Jagd-Flugboot Saunders-Roe SR.A-1
Modell: Saunders-Roe SR.A-1
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/72
Verwendeter Bausatz: Xtrakit (72017)
Zum Vorbild: Saunders-Roe SR.A-1
Meine erste Reaktion auf die Filmaufnahmen einer SR.A-1 im Flug kann ich zusammenfassen mit: „was für ein elegantes und beeindruckend agiles Flugzeug dieses Flugboot war!“. Dieser Eindruck hat mich selbst überrascht, denn sieht man diese Maschine in unbewegten Bildern, drängen vor allem die ungewöhnlich behäbigen und gedrungenen Proportionen dieses Flugbootes in die Aufmerksamkeit. An Land steigert sich dieser irritierende Eindruck sogar noch: aufgebockt auf ihr „beaching gear“ reckt die SR.A-1 die gewaltige Öffnung des Lufteinlaufs weit in die Höhe, der Tropfen der Cockpitkanzel dagegen scheint in Relation zur beachtlichen Tiefe des Rumpfes fast zu verschwinden. Wie auch immer die ästhetische Bestandsaufnahme ausfällt, eines steht fest: die Saunders-Roe SR.A-1 ist ein höchst ungewöhnlicher Entwurf!
In diesem Design bilden sich mehrere Anliegen ab: im Kriegsjahr 1943 konzipiert, sollte ein wassergestütztes Jagdflugzeug entstehen, dass von ruhigen Gewässern in Küstennähe oder von breiteren Flüssen aus operieren könnte. So würden Einsatzräume abgedeckt werden, die von landgestützten Maschinen nicht erreicht werden können. Etwaige Leistungsdefizite eines Wasserflugzeuges gegenüber landgestütztem Fluggerät wären mit diesem Argument gerechtfertigt. Dass dieses Konzept aufgehen konnte und Relevanz hatte, bewies zu dieser Zeit gerade das japanische Kaiserreich mit erfolgreichen Wasser-Jagdflugzeugen wie der A6M2N Rufe sowie der moderneren N1K Kyōfū. Die SR.A-1 war dementsprechend auch bevorzugt für den Einsatz im Pazifik gedacht.
Ein zweites Moment, der das Aussehen der SR.A-1 bestimmte, war der Antrieb in Form zweier Jettriebwerke. Von Beginn an plante man den Einbau von Strahlturbinen. Ursprünglich sollten zwei Halford H1 Radialturbinen mit relativ schwachen 12 Kn Schub genutzt werden, die drei Prototypen wurden aber schlussendlich von den für die Serie vorgesehen leistungsstärkeren Metropolitan-Vickers (MV) F-2 Turbinen mit bis zu 17 Kn ausgestattet. So ausgerüstet erreichte das mächtige Flugboot 824 km/h. Bei einer maximalen Abflugmasse von 7.360 kg betrug die Reichweite dabei über 1.900 Kilometer- nicht schlecht für jene Zeit! Alle drei Prototypen hatten die Installationen für die vorgesehene Bewaffnung von vier 20mm Hispano-Suiza Mk.5 Maschinenkanonen. Die Mündungen dieser MK sind im Bug oberhalb des Lufteinlasses zu erkennen.
Nach ersten Konzeptstudien hatte man unter der internen Bezeichnung SR.44 im Mai 1944 zur endgültigen Form gefunden. Die Auslegung der Maschine vermied mit dem weit nach oben gezogenem Bug den Kontakt der Ansaugöffnung mit Spritzwasser, wohingegen der Einbau der beiden Turbinen in den Flügelwurzeln ein kurzes Schubrohr garantierte. Dies war bei den leistungsschwachen Triebwerken jener Tage ein ernst zu nehmendes Gebot.
Innovativ war die Konstruktion der beiden seitlichen Stützschwimmer: ein ausgeklügeltes System sorgte dafür, dass sie im Flug eingezogen werden konnten. Bei diesem Vorgang rotierten sie um 180 Grad und kamen mit der Unterseite nach oben in entsprechend geformten Taschen an der Flügelunterseite zu liegen. Die resultierende stromlinienförmige Form dieser eingezogenen Schwimmer kam natürlich der aerodynamischen Effizienz der gesamten Konstruktion zugute.
Mit Geoffrey Tyson im Cockpit absolvierte der erste Prototyp TG263 am 16. Juli 1947 seinen Erstflug. Die nachfolgende Erprobung bewies die grundsätzliche Tauglichkeit eines Flugboot-Jagdflugzeuges im Allgemeinen wie der SR.A-1 im Besonderen. In den Nachkriegsjahren hatte die britische Regierung allerdings das Interesse an diesem interessanten Entwurf verloren. So folgten dem Bau der drei Prototypen TG263, TG667 und TG271 keine weiteren Aufträge mehr. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang allerdings das starke Interesse der US-Streitkräfte an der SR.A-1 noch zu Beginn der 50er Jahre. Dies ist wohl auch ein Hinweis, wie führend und angesehen die britische Luftfahrtindustrie dieser Tage war.
