungen zu finden waren.
Der Bau selbst machte keine Schwierigkeiten und kann zügig und ohne Umwege ausgeführt werden. Ein wenig Platz für Modifikationen bleibt ja bekanntlich immer: da die Hydrofoils stumpf mit schmaler Stirnfläche an den Rumpf geklebt werden sollten, wollte ich deren Stabilität verbessern. Mit vier kleinen Bohrungen und ebenso vielen in diese geklebten Metallstiften habe ich mein Bauchgefühl, dass hier Ungemach drohen könnte, beruhigt. Dies ist eine wenig aufwendige Maßnahme, die ich auch im Nachhinein gesehen, empfehlen möchte. Ergänzt habe ich einzig die aus der Oberseite ragenden Auspuffstutzen. Diese sind als Bauteile nicht vorhanden, tragen aber nicht unerheblich zum Aussehen bei, daher habe ich sie mit Kabelisolierungen passender Größe improvisiert.
Ich möchte mit Überzeugung diesen Bausatz empfehlen. Jedem, der Freude und Sinn für derlei ungewöhnliche Vorbilder hat, bietet AMP hier einen gut gemachten Bausatz eines seltenen (Wasser-) Vogels!
Ein Nachtrag:
Nachdem Modellbaufreunde und auch ich selbst zu dem Schluss gekommen sind, dass die Formen der PC.7 verblüffend einem Hai ähneln, habe ich mit zwei Zeichnungen versucht, dieser launigen Vorstellung Ausdruck zu verleihen. Ich erlaube mir, diese Bilder anzuhängen.
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer
Lieber Roland,
Danke, wieder einmal ein tolles Rennflugzeug und dabei gleich viel über ungewöhnliche, aber sehr logische Technologieüberlegungen gelernt.
Mich faszinieren ja Rennflugzeuge besonders, obwohl ich ein Autobauer 1:24/25 bin. Formal ist das Ding bestenfalls später vom Starfighter eingeholt worden. Aber bei der extremen Auslegung kein Wunder, daß mit damals verfügbaren Werkstoffen und Simulationen das Flugzeug nie richtig geflogen ist, obwohl ich überzeugt bin, bei entsprechender Fertigentwicklung wäre es möglich gewesen. Respekt denen, die sich da reingesetzt haben.
Als ich übrigens meinen Enkel heuer zur Scale&Paint mitgenommen habe, hat er mir seinen Hang zu Rennflugzeugen gestanden. Mit 9 könnte er ja schon anfangen, etwas zu bauen.
Herzliche Grüße, Christian