The Dragon and his Tail
Modell: Consolidated B-24J Liberator
Gebaut von: Roland Sachsenhofer
Maßstab: 1/72
Verwendeter Bausatz: Eduard (2110)
Einleitung
Spricht man über die US-Luftfahrtindustrie, so fällt es einem schwer, Formulierungen im Superlativ zu vermeiden. Die B-24 Liberator ist ein schönes Beispiel dafür: mit eindrucksvollen 18.482 gebauten Exemplaren darf sie beanspruchen, der meist gebaute Flugzeugtyp der US-Geschichte zu sein. Neben der Boeing B-17 wurde die Consolidated B-24 zu einer der Ikonen der US-Luftoffensiven über dem besetzten Europa und dem Bombenkrieg über den Städten Deutschlands.
Das Original
Aber auch am pazifischen Kriegsschauplatz konnte die Liberator ihr Potential unter Beweis stellen. Im Unterschied zu Europa wurden mit dem schweren Bomber nicht nur strategische Flächenbombardements geflogen, sondern auch taktische Ziele aus geringerer Höhe angegriffen. Eine jener Einheiten, die die B-24 in dieser Form zum Einsatz brachte, war 64th Squadron der 43rd Bomb Group.
Ab Februar 1942 in Australien stationiert, verlegte die 43rd BG, dem Kriegsverlauf folgend, ab November 1944 auf die Philippinen, um dann schlussendlich im Juli 1945 noch von der nahe Japan gelegenen Insel Ie Shima aus zu fliegen. Lange und riskante Missionen, die selbst die beachtliche Reichweite der Liberator strapazierten und Angriffe auf Schiffsziele, Brücken, Verkehrsknotenpunkte oder Flugfelder zum Ziel hatten, kennzeichneten dabei die geflogenen Einsätze. Von Mai bis September 1943 rüstete die Einheit, die ursprünglich die B-17 Flying Fortress geflogen hatte, auf die langstreckenstarke B-24 Liberator um.
In den Reihen der 64th BS befand sich zu diesem Zeitpunkt mit Staff Sergeant Sarkis E. Bartigian ein ausgebildeter und offensichtlich höchst befähigter Werbegrafiker, der nach seinem Eintritt in die USAAF als Spezialist für die Sperry-Bombenvisiere ausgebildet worden war. Berichtet wird, dass er schon bei der Ausbildung die Lehrbroschüren für das technische Gerät mit seinen erläuternden Grafiken verbessern konnte.
Für Bartigian dürften sich nach der Ankunft auf Ie Shima einige Dinge gefügt haben: die Isolation auf der windigen, sandverblasenen Insel, die große Entfernung zu allzu reglementierfreudigen Autoritäten sowie eine gewisse, durch die Kriegslage sich ergebende Ereignislosigkeit, trafen nun auf ein dankbares und begeisterungsfähiges Publikum, das eine prächtige Leinwand für seine Kunst anzubieten hatte: die ausnehmend mächtigen Flanken ihrer B-24 Bomber!
Sarkis E. Bartigian sollte sich nicht zweimal bitten lassen: bis Kriegsende entstanden spektakuläre Belege für seinen Einfallsreichtum und Können – und die Liberators der 64th BS, 43rd BG flogen mit einzigartig verzierten Maschinen in den Kampf.
Um nur drei Beispiele zu nennen: B-24J „Cocktail Hour“ oder B-24J „It ain´t so funny“ zählen neben B-24L „Mabel´s Label“ zu meinen persönlichen Favoriten. Bei letzterer Maschine hat Bartigian mit einem meterhohen Porträt seiner jüngst angetrauten Frau gedacht – und zusätzlich eine ganze Menge gut platzierter „lipstick“-Abdrücke über den Rumpf verteilt.
Bei all diesen Kunstwerken gilt, dass der Begriff „nose art“ entschieden außer Kraft gesetzt wurde und eigentlich durch einen Begriff wie „fuselage art“ ersetzt werden müsste. Alleinstellungsmerkmal von Bartigians Werken ist ihre durchgehend ausufernde Länge und Breite, erst das Ende des Metalls an Bug und Heck grenzen seine Gestaltungen ein.
Die Consolidated B-24J Liberator mit der Werknummer 44-40973 „Dragon and his Tail“ zählt zu den bekanntesten der von Bartigian auf Ie Shima bemalten Maschinen. Der Bomber überlebte alle Einsätze. Skipper Joe Pagoni, dessen Crew die Maschine auf den meisten der insgesamt 85 protokollierten Einsätze geflogen hatte, gab später an, dass in der B-24 Formation die „Dragon and his Tail“ mühelos stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der japanischen Jagdpiloten gestanden habe. Eine Wertschätzung der Arbeit Bartigians der eher unwillkommenen Art, wie man annehmen darf.
Nach Kriegsende wollte General Kenny, Kommandeur der 5th Air Force, diese spezielle B-24 in die Staaten überführen und bewahren lassen. Das Schicksal hatte mit „Dragon and his Tail“ allerdings anderes vor. Bei einer letzten Proberunde vor dem großen Flug in die US-Heimat platzte bei der Landung einer der Reifen des Hauptfahrwerks und die B-24 legte einen veritablen Bruch hin.
So landete Bartigians Meisterwerk schlussendlich doch als Altmetall in den Schmelzöfen von Kingman, Arizona. Allerdings durfte sie noch einmal Geschichte schreiben: die Arbeiter brachten es lange Zeit nicht über das Herz, „Dragon and his Tail“ endgültig zu zerlegen und suchten ambitioniert einen Käufer für das einzigartige Flugzeug. Es sollte ihnen leider nicht gelingen, B-24J/44-40973 blieb der Schredder nicht erspart, allerdings als allerletzte B-24, die je verschrottet wurde. Also auch hier noch ein Superlativ zum Schluss.
Ab 1988 zeigte die von der Collings Foundation restaurierte letzte flugfähige B-24 für einige Jahre die einzigartigen Farben von „Dragon and his Tail“. Die zahlreichen verfügbaren Fotos und Videos dieses Einzelstückes machen in aller Pracht das erstaunliche Werk erlebbar und setzen dem Gestalter selbst ein Denkmal. Sarkis E. Bartigian erlebte dies alles nicht mehr; 1955 war er, erst neunundvierzigjährig, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Zum Modell
Die Kunststoffteile entstammen einer Neuauflage durch Eduard des von Academy/Minicraft im Jahre 1990 herausgebrachten Bausatzes. Das hohe Alter bildet sich im ausbaufähigen Detailierungsgrad und einer mitunter recht unpräzisen Ausformung einzelner Bauteile ab. Eduard legt in der Neuauflage einige Ätzteile bei, die hier für ein zeitgemäßes Modell auch wirklich gebraucht werden. Insbesondere Cockpit, Fahrwerksbereich und die Darstellung der Motoren profitieren davon.
Die Bausatzteile für die MG-Rohre wurden durch solche aus Resin ersetzt, dagegen war nur eine kleine Modifikation nötig, um die Schiebefenster der Kanzel geöffnet zeigen zu können. Ersetzt wurden auch die Reifen des Bausatzes, hier bietet ein Resin–Reifenset von True Details eine wirkliche Verbesserung.
Die Decals entstammen dem Bogen „War Birds B-24J Liberator ‚The Dragon and His Tail‘ /No. KW172128 von Kits-World. Diese kann ich von der Qualität der Schiebebilder her bedenkenlos empfehlen, verwirrt hat mich persönlich nur das Fehlen einer Anleitung, wo die beigelegten stencils anzubringen wären. Mit ein wenig Eigenrecherche war aber auch dieses Thema unaufwendig zu lösen.
Fazit
Selten haben mir ein Modellbauprojekt und dabei insbesondere das Aufbringen der Schiebebilder solchen Spaß gemacht wie hier! Ich kann die Decals in vollem Umfang und mit Einschränkung auch den Bausatz empfehlen. Sowohl Farbe als auch Abwechslung in der Vitrine sind garantiert!
© Modell, Bilder und Text: Roland Sachsenhofer