Das Jahr 1949 hielt für das Projekt neben dem schwindenden Interesse von staatlicher Seite zwei weitere schwere Schläge bereit: TG271 war im August vor der Isle of Wight nach einer harten Landung leck geschlagen und infolgedessen gesunken. Nur einen Monat später ging TG267 verloren. Diese Maschine sollte bei den Feierlichkeiten des „Battle of Britain Days“ beteiligt sein, stürzte bei den Vorbereitungen dazu aber bei Felixtowe in die See, der Pilot verlor dabei sein Leben.
Die hier im Modell gezeigte TG263 sollte die Zeiten dagegen gut überstehen. Nachdem im Gefolge des Koreakrieges das Interesse an der SR.A-1 kurzzeitig wieder aufgeflammt war, wurden die Erprobungen im Jahr 1950 wieder aufgenommen. Das endgültige Aus für den verbliebenen Prototyp kam jedoch schnell. Schon ein Jahr später im Juni 1951 startete TG263 zum letzten Mal. Die Verfügbarkeit leistungs- wie reichweitenstarker landgestützter Jets hatte das Konzept des Wasser-Jagdflugzeuges inzwischen endgültig überflüssig gemacht. Die überlebende SR.A-1 TG263 ist heute, perfekt erhalten, im Solent Sky Museum in Southampton zu bewundern.
Zu Bausatz und Bauprozess
Meine Freude war groß, als ich die zwei brandneuen SR.A-1 Bausätze von Xtrakit wenige Tage nach der Bestellung bei einem bekannten britischen Händler in Händen halten konnte! Wer hätte je geglaubt, einen brauchbaren Spritzgussbausatz eines derart exotischen Flugzeuges zu sehen? Aber wir leben eben in goldenen Zeiten…
Wobei hier der Begriff „brauchbar“ einmal auf den Prüfstein zu legen wäre. Bei der Ausstattung etwa kann nicht gemäkelt werden. Abklebemasken, eine hauseigene Ausgabe von 3D-Decals für Gurtzeug und Cockpit, Instrumentenbrett inklusive, liegt ebenso bei, wie eine kleine, aber sehr nützliche Ätzteilplatine. Diese beinhaltete den großen und gut sichtbaren Gitterrost im Lufteinlauf, was sehr willkommen ist und eine Menge Detaillierungsarbeit erspart. Als durchwegs „brauchbar“ erwiesen sich auch die ohne Grat und sauber gegossenen Spritzgussteile. Was mir hier allerdings unangenehm auffiel, waren dicke Auswerfermarken, mitunter an eher ungünstigen Stellen. Gerade jene an der Innenseite des Lufteinlaufes sollten sich im weiteren Verlauf des Baues als Ärgernis erweisen.
Die Passgenauigkeit der Teile war erwartungsgemäß eher mittelmäßig, was aber ohnehin nicht groß ins Gewicht fiel, da auf jeden Fall viel und oft gespachtelt werden muss. Klüften und Spalten mussten zum Teil mit mehreren Spachteldurchgängen zu Leibe gerückt werden. Besonders betroffen davon waren die Zonen rund um den Lufteinlauf sowie die hinteren Teile der Turbinenverkleidungen. Freunde des ausgiebigen Spachtelns, Schleifens und Neugravierens werden hier jedenfalls voll auf ihre Kosten kommen!
Damit soll jedoch nicht der Eindruck erweckt werden, dass dies ein schlampig oder gar lieblos konzipierter Bausatz wäre. Ganz im Gegenteil: hat man die genannten modellbauerischen Klippen umschifft, wird man mit dem Anblick eines stimmigen und eindrucksvollen Modells mit schön strukturierten Oberflächen belohnt.
Die Klarsichtteile sind von sehr guter Qualität und lassen sich, kurz gesagt, gut verbauen. Möchte man allerdings die Kanzelhaube geöffnet zeigen, steht man vor dem Problem, dass die Wandstärke des beweglichen Klarsichtteils viel zu groß ist, um auf den hinteren Kanzelabschnitt geschoben werden zu können. Ich habe das Problem bei beiden Modellen so gelöst, dass ich sowohl vom Kanzelinneren wie vom hinteren Kanzelteil Material abgetragen habe, bis ein übereinander Schieben der beiden Teile möglich war. Man kann sich vorstellen, dass dieses Materialabtragen bei Klarsichtteilen ein besonders heikles Unterfangen war.
Die wenigen Decals erwiesen sich als von bester Qualität und ließen sich, kaum überraschend, hervorragend verarbeiten. Als Zutaten meinerseits kamen einzig zwei Pitotrohre aus Nadelkanülen zum Einsatz, weiters habe ich die Positionslichter an den Flächenspitzen, die im Bausatz gar nicht dargestellt werden, ausgeschnitten, eingefärbt und mit „Clear Fix“ wieder verfüllt.
Schlussendlich steht das Modell der SR.A-1 in recht eindrucksvoller Größe auf den sechs Rädern des Landfahrwerks und belohnt den Modellbauer für seine Mühen mit dem Anblick eines eindrucksvollen und wirklich ungewöhnlichen Flugzeugs.
Habe ich schon erwähnt, dass dieses Flugzeug den inoffiziellen Namen „Squirt“ führte? „Squirt“ bezeichnet auf Englisch sowohl den Wasserspritzer als auch einen „Stöpsel“, ein passender Name also für dieses gedrungene Flugzeug, in dem sich das letzte Mal beinahe das Konzept eines Wasser-Jagdflugzeuges verwirklicht hätte!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer